Warum investiert Amazon in einen weitgehend unbekannten E-Autobauer namens Rivian? Was genau steckt überhaupt hinter Rivian? Und warum könnte das Unternehmen ein großer Konkurrent für Tesla werden? Wir werfen einen Blick auf den mysteriösen Autohersteller.
Rivia – wer? Das mag sich so mancher gefragt haben, als vor ein paar Tagen die Nachricht herausging, dass Amazon in den E-Autobauer investiert hatte. Wie viel Geld Amazon genau in Rivian gesteckt hat, ist nicht bekannt.
Doch Rivian sammelte bei einer Finanzierungsrunde insgesamt 700 Millionen US-Dollar von Investoren ein. Und, so viel wissen wir, die größte Finanzspritze kam von Amazon.
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Für Amazon ist dies innerhalb von wenigen Wochen bereits das zweite Investment in ein Mobilitätsunternehmen. Am 7. Februar gab es eine „bedeutende“ Finanzspritze von Amazon für Aurora, einem Start-up aus Kalifornien, das an Technologien für selbstfahrende Autos forscht.
Da ist also definitiv etwas im Busch bei Amazon. Experten spekulieren, dass Amazon möglicherweise in Zukunft seine eigene (elektrische, fahrerlose) Lieferflotte operieren möchte.
Doch ganz ehrlich, Amazon hätte in jedes beliebige E-Auto-Unternehmen investieren können. Warum also gerade Rivian?
Rivian-CEO genaues Gegenteil von Elon Musk
Wer sich mit der Autobranche im Allgemeinen und Elektroautos im Besonderen beschäftigt, kennt Rivian natürlich. Das Unternehmen gibt es schließlich schon seit 2009. Damals hieß es allerdings noch Mainstream Motors.
Doch darüber hinaus ist Rivian den meisten von uns völlig unbekannt. Und das ist dem Unternehmen wahrscheinlich auch ganz lieb so. Denn der introvertierte Gründer und CEO Robert („RJ“) Scaringe ist so ziemlich das genaue Gegenteil vom schillernden Tesla-CEO Elon Musk.
Scaringe ist jemand, den man getrost als „Nerd“ beschreiben kann. Der 36-jährige Maschinenbauingenieur hat einen Doktortitel vom MIT und Bekannte berichten, dass er auf eine technische Frage gerne auch mal zehn Minuten lange Antworten gibt.
Scaringe vertreibt sich also offensichtlich lieber seine Zeit damit, Elektroautos zu entwerfen anstatt mit ihnen für Schlagzeilen zu sorgen. Öffentlichkeit? Die meidet er lieber.
Zwar hat Scaringe ein Twitter-Profil. Darauf hat er aber seit 2017 gerade mal 91 Tweets gespostet. Und die lesen sich auch sehr zahm.
I am excited about the announcement of Amazon’s investment in Rivian and to have them on this journey with us. This is a major milestone and was possible because of the outstanding efforts of our team. I am proud to be working with such an amazing group of people.
— RJ Scaringe (@RJScaringe) February 15, 2019
Vor allem, wenn man sie mit Elon Musks 6.666 Tweets vergleicht, mit denen sich der Tesla-Chef gerne über schrille Themen wie die sexuellen Vorlieben anderer Menschen auslässt oder Drogenwitze macht.
Während also jeder und seine Oma Elon Musk kennen, ist RJ Scaringe ein unbeschriebenes Blatt. Dabei ist es richtig spannend, wie er aus seiner ursprünglichen Firma, Mainstream Motors, ein sexy Mobilitätsunternehmen gemacht hat.
Warum heißt Rivian eigentlich Rivian?
Der Name Rivian ist von der Indian River Lagoon inspiriert. Rivian setzt sich dabei zusammen aus den ersten drei Buchstaben von „River“ (RIV) und den letzten drei Buchstaben von Indian (IAN).
Die Indian River Lagoon ist ein einzigartiges Naturhabitat an der Atlantikküste von Florida, in dem sich über 4.300 verschiedene Tier- und Pflanzenarten finden. Der Name Rivian soll zeigen, wie „wir als Unternehmen mit der natürlichen Umgebung verschmelzen und was wir innerhalb der Industrie erreichen wollen“, erklärt Scaringe die Bedeutung des Namens.
Doch das ist nur die halbe Geschichte. Denn 2010 hatte das Unternehmen bereits einen Namenswechsel hinter sich, von Mainstream Motors zu Avera Automotive. Auch damit sollte schon der grüne Ansatz des Unternehmens verdeutlicht werden. Denn Avera setzt sich zusammen aus „America“ und „Verde“, übersetzt: „Grünes Amerika“.
Das allerdings gefiel allerdings dem südkoreanischen Autobauer Hyundai nicht. Hyundai verklagte Avera, weil der Name angeblich zu sehr wie „Azera“ klang. Azera heißt nämlich ein beliebtes Limousinen-Modell von Hyundai.
Um einen möglicherweise langwierigen und teuren Prozess zu vermeiden, änderte Avera Automotive also seinen Namen und heißt seitdem „Rivian“.
Scaringe hatte einen Plan – den er dann für E-Autos verwarf
RJ Scaringe hatte eigentlich einen ziemlich konkreten Plan, als er 2009 mit Mainstream Mobility loslegte. Er wollte einen Benziner mit niedrigem Verbrauch bauen. Angedacht waren 3,92 Liter pro 100 Kilometer.
Doch dieses Auto wurde nie gebaut. Stattdessen entdeckte Scaringe eine Technologie, die ihn viel mehr faszinierte: autonomes Fahren. Das gab dem Unternehmen nicht nur einen neuen Namen, sondern auch eine neue Ausrichtung: Elektromobilität.
