In der Serie „Start-up-Check!“ nehmen wir regelmäßig die Geschäftsmodelle von Start-ups unter die Lupe. Wer steckt hinter dem Unternehmen? Was macht das Start-up so besonders und was gibt es zu kritisieren? Heute: Cargonexx.
Start-ups. Das klingt nach Erfindergeist, Zukunftstechnologien, neuen Märkten. Doch in der Realität erweisen sich viele der Neugründungen leider oft als eine Mischung aus einer E-Commerce-Idee, planlosen Gründern und wackeligen Zukunftsaussichten.
Dabei gibt es sie durchaus: Die Vordenker, die an den großen Problemen tüfteln und Geschäftsmodelle revolutionieren. Diese zu finden und vorzustellen, ist die Aufgabe des Formats Start-up-Check. Heute: Cargonexx aus Hamburg.
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Wer steckt hinter Cargonexx?
Cargonexx kommt aus Hamburg. Rolf-Dieter Lafrenz und Andreas Karanas gründeten das Mobility-Start-up 2016 und leiteten es zunächst gemeinsam als Geschäftsführer.
Karanas geht aber offenbar wieder eigene Wege: Er ist nicht mehr als Geschäftsführer von Cargonexx aufgeführt und hat stattdessen das Start-up Carrypicker gegründet, dessen Ansatz dem von Cargonexx ähnelt.
Beide bieten eine KI-basierte Lösung, mit der die Ladungskapazitäten im LKW-Verkehr besser ausgenutzt werden sollen.
Karanas hatte bereits vor Cargonexx und Carrypicker mehrere Start-ups gegründet und die Geschäftsentwicklung unter anderem bei der Telefónica Deutschland geleitet.
Lafrenz war vor Cargonexx 13 Jahre lang geschäftsführender Gesellschafter bei der Unternehmensberatung Schickler. Cargonexx kommt aus dem gleichen Stall und ist das erste Start-up des Schickler Inkubators. Die Geldmittel für den Geschäftsaufbau liefern 15 private Investoren.
Ein Jahr lang hat die Entwicklung von Cargonexx bis zur Marktreife gedauert. Mittlerweile gehören zahlreiche Großkonzerne zu den Kunden. Cargonexx hält sich dazu eher bedeckt. Die FAZ nennt aber Metro, Lidl, Procter & Gamble, Unilever, Coca-Cola, Hornbach und Bauhaus. An Siemens sei das Start-up dran.
Preise hat Cargonexx auch schon abgeräumt: Sehr frisch sind die beiden Siege im September 2018 beim Startups@Reeperbahn-Pitch und beim Hamburger Gründerpreis. Bereits 2017 gewann das Start-up beim Gründerwettbewerb der Süddeutschen Zeitung den Gipfelstürmer-Award.
Was macht Cargonexx?
Cargonexx bringt über seine KI-basierte Plattform Ladung und freie LKW-Ladeflächen zusammen – und löst damit ein kostentreibendes Problem in der Transportlogistik. Im Lieferverkehr fahren viele Lastwägen entweder mit leerer oder teilweise leerer Ladefläche über die Autobahnen.
Das tun sie, weil die Organisation der Lieferstecken sehr komplex ist. Die meisten Transporte lassen sich nicht langfristig planen. Gerade in zeitkritischen Prozessen wie der Just-in-Time-Produktion steht häufig erst einen Tag, bevor der Lastwagen losfährt, fest, wie viel, wann genau geliefert werden muss.
Da ist es reiner Zufall, wenn zu diesem Zeitpunkt schon ein voller Lastwagen in die Nähe des Abholorts unterwegs ist. Stattdessen fährt dann häufig ein LKW leer los, um die Ladung abzuholen.
Kern der Cargonexx-Plattform ist die KI „Manni“. Der Name ist eine witzige Anspielung auf den vermeintlich häufigen Trucker-Spitznamen. Die etwas herbeigebogene Abkürzung steht für „Multidimensional Artificial Neural Network Intelligence“.
Mannis Aufgabe: Der Machine-Learning-Algorithmus berechnet anhand von Millionen von Tourdaten voraus, wann, welcher Lastwagen, wo gebraucht wird. Herangezogen werden dafür Frachtdaten, Verkehrsdaten, Wetterdaten und andere.
Manni weiß so im Idealfall, was Auftraggeber benötigen, bevor diese es genau wissen – und organisiert einen möglichst vollen Transport einer anderen Ladung in die Nähe.
Dafür schlägt Cargonexx den Spediteuren Routen vor und steuert die Ströme über die berechneten Preise. Konkret heißt das: Wenn ein Auftraggeber auf einen ungünstigen Abholzeitpunkt besteht – wenn also ein leerer Lastwagen losfahren müsste – zahlt er mehr.
