Der Finanzbranche steht eine Disruption bevor. Die Frage ist nur noch, wer diese Veränderungen antreibt. Jens Hansen und Carsten Lexa erläutern, wo die Gefahren für Banken lauern und wer die neuen Gegenspieler sind.
Die Digitalisierung bringt uns Disruptionen in den verschiedensten Branchen. Zeitungsverlage, Videotheken, Einzelhandel, Buchhandel – alle haben bereits einen großen Wandel durchlaufen.
Besonders schlimm hat es den Buchhandel erwischt – insbesondere in den USA. 2011 ging die Buchkette Borders pleite, 2017 folgte mit Book World die einstige Nummer vier. Und die Nummer eins, Barnes & Noble, musste 2018 mehr als 1.800 Mitarbeiter entlassen. Wie lange sich das Unternehmen noch halten kann, wird die Zeit zeigen.
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Keines der großen Unternehmen der Buchbranche war in der Lage Amazon etwas entgegenzusetzen, denn Amazon zerstörte mit Innovationen die etablierten Geschäftsmodelle.
Veränderung des gesamten Finanzsystems
Stellen wir uns nun vor, dass etwas Ähnliches in der Finanzbranche passiert. Start-ups oder die großen digitalen Player wie Google, Amazon und Apple stellen mit innovativen Konzepten die Geschäftsmodelle der Banken auf den Kopf.
Die Finanzbranche wäre auf eine solche Disruption wohl derzeit nicht vorbereitet. Und damit sind nicht die Manager gemeint, denen nicht genug neue Geschäftsmodelle einfallen oder diese erst zu spät erkennen.
Bei der digitalen Disruption von Bankengeschäftsmodellen geht es um mehr als die radikale Veränderung einer Branche. Es geht um eine radikale Veränderung unseres gesamten Finanzsystems. Und damit unterscheidet sich die Disruption bei Banken fundamental von Umbrüchen in allen anderen Branchen.
Worauf basiert diese Einschätzung? Jede große Veränderung von Geschäftsmodellen hat bisher zum Ausscheiden der größten Player einer Branche geführt. Doch was passiert, wenn den größten Banken der Welt die Geschäftsgrundlage verlieren?
Wenn Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können, die Gewinne in den roten Bereich fallen und keine Hoffnung auf eine positive Veränderung zu erkennen ist? Dann werden die entsprechenden Unternehmen Pleite gehen müssen, so wie es ihre Konterparts in anderen Branchen vor ihnen getan haben.
Banken dürfen nicht Pleite gehen
Wie wir jedoch während der letzten Finanzkrise gelernt haben, ist dieses im System nicht vorgesehen. Nach Lehman Brothers hat die Welt gelernt, dass große systemkritische Banken nicht Pleite gehen dürfen. Denn im Fall einer Pleite würden sie das gesamte Finanzsystem zusammenbrechen lassen.
Viel zu stark sind diese Banken untereinander vernetzt und voneinander abhängig. Gegenseitige Kredite oder Derivatepositionen würden einen Dominoeffekt auslösen, der ein Institut nach dem anderen kippen lassen würde.
Wir sind das erste Mal an einem Punkt angelangt, an dem Digitalisierung nicht mehr nur Branchen umgekrempelt, sondern die grundlegende Systemfrage stellt.
Unser Finanzsystem ist in absehbarer Zeit nicht mehr kompatibel mit der fortschreitenden Digitalisierung – ganz egal welche kreativen Ideen sich die Banker einfallen lassen.
Der grundsätzliche Wandel der Finanzbranche ist nahe
Einige mögen sagen, dass wir von solchen Szenarien noch weit entfernt sind. Doch schauen wir einfach mal, wie nahe wir einem grundsätzlichen Wandel schon gekommen sind. Aus unserer Sicht werden die Geschäftsmodelle der Banken gerade aus drei verschiedenen Richtungen angegriffen.
Da sind zum einen die großen Digital-Unternehmen wie Google und Facebook, die ihre äußerst erfolgreichen Online-Plattformen um Bankdienstleistungen erweitern. Der andere Angriff erfolgt durch Start-ups, die traditionelle Geschäftsmodelle radikal durch digitale Technologie verbessern.
Das dritte Risiko für das Geschäftsmodell von Banken kommt aus Richtung der grundsätzlichen Dezentralisierung der Dienstleistungen von Banken über Konzepte wie Blockchain. Hierbei wird die Idee von Banking ohne Banken angestrebt. Die Bankservices werden dabei über ein volldigitales Ökosystem ausgeführt, das sich über viele Computer weltweit verteilt.
Online-Plattformen mit Bankdienstleistungen
Beginnen wir mit den großen Digital-Unternehmen. Diese haben den Bankenmarkt als sehr attraktiv erkannt. Besonderes Interesse besteht vor allem an Leistungen rund um Konto und Zahlungsverkehr.
Sowohl Google als auch Apple bieten hier bereits konkrete Bezahllösungen an. Dass sie an dieser Stelle nicht Halt machen werden, sieht man auch daran, dass Bankenlizenzen ein wichtiges Thema sind.
So erhielt Google für Europa bereits 2011 eine Lizenz und Facebook zog 2016 nach. Amazon hat sich gegen eine Banklizenz entschieden, geht jedoch eine Kooperation mit der Bank J.P. Morgan ein. Zusammen soll es ein Privatkonto für die Kunden von Amazon geben.
