Eine neue Berufsgruppe hat Instagram als lukratives Geschäftsmodell erkannt: Lehrer. In den USA verdienen Lehrer als Influencer teilweise sogar mehr als in ihrem eigentlichen Job. Doch auch in Deutschland finden sich immer mehr „Insta-Lehrer“. Wir erklären, was hinter dem Trend steckt.
Amy Groesbeck ist eine junge Grundschullehrerin aus Texas. Sie unterrichtet die dritte Klasse und ist genauso, wie man sich eine Grundschullehrerin so vorstellt: Sie liebt ihre Klasse, arbeitet engagiert, ist stets motiviert und bemüht sich immer, kreatives neues Material für den Unterricht zu erstellen.
Doch Amy Groesbeck hat darüber hinaus noch einen Nebenberuf: Influencerin.
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Sechs Stunden täglich für Instagram-Posts
Tatsächlich ist ihr Nebenjob für sie fast so etwas wie eine zweite Vollzeitstelle. Nach Feierabend verbringt sie täglich im Schnitt sechs Stunden damit, Instagram-Posts zu entwerfen und mit ihren 97.000 Followern zu teilen.
Das sind vor allem Materialien, die sie für ihren eigenen Unterricht entwickelt hat und auf der Lehrertauschbörse „Teachers Pay Teachers“ (TPT) zum Verkauf anbietet. Als Amy Groesbeck damit anfing, ihre Materialien auf Instagram zu posten, wollte sie damit lediglich mehr Traffic auf ihr TPT-Profil lenken.
Doch unbewusst entdeckte sie damit ein völlig neues Geschäftsmodell: Lehrer-Influencer auf Instagram.
Wie Groesbeck dem Magazin Buzzfeed News verriet, verdient sie als Lehrerin im Jahr 50.000 US-Dollar. Auf Instagram kann sie dagegen bis zu 200.000 US-Dollar pro Jahr verdienen.
Unternehmen entdecken Lehrer als Influencer
Das Geld kommt aber nicht nur über den Verkauf von Unterrichtsmaterialien. Ihre hohe Follower-Zahl blieb auch Schulbuchverlagen und Herstellern von Schulmaterialien nicht lange verborgen.
Gegen Bezahlung testet Groesbeck nun verschiedene Produkte und promotet diese anschließend im klassischen Influencer-Stil auf Instagram.
Amy Groesbeck gehört damit zu einer wachsenden Gemeinde von Lehrer-Influencern auf Instagram. Dazu muss man wissen, dass Lehrer in den USA notorisch schlecht bezahlt werden und relativ spärlich Unterrichtsmaterial gestellt bekommen.
Vor allem Lehrer, die mit jüngeren Kindern arbeiten, erstellen ihre Materialien daher selbst – und zahlen dafür aus eigener Tasche.
Plattformen wie TPT oder Instagram helfen ihnen dabei, zumindest die Materialkosten zu decken. In einigen Fällen, wie bei Groesbeck, wird dabei die Nebentätigkeit lukrativer als der Hauptjob.
Auch in Deutschland ist der Trend mittlerweile angekommen, wenn auch im wesentlich kleineren Maßstab.
Von #instalehrer bis #grundschule: deutsche Lehrer auf Instagram
Die größten deutschen Insta-Lehrer-Accounts verzeichnen knapp 15.000 Follower. Bei den meisten davon handelt es sich ebenfalls um Grundschullehrerinnen.
Das liegt zum einen daran, dass gerade in diesem Bereich noch viel mit visuellen Materialien gearbeitet wird, die sich besonders gut zum Teilen auf Instagram eignen. Zum anderen sind die meisten Lehrer in Deutschland weiblich.
An Grundschulen sind sogar fast 90 Prozent der Lehrer weiblich. Eine davon ist „Miss Colorful“. Miss Colorful unterrichtet in einer Grundschule in Baden-Württemberg und möchte ihren richtigen Namen lieber nicht nennen.
Sie ist seit ungefähr einem Jahr als Lehrerin auf Instagram aktiv. „Ich habe erst ganz klein angefangen und wollte einfach meine Materialien teilen und mich mit anderen austauschen“, sagt Miss Colorful im Gespräch mit BASIC thinking.
Ein Geschäftsmodell habe ihr dabei nie vorgeschwebt, sagt sie. Mittlerweile verzeichnet ihr Account Colorful Classroom immerhin 6.500 Follower.
https://www.instagram.com/p/BsWMoZwHDpK/
Unter Hashtags wie #instalehrer, #instalehrerzimmer oder #grundschule tummeln sich im deutschen Sprachraum viele ähnliche Accounts von Instagram-Lehrern. Wie in den USA drehen sich auch hierzulande die meisten Posts um Unterrichtsmaterialien.
Denn selbst wenn das Lehrergehalt in Deutschland besser ist, investieren vor allem Grundschullehrer viel Geld in die Gestaltung ihrer Unterrichtsmaterialien. Einige von ihnen verkaufen diese dann, ähnlich wie ihre US-Kollegen, auf „Lehrermarktplatz„, dem deutschen Pendant zu Teachers Pay Teachers.
Plattformen wie Pinterest und vor allem Instagram sind daher für viele eine gute Möglichkeit, um ihre Profile auf Lehrermarktplatz bekannter zu machen.
