Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: Wer künftig ein US-Visum beantragt, muss auch Informationen über seine Social-Media-Auftritte preisgeben. Für die „nationale Sicherheit“, versteht sich. Geht’s eigentlich noch? Ein Kommentar.
„Das US-Außenministerium hat seine Antragsformulare für Migranten- und Nicht-Migranten-Visa angepasst, um von den meisten Antragstellern zusätzliche Informationen zu erfragen, darunter auch Social-Media-Identifikation“, heißt es in einer Stellungnahme.
Das ist ja wunderbar. Die US-amerikanische Regierung gibt öffentlich zu, noch mehr Informationen über uns abgreifen zu wollen. Aber hey, natürlich soll die Maßnahme nur zum Schutz der Nation dienen.
US-Visum nur mit Social-Media-Angaben
Bisher mussten nur Antragsteller ihre Social-Media-Profile und E-Mail-Konten angeben, die zuvor in Ländern unterwegs waren, die von Terror-Organisationen kontrolliert werden. Dazu zählen etwa Syrien und der Irak.
Jetzt werden fast alle nach ihren Social-Media-Profilen, Telefonnummern und E-Mail-Adressen der letzten fünf Jahre gefragt. Die Angaben gelten für vorübergehende touristische, aber auch Geschäfts- und Bildungs-Aufenthalte in den Vereinigten Staaten.
Ausnahmen macht die Regierung nur für Diplomaten.
Eine Sache der Perspektive
Man kann sich jetzt darüber aufregen und fragen, wie die zusätzlichen Informationen dabei helfen sollen, die Identität eines Antragstellers abzusichern. Besteht nicht auch die Möglichkeit, dass die Regierung auf falsche Profile hereinfällt?
Und was ist, wenn ein Visums-Bewerber regierungskritische Meinungen auf seinem Profil vertritt? Muss er dann mit einer Ablehnung rechnen? Geht dann nicht auch die Meinungsfreiheit verloren?
Man kann sich aber auch über die Maßnahme lustig machen – gerade in Europa. Die meisten EU-Bürger sind von der Regelung ausgenommen, weil sie im Rahmen eines Visa-Waiver-Programms (ESTA) ohne Visum in die USA einreisen können. Aber das heißt nicht, dass die verschärfte Kontrolle nicht da ist.
Nächster Schritt der Digitalisierung?
Ob man Fan dieser Kontrolle ist oder nicht: Es scheint, als würde das neue Antragsformular auch der nächste logische Schritt in der Digitalisierung sein.
Soziale Netzwerke sind schließlich zu einem festen Teil unseres Alltags geworden – zumindest für die meisten Menschen. Wir nutzen sie als Nachrichtenportale, Marketing-Plattformen und natürlich, um mit unseren Freunden in Kontakt zu bleiben.
Aber was ist mit den Menschen, die Social Media ausschließlich im engen privaten Kreis nutzen? Die finden es sicher noch weniger lustig, ihre Daten preisgeben zu müssen. Ein direkter Link zum Profil erleichtert schließlich auch das Screening.
Ohne Social-Media-Daten kein US-Visum: Geht’s eigentlich noch?
Wir nutzen die sozialen Netzwerke nicht einheitlich. Deshalb hat es für jeden auch eine andere Bedeutung, seine personenbezogenen Daten zu präsentieren. Für einen Influencer etwa, der seine Profile sowieso öffentlich pflegt, ist es etwas anderes als für eine Privatperson.
Und Medien wie die Washington Post berichten sogar, es hätte Überlegungen gegeben, auch die Passwörter für Social-Media- und E-Mail-Konten zu verlangen. Geht’s eigentlich noch?
Das eigene Kennwort angeben zu müssen, hätte der Forderung noch die Krone aufgesetzt. Es ist aber auch so unverschämt genug, dass wir mit Informationen über unsere Aktivitäten im Internet rausrücken müssen. Soll Privatsphäre denn irgendwann gar kein Thema mehr sein?
Wut und Unverständnis
Die jüngsten Datenschutz-Pannen von Facebook und Instagram haben zwar gezeigt, dass unsere Daten im Internet sowieso nicht gerade sicher sind. Aber persönliche Informationen für ein US-Visum angeben zu müssen, ist nochmal eine andere Geschichte.
Wir wissen nicht, ob die US-Regierung etwas mit unseren Daten anstellt – und wenn ja, was. Wenn man darüber nachdenkt, bleiben jedenfalls Gefühle von Unwohlsein, Wut und vielleicht sogar von Unverständnis zurück.
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