Mit frischem Investorenkapital und staatlicher Unterstützung kaufte Rivian 2017 eine ehemalige Mitsubishi-Fabrik in Normal, Illinois und versetzte das Hauptquartier des Unternehmens von Florida nach Michigan.
Autos für Abenteurer
Hier entstanden die zwei Modelle, die Branchenkenner als große Konkurrenz für Tesla ausmachen: der Elektro-SUV R1S und der elektrische Pick Up Truck R1T.
Doch während Tesla sich mit seinen Limousinen gerne als Anbieter für schicke Stadtflitzer positioniert, vermarktet Rivian seine Off-Road-Fahrzeuge eher als Autos für Abenteurer. Übrigens hatte auch Rivian ein Modell in Planung, dass sehr an den Tesla-Roadster erinnerte und verwarf die Idee dann wieder. Warum? „Weil wir damit nicht etwas bauten, das die Welt wirklich brauchte“, sagte Scaringe in einem Interview mit Forbes. Autsch, Tesla.
Dazu muss man aber sagen, dass die Fahrzeuge nicht nur von ihrem modernen Design, sondern auch von ihrer Aufmachung her in ein ähnliches Segment wie Tesla fallen.
Die Fahrzeuge sind ebenfalls teilautonom (Level 3), ähnlich leistungsfähig (750 PS) und bieten auch hohe Reichweiten (über 600 Kilometer). Dennoch zeigt Rivian, dass es mit technischen Details wie der Skateboard-Plattform durchaus selbst innovative Ideen entwickeln kann. In dieser Skateboard-Basis steckt nämlich mehr oder weniger die gesamte Technik für beide Autos drin.
Diese könnte, so Scaringe, auch individuell verkauft werden oder auch nur Teile davon, wie etwa der Akku-Pack.
Rivian steigt also mit zwei starken Modellen und einer interessanten Technologie in ein Segment ein, in dem bereits ein Markt und eine Nachfrage besteht und das wahrscheinlich noch vor großen Autobauern wie Ford oder General Motors.
Es ist also nicht unberechtigt, Rivian als großen Konkurrenten von Tesla zu sehen – vor allem mit einem Investor wie Amazon in der Hintertasche.
Klassische Autobauer leiden, Start-ups profitieren
Rivian symbolisiert damit auch den großen Wandel, den die US-Autoindustrie gerade durchmacht. Klassische Autobauer verlieren Kunden sowie Marktanteile und werden von Start-ups und großen Technologieunternehmen enorm unter Druck gesetzt.
Kurz gesagt: Die traditionellen Autobauer leiden – und mit ihnen auch die Region, in der sie bislang angesiedelt waren, der Mittlere Westen und allen voran die Autostadt Detroit.
Denn viele Autohersteller, wie auch Mistubishi, mussten hier Mitarbeiter entlassen, Werke schließen und haben offensichtlich auch große Schwierigkeiten damit, sich an einen veränderten Markt anzupassen.
Gleichzeitig haben die Autobauer mit großen Tech-Unternehmen wie Uber, Lyft oder Google plötzlich extrem aggressive und agile Wettbewerber aus einer Ecke, aus der sie nie mit Konkurrenz gerechnet hätten. Und dann ist da natürlich auch noch Tesla. Ein E-Autobauer, der Schwierigkeiten mit der Produktion und Lieferung seiner Autos hat – und trotzdem Millionen von Menschen weltweit für sich und die Elektromobilität begeistert.
Rivian bringt Hoffnung
Insofern ist der Umzug von Rivian aus Florida in den Mittleren Westen der USA auch eine symbolische Entscheidung, selbst wenn es dem Unternehmen strategische Vorteile bietet.
Denn zum einen sitzen viele Zulieferer in der Region. Das spart Kosten. Zum anderen konnte Rivian die verlassene Produktionsstätte mit wenigen Umbauten mehr oder weniger übernehmen – und das wahrscheinlich zu einem Spottpreis.
Die wirtschaftlich angeschlagenen Städte in der Region umwerben natürlich interessierte Unternehmen mit großzügigen Angeboten, damit sich diese dort ansiedeln. Interessanterweise ist der Niedergang der traditionellen Autoindustrie für Städte wie Detroit damit gleichzeitig eine Chance, sich selbst neu zu erfinden.
Denn sie haben erkannt: Die Industrie, die sie so lange zu starken Wirtschaftsregionen gemacht hat – der traditionelle Autobau – ist tot. Zumindest in der Form, wie er bislang existiert hat. Wenn diese Städte also überleben wollen, müssen sie auf neue Technologien und auf alternativen Transport setzen, um so Start-ups und mit ihnen junge Einwohner in ihre verlassenen Innenstädte zu locken.
Nicht umsonst war Detroit die erste Großstadt der Welt, in der zum ersten Mal fahrerlose Autos auf der Straße unterwegs waren.
Rivian ist ein gutes Beispiel für diesen Wandel und für die Hoffnung, die die Region in die New-Mobility-Branche setzt. Das Unternehmen hatte 2016 rund 100 Mitarbeiter. 2018 waren es bereits 250 und aktuell verzeichnet Rivian 750 Mitarbeiter (wenn auch nicht alle davon im Mittleren Westen sind).
Wir werden noch mehr von Rivian hören
Das Unternehmen ist damit sehr erfolgreich, wenn es auch in der öffentlichen Wahrnehmung nicht so laut und auffällig agiert wie Tesla.
Ob damit Rivian wirklich zu „Teslas größtem Albtraum“ werden könnte, ist schwer zu sagen. Doch das Amazon-Investment ist sicher weder das erste noch das letzte Mal, dass wir etwas von Rivian gehört haben.