Ein Klick genügt und du siehst, wie du mit 60 Jahren aussiehst. Dieses einfache Modell der viralen Anwendung „Faceapp“ zeigt wieder einmal, wie leichtsinnig und dumm Nutzer agieren, wenn es eine spaßige Funktion kostenlos gibt. Datenschutz? Egal! Ein Kommentar.
Es ist mal wieder soweit: Ein viraler Trend erobert die sozialen Netzwerke im Sturm. Ob nun Facebook, Instagram oder Twitter: Überall begegnen uns derzeit Bilder von Menschen, die durch die App mit dem Namen „Faceapp“ in wenigen Sekunden um etliche Jahre gealtert sind.
Auch und vor allem, weil Stars und Sternchen wie die Jonas Brothers oder einige Tennis-Legenden wie Rafael Nadal auf ihren Kanälen die gealterten Bilder geteilt haben, erklimmt die Faceapp derzeit die App Stores in atemberaubender Geschwindigkeit.
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Sowohl in Apples App Store als auch im Google Play Store rangiert die Anwendung in den meisten Ländern der Welt auf dem ersten Platz. Auf über 100 Millionen Downloads kommt die Foto-App in den letzten Tagen.
Die Faceapp verdeutlicht die Leichtsinnigkeit der Internet-Nutzer
Doch so spaßig die Anwendung auch wirken mag, so macht die Faceapp auch wieder einmal deutlich, wie leichtsinnig wir mit unseren Daten umgehen. Das gilt natürlich vor allem dann, wenn wir – wie auch in diesem Fall – eine lustige Funktion kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen.
Natürlich wollen wir alle wissen, wie wir im Alter aussehen. Und wenn dafür der Download einer App genügt, ist doch alles wunderbar. Pustekuchen! Denn der Preis, den wir für die Bilder und lustigen Momente mit Freunden zahlen, ist enorm hoch – und den meisten Nutzern ist das nicht einmal bewusst.
Einerseits schreien viele Menschen nach mehr Datenschutz und Privatsphäre. Andererseits stellen sie russischen Unternehmen persönliche Bilder und private Informationen quasi kostenlos zur Verfügung. Das ist Irrsinn.
Wer steckt eigentlich hinter der Faceapp?
Diese Frage stellt sich wohl kaum jemand. Vor allem dann nicht, wenn er in Erwartung einer plötzlichen Wunderalterung ist. Im Fall der Faceapp ist die Frage nach der Herkunft allerdings sehr spannend.
Die Entwickler der viralen Anwendung sitzen im russischen Sankt Petersburg. Dort steht die Zentrale von Wireless Lab, dem Unternehmen hinter der gefragten App. Doch außer einer Anschrift und einer E-Mail-Adresse gibt es de facto keine Informationen. Nicht einmal eine Website existiert.
Was die Faceapp mit unseren Bildern und Daten anstellen darf
Trotzdem vertrauen Millionen von Menschen dieser Firma ihre persönlichsten Daten und privaten Fotos an. Was damit geschieht? Auch das dürften sich nur die wenigsten Nutzer ernsthaft fragen. Dabei wäre es doch so einfach. Ein Blick in die AGB genügt.
Dort steht:
You grant FaceApp a perpetual, irrevocable, nonexclusive, royalty-free, worldwide, fully-paid, transferable sub-licensable license to use, reproduce, modify, adapt, publish, translate, create derivative works from, distribute, publicly perform and display your User Content and any name, username or likeness provided in connection with your User Content in all media formats and channels now known or later developed, without compensation to you. When you post or otherwise share User Content on or through our Services, you understand that your User Content and any associated information (such as your [username], location or profile photo) will be visible to the public.
Oder in Kurzform: Jeder Nutzer der Faceapp verkauft sich und seine Daten komplett an eine unbekannte russische Firma.
Es ist beispielsweise legitim, wenn die Entwickler deine Bilder dafür nutzen, um eine Künstliche Intelligenz zu trainieren. Ebenso könnten sie jedoch deine Motive dafür nutzen, um großflächig mit deinem Gesicht in Moskau zu werben. Da hast du nicht daran gedacht, oder?
Und damit geben sich die Entwickler noch nicht zufrieden. Sie haben außerdem – unter anderem – Zugriff auf:
- Deine IP-Adresse
- Deine Gerätekennung
- All deine Bilder
- Dein Mikrofon und deine Kamera
- Dein Suchverhalten
Achja: Und die Faceapp kann ihren Datenstrom auch im Hintergrund ziehen. Das heißt: Die Anwendung generiert selbst dann Informationen, wenn du sie nicht einmal geöffnet hast.
Schaltet euer Gehirn endlich an oder redet nicht mehr von Privatsphäre!
Jeder Nutzer, der sich die Faceapp aufs Smartphone geladen und den Nutzungsbestimmungen zugestimmt hat, hätte seine Informationen also eigentlich auch gleich kostenlos verschenken können.
Denn selbst wenn du die App löschst, dürfen die Entwickler deine Daten weiterhin verwenden. Und sollte Wireless Lab verkauft werden, stehen deine Daten auch dem neuen Eigentümer zur Verfügung.
Wer sich also weiterhin glaubhaft für seine Privatsphäre einsetzen will, darf die Faceapp keinesfalls nutzen. Und wer seine intimsten Informationen für ein kleines Gadget freiwillig weggibt, darf dies natürlich auch weiterhin tun.
Doch bitte hört dann damit auf, euch zwei Tage später wieder über den nächsten Datenskandal bei Facebook aufzuregen. Das ist nichts anderes als Heuchelei.
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