Seit Kurzem bin ich plötzlich Teil einer Bewegung. Sie trägt den Namen „New Work“ und jeder scheint zu wissen, was damit gemeint ist. Aber was steckt hinter dem Hype? Und wofür steht der Trend im Kern? Ist es mehr als Home Office und kostenloses Obst?
Ich sitze gerade in einem Coworking Space auf einem dieser schicken, massiven Ledersofas. Um mich herum befinden sich weitere Designer-Möbel im Vintage-Look sowie einige verschiebbare Schreibtische. Manche sind besetzt, den ein oder anderen Coworker kenne ich.
Vor mir steht ein Latte Macchiato (mit normaler Milch!), während ich – den Laptop auf dem Schoß geparkt – den Klängen meines Lieblings-Channels auf YouTube lausche.
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Seit 7 Uhr bin ich hier. Spätestens um 16 Uhr geht’s nach Hause: Mit dem Kleinen auf den Spielplatz, Abendessen, Zähneputzen und ab ins Bett. Nicht für mich. Die eine oder andere Mail will noch beantwortet werden.
Ich habe mich vor ein paar Monaten bewusst dazu entschieden, mich selbstständig zu machen. Zum einen, weil ich nach fast zehn Jahren als Angestellter in mehr oder weniger klassischen Unternehmensstrukturen die Dinge nun endlich so tun möchte, wie ich sie für richtig halte.
Zum anderen, um mir die Zeit für meine kleine Familie auf der einen Seite und meine beruflichen Projekte auf der anderen flexibel auf- und einteilen zu können. Ein Angestelltenverhältnis im klassischen Sinne passt momentan nicht zu meiner Lebenssituation.
⚽ + ?? = New Work?
Möglich ist das alles nur, weil ich mein Einkommen mit Tätigkeiten verdiene, für die ich nichts weiter als einen Laptop benötige. Ein Privileg, das ich zu schätzen weiß. Zudem bin ich ein Beispiel dafür, wie sich im Zuge der Digitalisierung die Art und Weise, wie wir arbeiten, tiefgreifend und in einem Höllentempo verändert.
Der Philosoph Frithjof Bergman hat diese Entwicklung bereits in den Siebzigern zum Thema gemacht und den Begriff „New Work“ begründet. Heute ist New Work ein echtes Buzzword, das reflexartig fällt, wenn in einem Büro ein Kicker im Flur oder eine Schale mit zwei Bananen auf dem Tisch steht.
Dass über die Thematik sehr kontrovers diskutiert wird, liegt auch daran, dass man den Begriff nur schwer auf eine eindeutige Definition herunterbrechen kann. Auch, weil technologische Entwicklungen ohne Pause voranschreiten – und sich damit die Anforderungen an das Arbeiten ständig ändern.
Vor allem jedoch, weil New Work unzählige Dimensionen hat. Diese reichen von der freien Zeiteinteilung als Freelancer, über das Home Office für alle Mitarbeiter bis zur schrittweisen Rückkehr nach der Elternzeit. Und das sind nur die Klassiker unter den Beispielen für New Work in der Umsetzung.
Die größere Idee dahinter
Tatsächlich ist die Idee hinter New Work deutlich größer. Sie geht weit über Ort, Zeit, Kickertisch und Obstschale hinaus. Spuren von New Work finden sich beispielsweise schon beim Recruiting. Dabei findet ein Großteil der Prozesse nur noch digital statt.
Neue Formen der Arbeit spiegeln sich auch in den Büro- und Arbeitsflächen wider, die zunehmend offen gestaltet sind. Und sie erreichen schließlich die Projekt-Ebene. Dort sollen agile Tools die Effizienz steigern und Teams immer interdisziplinärer zusammenarbeiten.
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Selbst einstige Tabuthemen am Arbeitsplatz, wie Achtsamkeit oder die viel besungene Work-Life-Balance, sind zunehmend Gegenstand des New-Work-Diskurses. Zwar haben bei Weitem noch nicht alle Arbeitgeber die Notwendigkeit entsprechender Angebote erkannt.
Doch man hört immer öfter von firmeneigenen Sport-Initiativen oder der Fitnessstudio-Mitgliedschaft als Mitarbeiter-Benefit. Es gibt sogar Unternehmen, die einen Standort am anderen Ende der Welt eröffnen, um ihren Team-Mitgliedern im Winter ein paar Arbeitstage in der Sonne bescheren zu können.
Unzählige Facetten, ein Fundament
So unterschiedlich die Ausprägungen von New Work auch sein mögen, so einheitlich ist das Fundament, auf dem sie fußen. Denn: Ohne Prinzipien wie Eigenverantwortung, gegenseitiges Vertrauen oder Selbstorganisation wäre in der Praxis keines der angesprochenen Szenarien umsetzbar.
Wer beispielsweise das Home Office als Bonus-Urlaubstag versteht, schießt sich auf lange Sicht nicht nur in sein berufliches Standbein, sondern tritt auch die Kernidee der Bewegung mit Füßen.
Damit gießt man Wasser auf die Mühlen derer, die New Work für neumodisches Zeug oder eine Spinnerei aus dem Internet halten. New Work ist genau das nicht. Es ist auch kein Trend, der irgendwann wieder vorbeizieht.
New-Work-Konzepte sind längst überfällig
Dass unser Alltag – privat wie beruflich – in Zukunft immer digitaler wird, ist Fakt. Und die zunehmende Akzeptanz von New-Work-Konzepten ist damit eine längst überfällige Entwicklung.
Für mich persönlich – und stellvertretend für viele in meinem beruflichen Umfeld – ist New Work zudem die einzige echte Möglichkeit, sich beruflich wie privat zu verwirklichen. Ohne Abstriche. Wie mir das gelingt – oder auch nicht – darüber möchte ich in meiner Kolumne berichten.
Wer sich für die unterschiedlichen Facetten von New Work und die individuellen Motive hinter der Umsetzung des Konzepts interessiert, dem sei zum Schluss der Podcast „On the Way to New Work“ von Michael Trautmann und Christoph Magnussen ans Herz gelegt.
Jede Woche haben die beiden Digital-Unternehmer eine weitere, spannende Persönlichkeit zu Gast, die ihre Erfahrungen in und mit unserer neuen Arbeitswelt teilt. Unter anderem mit dabei: Frithjof Bergman, der „Godfather of New Work“, in einer Episode, die in Erinnerung bleibt.
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