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Fahrbericht Porsche Cayenne Turbo S E-Hybrid Coupe

geschrieben von Mark Kreuzer

Braucht die Welt ein SUV-Hybrid mit 680 PS Systemleistung und 900 Nm oder ist der Cayenne Turbo S E Hybrid einfach nur das Äquivalent der homöopathischen Globuli zur Behandlung und Beruhigung des grünen Gewissens?

Dieser Frage bin ich auf der Fahrveranstaltung zum Start des neuen aktuell stärksten Porsche Cayennes nachgegangen. Wobei ich, wenn ich ehrlich bin, mir die Frage vorher nie gestellt habe.

Technische Daten Porsche Cayenne Turbo S E-Hybrid Coupe

Wenn ihr euch für Autos interessiert, dann ist euch der 918 Spyder als Supersportwagen sicher ein Begriff. Beim 918er hat Porsche erstmals gezeigt, welche Performance durch das intelligente Zusammenspiel von klassischem Verbrennungsmotor und Elektromotor realisiert werden kann. Erstmals wird dieses Antriebskonzept jetzt auch in das Topmodell der Cayenne-Modellreihe implementiert.

Beim Cayenne Turbo S E-Hybrid und Cayenne Turbo S E-Hybrid Coupé kombiniert Porsche die 100 kW (136 PS) starke E-Maschine mit einem Vierliter-V8-Biturbo-Motor, der 404 kW (550 PS) leistet. Arbeiten beide Motoren zusammen, ergeben sich 500 kW (680 PS) Systemleistung und 900 Nm Systemdrehmoment. Die Boost-Strategie des Antriebs folgt der des 918 Spyder: Der Elektroantrieb sorgt dabei nicht nur für eine hohe Energieeffizienz, sondern als elektrischer Zusatzturbo auch für zusätzlichen Schub.

Der Blick auf das Fact-Sheet lässt einen erst einmal ein wenig verwirrt zurück. Zum einem sind es die Leistungsdaten und Beschleunigungswerte, die einen eher an einen Sportwagen als an einen Geländewagen erinnern, zum anderen denkt man bei den Verbrauchswerten von 3,7 l/100 km eher an einen sparsamen Kleinwagen.

Der Cayenne Turbo S E-Hybrid zeigt, wie man mit dem Hybrid Antriebskonzept die Widersprüche von Stärke/Schnelligkeit mit geringem Verbrauch kombiniert bekommt.

Mir ist natürlich klar, dass der Verbrauch im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) von 3,9 – 3.7 l/100 km Kraftstoff sowie 19,6 – 18,7 kWh/ 100 km Strom ein in der Praxis eher theoretischer Wert ist. Er hängt sehr stark von der jeweiligen Fahrweise ab, aber nichtsdestotrotz ist die Kombination effizienter als ein reiner Verbrennungsmotor. Die Kombination führt dazu, dass der neue Porsche Cayenne Turbo S E-Hybrid Coupe in Deutschland die Energieeffizienzklasse A+ erhält.

Porsche Cayenne Turbo S E-Hybrid Betriebsarten

Die E-Maschine ist zwischen V8-Motor und Achtgang-Tiptronic S angeordnet. Zusammen geschaltet werden beide Motoren über eine im Hybridmodul angeordnete Trennkupplung, den sogenannten Electric Clutch Actuator (ECA). Die elektrische Maschine kann in den Fahrmodi „Hybrid Auto“, „Sport“ und „Sport Plus“ für einen zusätzlichen Leistungsschub genutzt werden.

