Soziale Medien dominieren unser Leben – im Beruf, im Alltag und auch im Privatleben. Dadurch entsteht unterbewusst Druck, der schnell zu Erschöpfung führen kann. Ein ehrlicher Einblick in die digitale Erschöpfung.
Wer meine Artikel hier auf BASIC thinking verfolgt, wird leicht bekömmliche Tipps, Tricks und Informationen rund um das Thema Kommunikation konsumiert haben. Daher kommt euch dieser Zwischenruf vielleicht ungewöhnlich vor.
Ich finde ihn aber gerade weil ich so viel mit Kommunikation zu tun habe, so wichtig. An dieser Stelle also ein paar ehrliche Worte, um es einfach mal rauszulassen. Und um zu sehen, ob es da draußen nicht vielleicht ein oder zwei andere Menschen gibt, denen es ähnlich geht.
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Innere Müdigkeit und digitale Erschöpfung
Ich bin einer dieser klassischen „Was mit Medien”-Leute. Ich liebe, was ich tue und alles, was damit zu tun hat.
Kanäle, Geschichten, Nachrichten.
Tweets, Feeds, Filter.
Posts, Likes, Shares.
Da ich zudem auch noch selbstständig bin, muss ich zusehen, dass ich mir eine eigene Marke aufbaue, fleißig netzwerke und eben in den sozialen Medien präsent bin. Privat und beruflich mischt sich dort – eine klare Trennung ist kaum mehr möglich.
Was ich heute offen zugeben möchte: Ich bin zwischendurch ganz schön sozial-medial erschöpft. Das Eifern nach neuen „Photo Opportunities“, die Selbstdarstellung, diese innerliche (sorry) „Geilheit“ nach neuen Likes, das Hoffen auf neue Follower, das Warten auf viele Shares – es kann auch sehr, sehr müde machen.
Ein Siebtel unserer Wachzeit
Wenn ich mich dabei ertappe, dass ich ein Foto der ersten vermaledeiten Frühlingsblumen, ein wunderschönes „Stillleben“ meines Laptops im Cafe mit Latte und Kuchen oder – noch schlimmer – tatsächlich meines kunstvoll dekorierten Abendessens mache.
Wenn ich mir Gedanken, die ich als Tweets verwenden könnte, notiere (!), um sie später mal zu twittern. Wenn ich denke: „Uh, auf LinkedIn habe ich lange nichts mehr gepostet, da muss ich mich mal wieder sehen lassen.“
Dann, ja dann, bin ich noch erschöpfter.
Dann merke ich, dass wir doch ziemliche Opfer unserer eigenen Technologien geworden sind. Dass wir wie Hamster in einem Rad laufen, das wir zuvor selbst gebaut haben.
Die durchschnittliche tägliche Nutzungsdauer von sozialen Medien lag 2018 laut einer Hootsuite-Studie bei zwei Stunden und 16 Minuten. Dies entspricht einem Siebtel unserer Wachzeit. Viel Zeit.
Wann habe ich eigentlich meine letzte Instagram Story geteilt?!?
Und doch: Auch ich kann mich nicht davon befreien.
Denn schon sehe ich die Fotos von Kolleginnen beim Netzwerk-Treffen, einen Tweet der viral ging, ein schönes #instagood-Zitat hübsch eingebettet in ein sorgsam gestaltetes Foto und ich denke: „Zurückbleiben geht nicht, musste nachziehen.“ Und: „Stell dich nicht so an, stell lieber wieder mal was rein.“ Und weiter gehts.
Kanäle, Geschichten, Nachrichten.
Tweets, Feeds, Filter.
Posts, Likes, Shares.
Mal ausbrechen? Ehrlicherweise weder gewollt, noch gekonnt. Das Profil will gepflegt, das Image geschminkt und die Personal Brand gepudert werden. Ich, das Hamsterchen, drehe also weiter meine Runden.
Kanäle, Geschichten, Nachrichten.
Tweets, Feeds, Filter.
Posts, Likes, Shares.
Was wird das neue Facebook? Sollte ich nicht doch auch auf Pinterest? Kommt Snapchat zurück? Muss ich jetzt auch auf Medium publizieren? Wie lange ist mein letzter Blogpost schon her? Und: Wie wäre es mal wieder mit einer Insta-Story?!?
Kanäle, Geschichten, Nachrichten.
Tweets, Feeds, Filter.
Posts, Likes, Shares.
Digitale Erschöpfung: Ein möglicher Ausweg
Da sehnt man sich ja fast die „gute alte Facebook-Zeit“ zurück. Herrlich: Meine (Hot-)Mails, mein Facebook und ich. So wunderbar simpel. So wenig omnichannel.
Nun. Ich will nicht jammern. Ich weiß ja: Das World Wide Web liefert unendliche Möglichkeiten. Früher gab es nur Sepia. Jetzt gibt es Rise und Clarendon. Lark und Amaro. Slumber und Nashville. Plötzlich sieht alles so schön aus!
Aber da war doch diese ungefilterte, digitale Erschöpfung. Dieser unsoziale Medien-Schluckauf. Also lasst mich einmal öffentlich nachdenken. Wie komme ich da raus?
Ich denke: Vielleicht, ja vielleicht, ist schon mit dem Blick von oben etwas gewonnen. Mit der Erkenntnis, dass ein paar Blicke weniger auf das Smartphone und ein paar Smartphone-freie Wochenenden das Leben schon erleichtern.
Ein paar von diesen Momenten, die man einfach mit dem Auge und nicht mit dem Smartphone speichert. Ein Essen, das man einfach nur genießt und es einfach direkt isst (!!), wenn es einem serviert wird.
Der Gedanke, der Gedanke bleibt, und nicht zum Tweet wird. Und die Leute um einen herum, die einfach nur Leute sind und es relativ schnurzepiep-egal ist, was sie eigentlich gerade machen und ob nun mit Filter oder nicht.
Vielleicht, ja vielleicht, reicht das immerhin schon, um nicht mehr so erschöpft zu sein.
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Auch interessant:
Zu genau diesem Problem ist vor ein paar Tagen ein sehr spannendes und praktisch relevantes Buch erschienen: „Digital Minimalism“ von Cal Newport. Er plädiert dafür, bei all der Kommunikation nicht immer nur nach dem Nutzen zu fragen, sondern stattdessen auch tatsächlich mal die Energie-/Zeit-/Konzentrationskosten gegenzurechnen und sich dann zu fragen, was eigentlich wirklich sinnvoll ist.
Hi Nils, das klingt spannend – vielen Dank für den Hinweis. Das Buch werde ich auf jeden Fall lesen!
Macht es denn Sinn, noch ein weiteres Buch zu lesen? 🙂 Online oder offline – der Kopf ist immer „geil“ auf mehr. Wichtig ist, aus „Kopf-Sicht“, zu wissen, warum der Kopf so tickt. Und zu wissen, dass im Netz verdammt viel Müll steht, ständig irgendwas wiederholt wird und man nicht viel verpasst, wenn man halt mal nicht „alles“ gelesen hat.
Was hilft? – Vor allem das Wissen, dass der Kopf ständig geil auf MEHR MEHR MEHR ist, weil er es mag, wenn wir absolute Experten in einigen WENIGEN Dingen werden. Vereinfacht gesagt. Und was machen wir? Mischen ganz viel buntes unnütziges Zeug und wissen nicht, wie wir priorisieren sollen. 🙂
Und sonst so? Regeln für sich selbst einführen. Schöne Grüße aus Marl, Monika