Das große Geld verdient hierzulande noch kein Lehrer
Das ist einer der Gründe, warum auch Josefine ihre Materialien auf Instagram einstellt, wie sie gegenüber BASIC thinking erklärt.
„Da ich erst seit kurzem Material auf Lehrermarktplatz vermarkte, ist Instagram für mich der Schlüssel, um andere Lehrkräfte auf mein Material aufmerksam zu machen. Alles was ich bei Lehrermarktplatz anbiete, poste ich auch auf Instagram und hole mir Feedback über den Bedarf des Materials ein. So weiß ich, ob überhaupt Interesse an bestimmten Materialien besteht.“
Auch Josefine unterrichtet an einer Grundschule und auch sie möchte lieber anonym bleiben. Auf Instagram postet sie unter dem Pseudonym „Frau.F.Aus.W.“ Sie hat damit vor rund vier Monaten angefangen.
Ihr Account mit knapp 2.000 Followern gehört daher zu den kleineren, wenn auch sehr aktiven, in Deutschland. Neben eigenen Materialien postet Josefine auch Werbung zu bestimmten Schulartikeln.
Sowohl Miss Colorful als auch Josefine stehen der Idee durchaus offen gegenüber, gesponserte Inhalte zu posten – allerdings nur, wenn die Materialien sie auch persönlich überzeugen und sie ihre ehrliche Meinung schreiben dürfen.
Dennoch, das große Geld macht damit in Deutschland – bislang – noch kein Lehrer auf Instagram.
Ist Werben auf Instagram Korruption?
Das hat auch rechtliche Gründe. Denn Lehrer in Deutschland müssen grundsätzlich jeden Nebenberuf bei der Schulleitung melden. Wenn sie damit Geld verdienen, muss dies außerdem im Voraus genehmigt werden.
Die Einkünfte dürfen darüber hinaus eine bestimmte Höchstgrenze nicht überschreiten. Je nach Bundesland gibt es hier etwas abweichende Werte, erklärt die Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE) auf Nachfrage von BASIC thinking.
In Nordrhein-Westfalen liegt diese demnach für Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst bei 6.000 Euro im Jahr. „Sind die Einkünfte dennoch höher, so sind die über diese Höchstgrenze hinausgehenden Beträge an den Dienstvorgesetzten abzuführen“, sagt die VBE.
Sind Einkünfte aus Instagram-Posts, die sich um den Lehrerberuf drehen, als Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst zu werten? Kommt darauf an, wen man fragt.
Reich werden über Instagram? Das wird in Deutschland zumindest schwierig. Doch darüber hinaus gibt es noch ein weiteres Problem mit Lehrern auf Instagram.
Denn für Beamte gilt: Nebentätigkeiten dürfen den öffentlichen Dienst nicht beeinträchtigen. Dies kann laut VBE entweder durch die mangelnde Objektivität oder durch den zeitlichen Umfang entstehen.
Solange die Nebentätigkeiten der Lehrer fünf Prozent ihrer Arbeitszeit nicht überschreiten, gilt das als erlaubt. Wenn es sich also, wie bei Josefine oder Miss Colorful, um etwa 30 Minuten pro Tag handelt, ist es kein Problem. Die sechs Stunden von Amy Groesbeck wären dagegen bedenklich.
Und wie sieht es mit der Objektivität aus? Wenn Lehrer mit privaten Accounts auf Instagram als Influencer Geld verdienen, sei dies kein Problem, erklärt Ilka Hoffmann, Leiterin des Vorstandsbereichs Schule der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gegenüber BASIC thinking.
Kompliziert wird es erst, wenn sie in ihrer Funktion als Lehrer auftreten. Denn wenn Unternehmen den Instagram-Lehrern „Geschenke“ in Form von Testprodukten machen, könne dies auch als Vorteilsannahme im Amt gedeutet werden. Das wäre ein Dienstvergehen.
Doch ist die Empfehlung eines Lehrers auf Instagram zu einem Produkt wirklich immer gleich Korruption? Das sei eine Grauzone, sagt Ilka Hoffmann.
„Es ist eine gewisse Auslegungssache, ob der Gebrauch der Dienstbezeichnung (Lehrerin) im Zusammenhang mit materiellen Vorteilen (Geschenke) schon als Korruption gesehen wird.“
Wichtiger als Geldverdienen: Der Austausch auf Instagram
Deswegen gibt es für die meisten Instagram-Lehrer einen viel wichtigeren Grund die Plattform zu nutzen als Geldverdienen: der Austausch untereinander.
Miss Colorful erzählt zum Beispiel, dass sie über Instagram sehr schnell, sehr viele Kontakte zu anderen Lehrern knüpfen konnte und dadurch auch ein reger Austausch entstanden sei. Das geht nicht nur ihr so. Im vergangenen Jahr gab es deshalb das erste Insta-Lehrer-Treffen in Deutschland.
Auch für Josefine ist das Instagram-Netzwerk ein wichtiger Teil ihres Alltags geworden: „Es gehört bereits zu meiner täglichen Unterrichtsvorbereitung, mir dort Inspirationen und Ideen einzuholen. Es gibt so viele Lehrerinnen und Lehrer, die tolle Ideen teilen und Unterrichtsmaterial entwerfen, so ein Netzwerk ist, bei den vielen anderen Dingen die im Lehrerberuf anfallen, eine enorme Entlastung.“
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