Im Cayenne Turbo S E-Hybrid gehören das Sport Chrono-Paket und damit der im Lenkrad integrierte Mode-Schalter zur Serienausstattung. Über den Mode-Schalter und das Porsche Communication Management (PCM) werden die verschiedenen Fahrmodi angewählt. Dazu zählen die aus den anderen Cayenne-Modellen mit Sport Chrono-Paket bekannten Modi „Sport“ und „Sport Plus“. Hybridspezifisch sind die Modi „E-Power“, „Hybrid Auto“, „E-Hold“ und „E-Charge“. Mit Ausnahme von Einschränkungen durch den Ladestand der Batterie können die Modi jederzeit frei gewählt werden. Die einzelnen Fahrmodi im Überblick:

  • E-Power: Der Cayenne Turbo S E-Hybrid fährt bis zu 40 km weit rein elektrisch und dabei lokal emissionsfrei. Im rein elektrischen Betrieb erreicht er eine Höchstgeschwindigkeit von maximal 135 km/h
  • Hybrid Auto: Die Antriebsquellen werden automatisch gewechselt beziehungsweise kombiniert. Dieser Modus ermöglicht den effizientesten Betrieb.
  • E-Hold: Der Modus ermöglicht das bewusste Halten des aktuellen Ladezustands, um etwa am Zielort in einer Umweltzone elektrisch und damit lokal ohne Emissionen fahren zu können.
  • E-Charge: Die Batterie wird durch den Verbrennungsmotor geladen; der V8 erzeugt durch eine Lastpunktverschiebung überschüssige Energie, die zum Laden verwendet wird.
  • Sport und Sport Plus: Die höchste Performance des Antriebs steht zur Verfügung. Stets aktiv ist dabei der V8-Biturbo-Motor. Im Modus „Sport“ wird die Batterieladung immer auf einem Mindestniveau gehalten, um ausreichende Boost-Reserven bereitzustellen. Im Modus „Sport Plus“ steht die maximale Performance im Vordergrund. Dabei wird die Batterie zugunsten einer maximalen Performance schnellstmöglich nachgeladen.

Flüssigkeitsgekühlte Lithium-Ionen-Batterie, intelligentes Lade-Ökosystem und ein elektronischer Co-Pilot

Der Elektromotor wird über eine flüssigkeitsgekühlte Lithium-Ionen-Batterie mit einem Energiegehalt von 14,1 kWh mit Strom versorgt. Binnen 2,4 Stunden ist die Hochvolt-Batterie mit dem serienmäßigen 7,2-kW-On-Board-AC-Lader über einen 400-Volt-Anschluss mit 16-Ampere-Absicherung vollständig geladen. An einer herkömmlichen Haushaltssteckdose mit 230 Volt und 10 Ampere dauert der Ladevorgang sechs Stunden.

Auch beim Laden unterwegs unterstützt Porsche die Hybrid-Fahrer. Das geschieht über die digitale Plattform Porsche Charging Service, die den europaweiten Zugriff auf mehr als 49.000 Ladesäulen verschiedener Anbieter und eine zentrale Abrechnung über Porsche ermöglicht.

Den Charging Service hatten wir bereits vor einiger Zeit auf den Schirm und bei uns im Blog gehabt. Für die Hybrid Modelle ist dieser sicher eher ein Nice To Have. Aber meine Vermutung ist, dass man sich hiermit bei Porsche schon mal auf den baldigen Start des rein elektrischen Porsche Taycans vorbereitet.

Wenn der Wagen mit dem optionalen InnoDrive Paket ausgestattet ist, bekommt der Wagen quasi noch mal einen elektronischen Co-Pilot, der den Fahrer nicht nur unterstützt und entlastet, sondern für die nächsten drei Kilometer die optimalen Beschleunigungs- und Verzögerungswerte basierend auf den Navigationsdaten errechnet und über den Motor und die Tiptronic S sowie die Bremsanlage aktiviert. Dabei berücksichtigt der elektronische Co-Pilot Kurven, Steigungen und zulässige Geschwindigkeiten automatisch.

Das aktuelle Verkehrsgeschehen wird durch eine Radar- und Video-Sensorik erfasst, und die Regelung wird entsprechend angepasst. Wird der Sport-Modus aktiviert, wechselt auch InnoDrive in ein dynamischeres Kennfeld. Das von Porsche entwickelte InnoDrive verbessert Effizienz und Komfort. Fahrzeugfunktionen wie Segeln, Schubabschaltung und Bremseingriffe werden auf Grundlage der prädiktiven Navigationsdaten verbrauchseffizienter gesteuert.

