Die Tatsache, dass ungefähr die Hälfte der Weltbevölkerung ohne Internet lebt, vergessen wohl die meisten Leute. Feature-Phones bieten dank KaiOS heutzutage zahlreiche Konnektivitätsoptionen, Internetzugang sowie OTT-Dienste und -Apps für soziale Netzwerke.
Werfen wir einen kurzen Blick auf den Mobilfunkmarkt: 75 Prozent des mobilen Datenverkehrs laufen über Android-Geräte ab; bei iOS sind es 22 Prozent und andere mobile Betriebssysteme machen zusammengenommen nur mickrige 2,3 Prozent aus.
Anhand dieser Statistik scheint das Feature-Phone auf den ersten Blick kaum beachtenswert. Dabei stehen die Chancen deutlich besser, als man zunächst denkt. Jährlich sinken die Verkaufszahlen der Feature-Phones um knapp 13 Prozent. Die Verkaufszahlen moderner Feature-Phones mit 4G-Unterstützung steigen dagegen um 13 Prozent pro Jahr an. Und genau das ist Nokias milliardenstarke Zielgruppe – eine neue Generation von Internetnutzern.
Sich auf diese Kategorie zu konzentrieren, ist ein äußerst kluger Schachzug. Denn Nokia beeinflusst so nicht nur die Kommunikationslandschaft von morgen, es ist auch der realistischste Weg, um Android und iOS die Stirn zu bieten.
Apple verkauft nämlich überhaupt keine Feature-Phones und Samsungs Marktanteil ist relativ gering. Google hat sich bisher noch nicht auf dieses Gebiet vorgewagt, investierte jedoch 22 Millionen US-Dollar in KaiOS – das Betriebssystem der Feature-Phones von morgen. Der indische Mobilfunkanbieter Reliance Jio besitzt 16 Prozent der Unternehmensanteile, für die das Unternehmen 7 Millionen US-Dollar investiert hat. Und im vergangenen Mai steckte Cathay Innovation ganze 50 Millionen US-Dollar in eine Series B-Finanzierungsrunde.
Zwischen der Veröffentlichung im Jahr 2017 und Ende 2018 wuchs der Einfluss von KaiOS von null auf 100 Millionen Smartphones, das erwähnte CEO Sebastien Codeville gegenüber Quartz. In Indien ist KaiOS mittlerweile das zweitbeliebteste mobile Betriebssystem – damit liegt es sogar vor iOS.
Seitdem konzentriert sich KaiOS verstärkt auf afrikanische Märkte und hofft, durch eine Partnerschaft mit dem Unternehmen Tecno, das dem chinesischen Smartphone-Hersteller Transsion gehört, schnell Marktanteile zu gewinnen.
KaiOS möchte jedoch nicht als iOS- oder Android-Konkurrent angesehen werden, da es seinen Nutzern etwas völlig anderes bietet. „Wir arbeiten nicht an einem großen Ökosystem, denn wir sind schlicht und einfach nicht in der Lage, mit vollständigen Smartphone-Betriebssystemen zu konkurrieren.“, so Codeville.
Nokia 2019 IFA-Ankündigung
Nokia hat eine Reihe von neuen Geräten vorgestellt. Das Nokia 6.2 und das Nokia 7.2 sind Mittelklasse-Smartphones, mit denen sich der Hersteller nun auf einem stark umkämpften Markt behaupten möchte.
Das Highlight ist jedoch das Nokia 3310, ein nur 20 US-Dollar teures 4G-Klapphandy. Das 2,8 Zoll große Display mag zwar klein erscheinen, interessant ist dafür aber die integrierte Google Assistant-Unterstützung.
Die Steuerung per Spracheingabe eignet sich ideal für Smartphones mit wenig Funktionalität. Denn dank Google Assistant kann das Handy auch ohne hochauflösendes Display Zugang zu Informationen, Diensten und Apps bieten, die Nutzern ansonsten nicht zur Verfügung stehen würden. Außerdem könnte das die Geräte auch für bestehende Smartphone-Nutzer interessanter machen.
Sundar Pichai, CEO von Google, erklärte 2015 in einem Blogpost seine Strategie für die eine Milliarden Nutzer, die zukünftig Zugang zum Internet erhalten werden. „Wir möchten dabei helfen, diese eine Milliarde Inder online zu bringen, damit sie auf das gesamte Web mit all seinen Informationen und Möglichkeiten zugreifen können.“ Damals dachte Google, dass günstige Smartphones die Lösung dafür seien. Doch nun haben sich Feature-Phones mit smarten Funktionen wie Google Assistant als die bessere Lösung herausgestellt.
Dass sich Nokia auf der IFA 2019 vor allem auf Feature-Phones konzentriert, könnte auf eine Zukunftsvision und langfristige Strategie des Unternehmens hindeuten. Das Nokia 6.2 ist ein wunderschönes Smartphone mit großartigen Features wie beispielsweise einem Objektiv von Zeiss – aber weil das Mittelklasse-Segment so stark umkämpft ist, lohnt es sich meiner Meinung nach mehr, sich auf erschwingliche Geräte zu konzentrieren, mit denen absolut jeder Zugang zum Internet bekommen kann.