Stellt euch vor, ihr lebt in einem Land mit sehr schlechter Internetanbindung, und wenn ihr einmal Netz habt, dann könnt ihr nicht mit den besten Freunden und Verwandten chatten. Die zentral in Afrika gelegene Republik Tschad befindet sich mit ihren 15,4 Millionen Einwohnern aktuell an diesem Punkt. Seit dem 28. März 2018 wird hier mit System der Zugriff auf soziale Netzwerke blockiert, um Kritik an der Führung des Landes zu vermeiden.
Aber was ist der Grund für die Blockade? Im letzten Jahr haben hochrangige Politiker und regierungsnahe Gruppen beschlossen, die Verfassung des Landes zu verändern. Ziel ist es, dass der amtierende Präsident Idriss Déby, der seit 1990 an der Spitze der Republik steht, bis mindestens 2033 an der Macht bleibt. Dabei ist der 66-Jährige nicht gerade beliebt in der Bevölkerung. Durch finanzielle Einschnitte im öffentlichen Bereich liegt der Tschad als einer der ärmsten Länder auf Platz 186 von 189 beim „Human Development Index“ der Vereinten Nationen. Das Durchschnittsgehalt pro Kopf liegt gerade einmal bei circa 1.700 €, was 1.500 € unter dem Durchschnitt in Zentralafrika liegt.
Nun möchten mehrere Gruppierungen unter der Führung der Internet Sans Frontières (ISF) Idriss Déby unter Druck setzen. Die Forderung ist klar: Soziale Netzwerke, darunter Facebook, Twitter, Viber und WhatsApp, sollen in der Republik Tschad wieder freigeschalten werden, damit die über 400.000 Internetnutzer ihre freie Meinung öffentlich verbreiten können. Unterstützer der Gruppierung wurden bereits zu Protesten in Frankreich (Paris) und im Tschad (N’Djamena) aufgerufen und sollen unter dem Hashtag #Maalla_Gatétou (arabisch für „Warum habt ihr [die Kommunikation] abgeschnitten?“) Meldungen verbreiten.
Journalisten und Aktivisten vor Ort sollen finanziell unterstützt werden, um ihrer Arbeit nachzugehen. Dafür ist zum einen ein Netzzugang nötig, der im Tschad sehr teuer ist (1 GB mobile Daten kosten mehr als 11 €) und zum anderen auch ein Virtual Private Network (VPN) notwendig, um an den Sperren der Telekommunikationsanbieter vorbeizukommen. Diese können die Kritik an der Sperre verstehen, verweisen aber auf die Vorgabe der Regierung.
Damit reiht sich die Republik Tschad als weiterer Kandidat in die Blockade-Historie von Afrika ein. Bereits zwischen Januar 2017 und März 2018 blockierte Kamerun den Zugang zum Internet, um Unruhen zu verhindern. Auch der Sudan, Zimbabwe und die Demokratische Republik Kongo blockierten den Zugriff auf das Netz vorübergehend im Januar 2019. In den meisten Fällen werden dabei nur gezielt Kommunikationsdienste abgeschaltet, um die eigene Wirtschaft, die auf das Internet angewiesen ist, nicht zu schädigen.
Es bleibt also abzuwarten, inwiefern die aktuelle Protestwelle den Nutzern im Tschad hilft und inwieweit weitere Sperrungen (beispielsweise aufgrund der aktuellen Wahlen in Afrika) erfolgen.
Via Quartz Africa