Porsche PCM jetzt mit Wireless Apple CarPlay

Eine Besonderheit ist mir direkt beim ersten Einsteigen in den Porsche Cayenne Turbo S E-Hybrid Coupe aufgefallen. Beim Koppeln meines iPhones hat er mir die Option angeboten, Apple CarPlay Wireless zu starten. Generell ist die Kopplung des Smartphones bei Porsche schnell und einfach erledigt.

Das Porsche PCM haben wir ja bereits im Panamera ausführlich getestet. Der Cayenne hat im Vergleich zum Panamera ein leichtes Update erhalten, da die meisten Funktionen und Ansichten aber gleichgeblieben sind, kann ich euch weiterhin den Blogartikel von damals empfehlen, wenn ihr mehr über das Porsche PCM System erfahren wollt.

Kurz zusammengefasst ist das PCM-System von Porsche für mich aufgrund der hohen Individualisierbarkeit eins der besten Infotainmentsysteme auf dem Markt.

Mir fallen nur sehr wenig Gründe ein, warum man CarPlay anstelle des PCM-Systems verwenden wollen könnte.

Gründe, die mir einfallen haben vor allem mit Siri, Apple-Podcast, Apple-Music / Spotify oder vielleicht Waze (wenn man den Community-Gedanken mag) zu tun. Genau betrachtet bleibt für mich eigentlich nur Spotify übrig. Denn die Geschwindigkeit und Genauigkeit der Sprachsteuerung ist im Porsche PCM System exzellent, eine Podcast App ist im PCM auch integriert, der Media-Bereich ermöglicht einen Zugriff auf Apple-Music inklusive Playlisten und Apple-Radio, und wenn es um Community und Schwarmfunktionen gibt, greift das PCM Navigationssystem bereits auf Echtzeit-Verkehrsinformationen und Risk Radar zu.

Zusätzlich bietet das PCM-System einige Apps wie News, Wetter, Nest, Napster und Amazon Music an. Hier ist durchaus noch ein wenig Luft für mehr Apps, aber mir wurde von Porsche versprochen, dass man hieran arbeitet.

Fahrbericht Porsche Cayenne Turbo S E-Hybrid Coupe

Ich bin ja schon viele sportliche Autos gefahren, aber zumindest auf dem Papier ist der Cayenne Turbo S E-Hybrid Coupe das stärkste Auto, das ich je gefahren bin.

Ein lustiger Moment ist immer wieder, wenn man sich in den Wagen setzt und ihn startet. Denn das Anlassen des Hybrid Porsches könnte wohl kaum unspektakulärer sein. Der Anlasser befindet sich, wie es sich bei einem Porsche gehört, links und sobald man ihn dreht, hört man einen kurzen „Elektro Boot Sound“ und das war’s. Alle Porsche Cayenne Hybrid Modelle starten grundsätzlich in den weiter oben beschriebenen voll elektrischen E-Power Mode.

Das heißt man rollt in den allermeisten Fällen fast komplett lautlos und unauffällig los und macht sich elektrisch auf die Reise.

Meiner Meinung nach sollte man eigentlich grundsätzlich die Navigation beim Cayenne Hybrid starten, denn dann hat der Wagen die Möglichkeit, aufgrund des Streckenprofils den Elektroantrieb besonders effizient zu nutzen.

Erstaunlich fand ich bei meiner eintägigen Testfahrt, wie wohl man sich in dem Hybrid-Auto-Modus fühlt. Das Zusammenspiel von Verbrenner- und Elektromotor funktioniert tadellos. Man gleitet in der Stadt, auf der Landstraße wie auch auf der Autobahn stets entspannt dahin.

Wenn einem gerade nicht nach Entspannung ist, tritt man das Gaspedal einfach voll durch, oder man stellt über den Wahlschalter auf Sport oder Sport Plus und denkt, man sitzt auf einmal in einem anderen Auto. Der Elektromotor übernimmt und überbrückt das Turboloch bzw. den unteren Drehzahlbereich, bis der V8 seine Leistung voll entfalten kann. Dadurch schiebt der Cayenne Turbo S E-Hybrid Coupe verzögerungsfrei mit einer Vehemenz nach vorne, wie ich es bisher höchstens in Sportwagen erlebt habe.

