Die Aussage, dass langfristiger Erfolg und Profitabilität der Ridesharing-Branche an autonome Fahrzeuge geknüpft sind, ist nicht aus der Luft gegriffen. Uber könnte deutlich mehr Gewinne erwirtschaften, müssten das Unternehmen keine Fahrer bezahlen. Aber wie zu erwarten werden die fahrerlosen Taxis noch eine ganze Weile auf sich warten lassen – wohl länger als es sich Uber erhofft hat.
Uber möchte mit dem branchenweit ersten „Safety Case“ den Weg für einen reibungslosen Übergang zu selbstfahrenden Autos ebnen. Der Ridesharing-Anbieter möchte damit den Rahmen für die Entwicklung von sicheren autonomen Fahrzeugen schaffen und hofft, dass der Rest der Branche nachziehen wird.
Mit diesem Schritt reagiert Uber auf den Tod eines Fußgängers in Tempe, Arizona, der 2018 durch ein autonomes Uber-Fahrzeug ums Leben gekommen war. Es war einer der ersten Todesfälle, der durch ein selbstfahrendes Auto verursacht wurde – und das obwohl ein Fahrer am Steuer saß. Das Projekt wurde daraufhin für neun Monate eingestellt.
Uber versucht nun, das Vertrauen der Öffentlichkeit zurückzugewinnen und stellt zu diesem Zweck seine Pläne für die Entwicklung von sicheren Selbstfahrsystemen vor.
Anstatt die Hardware, Software, Testmethoden, Simulationen oder das menschliche Training als separate Komponenten des Systems zu betrachten – so handhaben es bereits Institutionen wie die International Organization for Standardization (ISO) – werden all diese Punkte in einem einzigen, umfangreichen Sicherheitsrahmen zusammengefasst. Die Sicherheitsrichtlinien von Uber sehen letztendlich aus wie eine Mischung aus Checkliste und Entscheidungsdiagramm. Wobei die einzelnen Elemente gemeinsam dafür sorgen sollen, dass die Fahrzeuge sicher genug für den öffentlichen Straßenverkehr sind.
Die Automobilindustrie verfügt über die Möglichkeit zur Selbstzertifizierung, für die keine behördlichen Genehmigungen erforderlich sind.
Uber möchte an diesem Konzept nichts ändern, und theoretisch könnte dieser branchenweite Ansatz im Falle von technologischer Unsicherheit ein optimales Maß an Sicherheit gewährleisten.
Der Safety Case ist der richtige Schritt zur falschen Zeit
Ohne praktische Erfahrung ist es für Regulierungsbehörden schwierig, die optimalen Rahmenbedingungen für die aufstrebende Autonomieindustrie zu schaffen.
Die Technologie steckt noch immer in den Kinderschuhen. Manche Leute denken vielleicht, dass die ersten selbstfahrenden Autos schon bald über die Straßen fahren werden, die Realität sieht aber anders aus. Und der Safety Case von Uber spielt im Moment so gut wie keine Rolle.
Die Automobilindustrie weiß nicht genau, wann die Fahrzeuge tatsächlich bereit für den Straßenverkehr sein werden. Jeder Hersteller hat seine eigenen Ziele und auch ich habe da meine Annahmen, aber im Moment ist der Safety Case nur eine PR-Aktion seitens Uber. Hinzu kommt, dass Uber in diesem Zusammenhang nicht genügend Daten präsentiert hat.
Uber liegt mit seinem Safety Case natürlich nicht ganz falsch. Die Automobilindustrie wird eines Tages ein solches Regelwerk entwickeln. Das Timing macht jedoch deutlich, dass es sich hierbei nur um Marketing handelt, mit dem man das Vertrauen der Öffentlichkeit zurückzugewinnen möchte. Egal was mit den Uber-Richtlinien in Zukunft passiert, die Transparenz, mit der Uber an die Sache herangeht, ist durchaus bewundernswert – selbst wenn das Ganze nur einem Selbstzweck dient.
Denken wir zurück an die Anfänge der Luftfahrt. Jetzt stellt euch vor, wir könnten in Wilbur Wrights Fahrradladen bei Kitty Hawk einen Aktenordner voller großartiger Ideen über die moderne Luftfahrtindustrie auf den Tisch legen – zusammen mit einer gut gemeinten Notiz: „Wurden die Anwendungsfälle zuvor von den Interessensvertretern bestätigt?“