Sabrina ist wieder da. Wenn ich „wieder“ sage, dann meine ich damit, dass die neue Netflix-Serie, die vor wenigen Tagen gestartet ist, der Hexe Sabrina, die ihr vielleicht noch aus der Neunziger-Jahre-Sitcom „Sabrina – Total Verhext!“ mit der zauberhaften Melissa Joan Hart kennt, wieder neues Leben einhaucht.
Wer diese Serie damals gesehen hat, eine der beiden Animated-Serien kennt oder gar die originale Comic-Vorlage aus den Sechzigern, wird zumindest die grobe Story und die Namen der Charaktere wiedererkennen. Das sollte euch aber nicht zu dem Trugschluss verleiten, dass wir es hier mit einem Reboot der 90er-Sitcom zu tun haben.
Bei „Chilling Adventures of Sabrina“ (kurz: CAOS) erinnert ansonsten nämlich sehr wenig an die alte Serie und schon gar nicht ist es im Bereich Sitcom angesiedelt. Die „neue“ Sabrina ist düster, ernster und meiner Meinung nach deutlich erwachsener. Das gilt für die Hauptperson, die von der 18-jährigen Kiernan Shipka verkörpert wird ebenso wie für die Serie an sich.
Worum geht’s?
Spoiler versuche ich in diesem Artikel zu vermeiden, weshalb ihr getrost weiterlesen könnt, auch wenn ihr selbst plant, in die Serie einzusteigen und sie vielleicht jetzt pünktlich zu Halloween zu bingen. Wenn ich euch jetzt also erzähle, dass die Halbhexe Sabrina (Halb menschlich, halb Hexe) sich an ihrem 16. Geburtstag in die Hände des „dunklen Lords“ begeben soll bzw. unter seine Fittiche, dann ist das was, was euch schon der Trailer verrät bzw. was man auch schon aus dem Original kennt.
Kurz zusammengefasst geht es in der Serie genau um diesen Konflikt zwischen Licht und Dunkelheit, zwischen Gut und Böse, zwischen Sabrinas menschlicher und ihrer Hexen-Seite. Ihrem Freund kann und will sie zunächst nichts von ihrem Hexen-Dasein erzählen, also kann sie in dieser Hinsicht auch nicht auf ihn zählen beim Kampf gegen die bösen Elemente.
Böse Elemente? Ja, da gibt es viele. Da ist Satan selbst, diverse Hohepriester Satans, ihre stets um den guten Ruf ihres Hexenzirkels bemühte Tante, andere böse Hexen und so weiter. Auf ihrer Seite stehen dafür u.a. ihr Cousin Ambrose und ihr „Begleiter“ Salem — ein Gnom im Körper einer schwarzen Katze.
In dieser Welt — eine Welt zwischen dem Kleinstadt-Idyll des Ortes Greendale und der Welt der Zauberei, des dunklen Lords und des Bösen — muss sich die Teen-Hexe orientieren und bekommt das nur deswegen so gut hin, weil wir es hier mit einer sehr emanzipierten, charakterstarken jungen Frau zu tun haben.
Teenager-Serien aus den USA heute: Politisch, feministisch, erwachsen
Ich möchte jetzt aus meiner persönlichen Beobachtung nicht unbedingt einen generellen Trend ableiten. Natürlich gibt es immer noch schrecklich hohle US-Serien und auch noch welche, die weder politisch astrein noch in irgendeiner Art engagiert daher kommen. Dennoch fällt es auf, dass heutige Teenager-Serien oftmals auch den Anspruch haben, ruhig mal unbequem zu sein, junge Menschen politisch zu sensibilisieren und die ganzen alten Klischees aufzuweichen.
Gerade dafür ist Sabrina ein perfektes Beispiel. So wird in ihrer alten Schule von ihren Freundinnen und ihr ein Mädchen-Club gegründet, der gegen das weiße Patriarchat antritt. Es geht viel um die wirklich wichtigen Werte: Um Toleranz, um Ehrlichkeit, um Offenheit. Das wird meiner Meinung nach auch an allen Ecken und Enden in der Serie spürbar.