Aber anders als in einem Sportwagen ist das subjektive Geschwindigkeitsgefühl aufgrund der hohen Sitzposition, der Dämmung und dem 48V-Wankstabilisierung ein wenig entkoppelt. Dies ermöglicht auf der Autobahn, wenn man es wünscht, eine hohe Reisegeschwindigkeit ohne viel Drama.

In dem Zusammenhang möchte ich auch noch mal das Porsche Acrive Suspension Managment (PASM) System lobend erwähnen. Das Luftfahrwerk hat neben dem Normalniveau fünf weitere Fahrzeugniveaus zur Verfügung. Diese werden abhängig von Fahrsituation und gewähltem Fahrmodus automatisch eingestellt.

Kombiniert man das ganze noch mit der optional erhältlichen Hinterachslenkung, bietet der Cayenne Turbo S E-Hybrid Coupe eine Spreizung zwischen Komfort und Sportlichkeit, die eigentlich für ein so großes und schweres Auto nicht möglich sein sollte.

Ganz nebenbei ist der Porsche Cayenne nicht nur ein Auto für die Straße, sondern bietet auch Offroad-Fahrmöglichkeiten, die man aktuellen SUV eigentlich normalerweise abspricht. Die Offroad-Eigenschaften des Porsche Cayenne mit der dazugehörigen Offroad Precision App haben wir bereits in einem eigenen Artikel ausführlich testen können.

Das Beschleunigen ist die eine Seite der Medaille, aber gerade so ein großes und schweres Auto muss auch wieder in der Lage sein, schnell zu verzögern/bremsen. Deshalb ist bei den Turbo S E-Hybrid Modellen die Porsche Ceramic Composite Brake (PCCB) serienmäßig. Die gelben Bremssättel der Keramikbremse ist bei Porsche-Modellen ja immer ein Erkennungsmerkmal dafür, dass es sich um ein sportlicheres Modell handelt. Bei den Turbo S E-Hybrid Modellen sind diese standardmäßig in dem Acid Green lackiert, was ich persönlich optisch noch ansprechender finde.

Erstes Fazit Porsche Cayenne Turbo S E-Hybrid

Ich tue mich ehrlich gesagt ein wenig schwer, den Porsche Cayenne Turbo S E-Hybrid Coupe in eine Schublade zu stecken. Wenn ich ihn charakterisieren müsste, würde ich Ihn irgendwo zwischen Flexitarier-Wolf im Schafspelz und eierlegenden Wollmilchsau einordnen.

Ich weiß jetzt schon, dass es Menschen geben wird, die sich fragen werden, ob man heute überhaupt noch so leistungsstarke große Autos braucht. Die Frage ist aber müssig, die viel spannendere Frage ist, ob es in Zukunft solche Autos überhaupt noch ohne Hybrid-Antrieb geben sollte?

Der Porsche Cayenne Turbo S E-Hybrid Coupe deckt eine so große Bandbreite an Fahreigenschaften ab, dass ich ganz stark an eine die oben erwähnte Wollmilchsau denken muss.

Tatsächlich fällt mir jetzt gerade kein Grund ein, warum man den Porsche Cayenne Turbo kaufen würde und dabei auf den Hybrid-Antrieb verzichten wollte.

Wenn ich vor der Fahrveranstalltung noch gedacht habe, dass der Hybridantrieb eher dazu dient, dass grüne Gewissen zu beruhigen, bin ich, nachdem ich den Wagen gefahren bin, eher der Meinung, dass er eindrucksvoll zeigt, wozu Hybrid-Modelle in der Lage sind und dass man auf die Umwelt zu achten nicht immer mit Verzicht verbunden sein muss. Denn egal, wie stark ein Auto auch motorisiert sein wird: Die Umweltbilanz mit Hybrid wird immer besser sein als ein Wagen ohne Hybrid.

Über den Autor

Mark Kreuzer