Mal eben zum Shoppen nach Mailand oder Paris fliegen? Früher galt das mal als cool. Heute empfinden wir „Flugscham“. Die Lösung: nach dem Flug einen CO2-Ausgleich zahlen. Doch ist das wirklich so sinnvoll?
Es klingt so einfach!
Auf der einen Seite fliegst du übers Wochenende nach Paris. Das ist schlecht fürs Klima, weil natürlich beim Fliegen schädliche Emissionen ausgestoßen werden. Auf der anderen Seite kannst du diese Emissionen anschließend aber ganz einfach über CO2-Kompensationen ausgleichen.
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Damit kannst du also theoretisch klimaneutral reisen. Das klingt zu schön, um wahr zu sein – und ganz so simpel ist es natürlich auch nicht.
Doch wie genau funktioniert die CO2-Kompensation? Kannst du damit wirklich klimafreundlicher reisen? Und wie sinnvoll fürs Klima ist das Konzept?
Wir schauen uns das Thema einmal genauer an und beantworten die wichtigsten Fragen dazu.
Was ist CO2-Ausgleich?
Egal, ob Auto, Bahn, Flugzeug oder Kreuzfahrtschiff – wenn wir uns motorisiert von A nach B bewegen, entstehen dabei immer auch klimaschädliche Emissionen.
Am schlimmsten kommt dabei meist das Flugzeug weg. Das liegt nicht unbedingt daran, dass wir alle so oft fliegen, sondern vielmehr an dem Transportmittel selbst.
Dazu mal ein Rechenbeispiel.
Der Weltklimarat empfiehlt: Pro Person sollten wir nicht mehr als zwei Tonnen CO2 pro Jahr verbrauchen.
Wie sieht es also aus mit deinem Urlaubsflug innerhalb von Europa? Der verbraucht etwa ein Drittel davon. Ein Transatlantik-Flug (hin und zurück) wiederum sogar dein ganzes Jahresbudget.
Genau darum setzten viele CO2-Ausgleichsprojekte beim Fliegen an. Die Idee dabei ist relativ simpel. Die Menge CO2, die du für einen Flug ausgestoßen hast, wird an anderer Stelle eingespart.
Das kann entweder dadurch geschehen, dass Bäume gepflanzt werden, die die gleiche Menge CO2 absorbieren, die du durch deinen Flug ausgestoßen hast. Eine andere Möglichkeit ist es, nachhaltige Projekte zu unterstützen, die langfristig Emissionen einsparen, wie etwa Solaranlagen.
Beim freiwilligen CO2-Ausgleich spendest du Geld, das in solche Projekte investiert wird.
Wichtig dabei: Die Emissionen werden natürlich durch die Kompensation nicht vermieden und auch nicht weniger schädlich fürs Klima.
Wie funktioniert der CO2-Ausgleich?
Wenn du deine Flug-Emissionen kompensieren möchtest, kannst du dies zum Beispiel direkt über deine Fluglinie tun. Falls deine Airline diese Option anbietet, siehst du sie normalerweise, bevor du deine Tickets bezahlst.
Darüber hinaus gibt es aber auch spezielle Klimaportale, bei denen du im Nachhinein deinen CO2-Ausstoß ausgleichen kannst. Dazu gehören Atmosfair, Climate Fair, Myclimate oder Primaklima.
Der Ausgleich ist dabei denkbar einfach.
- Du gehst auf die Websites dieser Portale.
- Du gibst deine Flugdaten ein.
- Die Seiten errechnen, wie viel CO2 du kompensieren musst.
- Am Ende siehst du, wie viel Geld du konkret spenden musst, um deinen Flug zu kompensieren.
Dabei gilt es zu bedenken, dass die Portale unterschiedliche Modelle haben, um den individuellen CO2-Fußabdruck pro Flug zu berechnen. Schließlich zahlst du auch nur deine Emissionen und nicht etwa die des gesamten Flugzeugs.
Um aber die ganze Flugstrecke auf deinen persönlichen Verbrauch herunterzubrechen, kann man unterschiedliche Rechenmodelle anwenden.