Ähnlich wie bei Tote Mädchen lügen nicht (wenn natürlich auch bei weitem nicht so ausgeprägt) werden auch Themen wie Mobbing und Bullying angesprochen, außerdem ist es ziemlich erfrischend zu sehen, dass ein dunkelhäutiger Mensch oder ein Homosexueller einfach nur als sie selbst agieren und nicht etwa als der Quoten-Schwarze oder der tuntige Klischee-Schwule.
Ich finde, dass Serien das alles heute auch transportieren müssen, gerade wenn das Zielpublikum zumindest u.a. ein junges ist. Das muss natürlich ohne einen übertrieben sichtbaren erhobenen Zeigefinger geschehen und darf nicht zu moralinsauer daherkommen. All das gelingt „Chilling Adventures of Sabrina“ sehr gut, so dass man Verantwortung für sein jüngeres Publikum zeigt, ohne dabei zu nerven.
Fazit zu „Chilling Adventures of Sabrina“: Einschalten oder nicht?
Okay, ich hab ein bisschen geschwindelt — ein wirkliches Fazit kann das hier nämlich (noch) nicht sein, da ich erst die erste Hälfte der ersten Staffel gesehen habe. Manchmal sind es ja gerade die finalen Folgen, in denen eine bis dahin ordentliche Staffel den ganzen Spaß doch noch auf der Zielgeraden vermasselt. Daher also keine abschließende Bewertung und auch noch keine Wertung (die reiche ich aber nach).
Wie bei Riverdale zieht auch hier Comic-Autor und Produzent Roberto Aguirre-Sacasa die Strippen und macht das auch ähnlich souverän. Ehrlich gesagt könnte ich mir auch vorstellen, dass man in späteren Staffeln vielleicht mal ein Crossover in Erwägung zieht, da beide Serien ja auch im gleichen Serien-Universum beheimatet sind.
Gerade nach Spuk in Hill House liegt die Grusel-Messlatte bei Netflix derzeit mächtig hoch. Wer zitternd vor Angst zusammengekauert in der Sofaecke hocken möchte, wird bei „Chilling Adventures of Sabrina“ leider nicht fündig. Ja, es gibt logischerweise gruselige Horror- und auch Splatter-Elemente, aber das passiert alles komplett anders als in Hill House.
Das ist aber auch okay so, weil hier andere Dinge im Vordergrund stehen. CAOS ist eine Teenager-Mystery-Serie, für mein Empfinden in der Tradition von Serien wie Buffy oder Charmed. Egal, ob die üblichen Teenager-Probleme (Sex, Liebe, Gruppenzugehörigkeit, Orientierung im Leben, Familie) oder auch die globalen Themen wie Religion, Gleichberechtigung und Rassismus: Die Serie deckt all das ab in einer Coming-of-Age-Serie, in der das Mystery-Element sowas wie der düstere Zuckerguss ist, der noch oben drauf kommt. Hin und wieder (die elitäre Zauberschule, reinblütige Hexen, die auf „Halbblut“-Hexen herabschauen“ kommt sogar ein bisschen Harry-Potter-Flair auf.
Technisch liegt CAOS für mich deutlich hinter Spuk in Hill House, was Schnitt, Kamera und auch Maske angeht. Manche Gestalten sehen weniger satanisch aus, sondern eher nach Muppets, aber der Story tut das keinen großen Abbruch. Aus den oben genannten Gründen ist „Chilling Adventures of Sabrina“ eine recht ambitionierte und gut umgesetzte Serie, bei der Story und teils den Dialogen holt man mich hingegen nicht so ganz ab.
Für ein paar nette Abende — gerade jetzt zu Halloween — reicht es aber allemal. Und wer die erste Staffel mit seinen zehn jeweils etwa einstündigen Folgen in einer Rutsche durchgeglotzt hat und sich mehr wünscht: Die zweite Staffel ist bereits bestätigt und in Arbeit.