Solche Kooperationen von Banken mit digitalen Konzernen sieht man auf den verschiedensten Ebenen. Insbesondere bei Marketing-Aktivitäten wie Social-Media-Kampagnen oder tiefergehenden Datenanalysen wird zusammengearbeitet.
Das Dumme dabei ist nur, dass die Bank immer am kürzeren Hebel sitzt. Ihre eigenen Kernleistungen sind leicht zu kopieren, während die große Reichweite von Unternehmen wie Google, Amazon oder Apple unmöglich durch Banken reproduzierbar sind.
Denn diese basieren auf dem Phänomen der Netzeffekte. Je mehr Nutzer eine Plattform besitzt, desto mehr lohnt es sich für andere, mit dabei zu sein. Insbesondere Facebook und Amazon sind durch diesen Effekt erfolgreich geworden.
Andere wie Google oder Apple bieten ein umfassendes Ökosystem, das ihnen den Zugang zu potentiellen Kunden gewährt. Die Zeit spielt hier ganz klar gegen die Banken. Während sie heute damit werben, dass der Kunde Kontoinformationen neuerdings über Alexa oder Siri abrufen kann, vergessen sie, dass genau diese Dienste in Zukunft ihre komplette Anlageberatung ersetzen können.
Warum sollten wir in Zukunft noch in eine Filiale gehen, um uns von Bankberatern Produkte verkaufen zu lassen, wenn eine bessere und neutralere Beratung zu günstigeren Kosten direkt zu Hause über digitale Assistenten möglich ist?
Neue Wege des Bankings durch Start-ups
Extrem motiviert, jedoch mit etwas weniger Potenzial, die Banken frontal anzugreifen, denken sich Start-ups neue Wege des Bankings aus.
Sie bringen Produktinnovationen in die Finanzbranche, schaffen es Konten leichter benutzbar zu machen oder vergeben Kredite zwischen Privatpersonen über Online-Plattformen. Die Ideen all dieser Start-ups sind extrem gut, doch lassen sie sich leicht durch Banken kopieren.
Für alle diese Konzepte braucht man eine große Anzahl an Kunden, damit sie rentabel werden. Nun haben Start-ups wenig Zugang zu Bankkunden. Als Konsequenz gehen wir davon aus, dass solche Start-ups mit guten Ideen zumeist von Banken in der Hoffnung gekauft werden, diese könnten ihre Marktposition durch innovative Ideen verbessern.
Das Dilemma der Start-ups ist, dass sie nicht auf Netzeffekte wie die großen Digital-Unternehmen setzen können, sondern ihre Geschäftsmodelle erst durch Skaleneffekte richtig gut werden.
Genau diese Skaleneffekte spielen aber den Banken mit ihren großen Kundenstämmen in die Hände. Aus diesem Grund ist hier eher eine Kooperation, denn eine echte Konkurrenz durch Start-ups zu erwarten.
Radikal neue Geschäftsmodelle durch Kryptowährungen und Blockchain
Ganz anders sieht das aus, wenn wir in den Bereich Kryptowährungen und Blockchain schauen. Diese Technologie ermöglicht so radikal neue Geschäftsmodelle, dass sie in der Lage ist, selbst eine Destruktion der Geschäftsmodelle von Google, Amazon oder Facebook durchzuführen.
Die Konsequenz wäre eine vollständige Dezentralisierung von Online-Plattformen, bei dem kein Einzelunternehmen eine Branche dominieren kann.
Über die Blockchain-Technologie lassen sich Bankdienstleistungen wie Zahlungsverkehr, Börsenhandel, Geldanlage oder Kreditvergabe vollständig ohne traditionelle Banken lösen. Die Technologie ist zwar noch relativ jung. Doch das Potenzial ist klar zu erkennen.
Ein neues Weltfinanzsystem
Betrachtet man die drei Einfallswinkel, aus denen eine radikale Veränderung für die Finanzbranche erwachsen könnte, so wird diese am wahrscheinlichsten von den bestehenden großen Digital-Konzernen oder aus Richtung der Blockchain-Technologie kommen.
Ganz gleich aus welcher Richtung der Innovationssprung die Finanzbranche erreichen wird, gilt: Sobald wir von echter Disruption sprechen, stehen nicht nur einzelne Banken oder die Finanzbranche als Ganzes, sondern das gesamte Weltfinanzsystem zur Disposition.
Denn gerade das bisherige System der voneinander abhängigen und miteinander verwobenen Banken wird für die neuen Geschäftsmodelle nicht benötigt.
Dramatisch an dieser Entwicklung ist, dass die Politik auf diese Disruption nicht vorbereitet ist. Weder die Finanzkrise noch die vor uns liegende radikale Digitalisierung des Bankensektors hat zu einem grundlegenden Wandel des Finanzsystems geführt.
Bricht dieses unkontrolliert zusammen, werden wir vielleicht mit einer neuen Finanz-Architektur beglückt, gestaltet durch große Digital-Unternehmen. Mit dieser Perspektive wäre es insbesondere für Europa wichtig, heute schon Visionen für eine neue Finanz-Architektur zu entwickeln.
Am besten eine, die die nächste Finanzkrise übersteht und auch kompatibel mit der zunehmenden Digitalisierung ist. Dazu müssten Banken völlig neu gedacht werden. Eine Mammutaufgabe für die Politik, die bisher noch nicht erkannt worden ist.
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