Bei Myclimate etwa unterschiedet das Portal nur zwischen den Sitzklassen. Atmosfair bezieht darüber hinaus auch Kategorien wie Flugart oder Flugzeugmodell mit ein. Climate Fair wiederum geht noch einen Schritt weiter und bezieht auch noch soziale und ökologische Folgen des Fliegens mit ein.
So kommen am Ende auch sehr unterschiedliche Beträge zusammen. Ein Hinflug von Frankfurt (FRA) nach New York (JFK) in der Economy Class kostet bei Atmosfair 42 Euro, bei Myclimate sind es 24 Euro und bei Climate Fair 188 Euro.
Ist es nun besser, pauschal geringere Preise zu berechnen dafür aber mehr Nutzer zum Ausgleich zu bewegen oder lieber hohe, dafür aber fairere Preise zu verlangen? Darüber kann man sicherlich diskutieren.
Dabei gilt es aber zu bedenken, dass keins dieser Portale den kompletten CO2-Rucksack des Fliegens mit einbezieht, also beispielsweise die CO2-Emissionen für den Bau des Flugzeugs oder für die Energie, die für Wartung, Pflege oder Lagerung anfällt.
Dennoch kommt die Idee gut bei Nutzern an. Und so kannst du mittlerweile nicht nur die Emissionen fürs Fliegen ausgleichen, sondern zum Beispiel auch fürs Autofahren, Busfahren oder sogar für den Paketversand oder die Firmenveranstaltung.
Wohin gehen die Gelder für den CO2-Ausgleich?
Auch hier haben die unterschiedlichen Organisationen zum Teil verschiedene Ansätze.
Bei Atmosfair finden Nutzer ein sehr buntes Portfolio. Dieses reicht von Umweltbildungsprojekten in Deutschland bis hin zu einem Wasserkraftwerk in Honduras, mit dem jährlich angeblich 36.000 Tonnen CO2 eingespart werden.
Myclimate nennt wiederum Projekte wie etwa das Wiederaufforsten in Nicaragua oder das Einführen von Wasserfiltern in Uganda, durch die Familien ihr Wasser nicht mehr kochen müssen und damit, so das Portal, über 61.000 Tonnen CO2 pro Jahr sparen.
Climate Fair setzt sich stark für den Bau von Fotovoltaik-Anlagen weltweit, unterstützt aber auch soziale Projekte, wie etwa den Bau einer Schule in Osttibet.
Wie nachhaltig sind die Klimaprojekte?
Welche Klima- und Sozialmaßnahmen besser sind, ist umstritten. Einige sagen, nur Aufforstung zu betreiben, sei nicht weitsichtig genug, weil wir die Effekte davon erst in vielen Jahren wirklich zu spüren bekommen.
Andere wiederum sagen, Bäume seien die einzige Möglichkeit, um schädliches CO2 aus der Atmosphäre wieder aufzusaugen.
Doch welche Bäume? Wo sollen diese gepflanzt werden? Kann man sich sicher sein, dass all diese neuen Bäume die Landschaft und Umwelt nicht in irgendeiner anderen Form stören?
Der Weltklimarat sagt zum Beispiel, Bäume pflanzen sei zwar sinnvoll, aber nicht so hilfreich fürs Klima, wie fossile Energieträger wie Kohle gar nicht erst aus der Erde zu nehmen, beziehungsweise zu verbrennen.
Und die anderen Projekte? Wer sagt denn, dass man zum Beispiel das Wasserkraftwerk in Honduras nicht auch ohne unsere Flugscham gebaut hätte?
Ein weiterer Kritikpunkt an den CO2-Ausgleichsprojekten ist auch, wo diese umgesetzt werden. Die meisten davon kommen nämlich auf der südlichen Halbkugel zum Tragen – zum Teil, weil sie hier günstiger in der Umsetzung sind.
Doch warum muss eigentlich dieser Teil der Welt (mal wieder) unsere Umweltsünden ausbaden?
Pauschal lässt sich das alles sicher nicht beantworten. Dennoch kannst du als Nutzer immerhin über Siegel wie den WWF Gold Standard oder den Verified Carbon Standard / Climate, Community and Biodiversity Alliance (VCS / CCBA) nachvollziehen, ob die Projekte, die du mit deinem CO2-Ausgleich finanzierst, seriös und nachhaltig sind.
Der Gold Standard bestätigt beispielsweise, dass ein Projekt nicht nur umweltfreundlich, sondern auch sozial nachhaltig ist.
Die meisten seriösen Klimaportale investieren ausschließlich in Projekte, die von diesen oder vergleichbaren unabhängigen Instituten zertifiziert sind, und überprüfen oftmals auch selbst, ob die jeweiligen Projekte wirklich ihren eigenen Standards entsprechen.
Darüber hinaus sind die Organisationen auch sehr transparent und zeigen dir – wenn sie wirklich seriös sind – wie sie Klimaprojekte auswählen, welchen Standards sie folgen und wie sie ihre Berechnungen anstellen.
Wie sinnvoll ist die freiwillige Kompensation?
Wenn du beim CO2-Ausgleich aber lediglich Emissionen kompensierst, diese aber dennoch erstmals in die Atmosphäre gelangen: Wie sinnvoll ist das Ganze dann überhaupt?
Kritiker befürchten, dass viele Verbraucher durch die CO2-Abgabe ihr schlechtes Klimagewissen reinwaschen. Anstatt also WENIGER zu fliegen, sorge die CO2-Abgabe dafür, dass Reisende noch mehr fliegen – und das mit gutem Gewissen.
Befürworter weisen aber darauf hin, dass die CO2-Abgabe auch genau das Gegenteil bewirken kann.
Denn wer sich durch die CO2-Kompensation seiner Reisen mit dem Thema „Emissionen“ beschäftige, merke erstmal überhaupt, was für einen gigantischen CO2-Fußabdruck er habe – und reise damit sehr viel bewusster, und damit auch klimafreundlicher.
Das übertrage sich wiederum auch auf andere Bereiche im Alltag, wie die Ernährung oder den Konsum.
Das Umweltbundesamt glaubt, dass die positiven Effekte überwiegen. In einer Tagung zum Thema war die Schlussfolgerung der Wissenschaftler: Personen, die klimaschädliches Verhalten in ihrem Alltag kompensieren, neigen dazu auch in anderen Lebensbereichen nachhaltiger zu sein.
Emissionen vermeiden ist besser, aber CO2-Ausgleich hilft
Also: Emissionen zu vermeiden ist selbstverständlich immer besser, als diese erst zu erzeugen und dann auszugleichen. Gleichzeitig ist der Ausgleich immer noch besser als einfach nur Emissionen auszustoßen und dann gar nichts zu tun.
Das gilt allerdings nur, wenn wir ernsthaft anfangen unser Reise- und Mobilitätsverhalten insgesamt zu hinterfragen. Dazu gehört, dass wir zum Beispiel klimaschädliches Reiseverhalten, wie die Kreuzfahrt, mit nachhaltigeren Urlaubsvarianten, zum Beispiel mit einem Wanderurlaub im eigenen Land ersetzen.
Auch müssen wir (und Unternehmen) damit anfangen, Flüge auf Kurzstrecken konsequent mit Bahnfahrten oder zumindest mit dem Fernbus oder über Mitfahrgelegenheiten zu ersetzen.
Fazit: Wenn wir also sowohl anfangen, unser Mobilitätsverhalten mit dem Gedanken an den CO2-Ausstoß zu hinterfragen – und zu ändern – ist der CO2-Ausgleich für das, was sich nicht vermeiden lässt, durchaus sinnvoll.
Wenn wir aber nun einfach vier Mal statt zwei Mal im Jahr in den Urlaub fliegen (weil wir es ja ohnehin später ausgleichen), dann bringt auch der beste CO2-Ausgleich der Welt nichts.
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