Wenn er etwas flexibler ist, kann er Geld sparen, indem er einen Zeitpunkt wählt, der weniger kostet, weil er mit einem anderen Auftrag korrespondiert beziehungsweise mit Mannis Berechnung.
Der LKW fährt dann voll an einen Ort oder in die Nähe, an dem er nach der Entladung zeitnah wieder beladen wird. Auch nur teilweise volle LKW werden von Manni so gefüllt.
Für die Nutzer ist Cargonexx eine Auftragsplattform. Auftraggeber geben ein, was sie brauchen und erhalten sofort den von Manni berechneten Preis angezeigt. Logistikunternehmer geben ihre freien Touren ein. Sobald ein passender Auftrag eingeht, bekommt der Unternehmer eine Benachrichtigung.
Cargonexx übernimmt die Organisation und Haftung für den Transport. Das Start-up ist also mehr als nur ein Vermittler. Die Spediteure werden auch von Cargonexx bezahlt.
Das Start-up selbst verdient eine Marge an den verkauften Transporten. Die Anmeldung und grundsätzliche Nutzung der Plattform sind kostenlos.
Mittlerweile hat der Erfolg das Geschäftsmodell überholt, so dass Lafrenz nachjustieren musste. Da statt über Spediteure immer mehr große Auftraggeber direkt die Touren bei Cargonexx buchen, setzt das Unternehmen auch eigene LKW ein und beauftragt freie Fahrer.
Was macht Cargonexx so besonders?
Experten gehen davon aus, dass statistisch gesehen jeder dritte LKW leer durch Deutschland fährt. Wer jemals auf einer Autobahn hinter einem LKW-Elefantenrennen feststeckte und diese Zahl noch nicht kannte, sollte jetzt die Kinnlade wieder hochklappen.
Was für eine riesige Verkehrsentlastung! Ein Drittel weniger LKW auf den Straßen! Außerdem würden Straßenschäden und die Luftverschmutzung abnehmen.
Cargonexx geht also ein gesellschaftliches Problem an, das in der Zukunft noch an Relevanz gewinnt, da das Frachtverkehrsaufkommen Prognosen zufolge immer weiterwachsen wird.
Gleichzeitig löst es ein Problem, das Speditionsunternehmer, Auftraggeber und LKW-Fahrer belastet: Der Preisdruck in der Branche nimmt zu und vor allem die Fahrer leiden unter der schlechten Bezahlung.
Bei besserer Auslastung der Ladeflächen steigt die Produktivität. Wer am Ende davon profitiert, bleibt abzuwarten. Zumindest potenziell haben alle etwas davon.
Außerdem ist Cargonexx einer der frühen Digitalisierer der Logistikbranche. Gerade hier wird unter den Beteiligten noch viel mit Telefon und sogar Fax gearbeitet. Eine digitale, KI-basierte Plattform in diesem Bereich ist ein echter Meilenstein.
Das zeigt auch der Umstand, dass es bislang einfach keine echte Lösung für das Auslastungsproblem gab. Es gibt zwar schon lange Online-Frachtbörsen, auf denen die Unternehmen versuchen, ihre Ladeflächen effizienter zu füllen.
Doch die sind nicht automatisiert und funktionieren eher wie eine Kontaktbörse. Cargonexx hingegen nennt sein Angebot One-Click-Trucking und liefert das auch.
Der Ansatz von Cargonexx ist übrigens nicht einzigartig: In den USA gibt es verschiedene ähnliche Logistiklösungen wie Convoy, Truckerpath, Keychain Logistics und Uber Freight. Und in Deutschland gibt es Instafreight, das von Rocket Internet angeschoben wurde.
Die Konkurrenz zeigt aber vor allem, wie groß der Bedarf ist. Und Cargonexx hat es geschafft, sich in Europa als einer der ersten, eine starke Ausgangslage in diesem Segment zu erarbeiten. Die Gründer hatten also den richtigen Riecher und haben mit den vielen Großkunden und rund 80.000 registrierten LKW die Nase vorn.
Gibt es Kritikpunkte?
Bei Start-ups wie Cargonexx fällt Kritik schwer, weil der Erfolg den Gründern recht gibt. Ein Faktor, der etwas nachdenklich stimmt, ist aber: Wenn die Effizienz der Logistik zunimmt, werden es leider nicht zwingend die Spediteure und die Fahrer sein, die davon profitieren.
Vorstellbar wäre auch, dass die großen Auftraggeber ihre Kosten senken, ohne dass jemand anderes etwas davon hat.
Die Entwicklung bei Cargonexx weist auch dahin: Gestartet war das Unternehmen mit der Mission, die Arbeit von Speditionen zu vereinfachen. Nun gehören große Handelsunternehmen zu den wichtigsten Kunden.
Und mit der eigenen Flotte passiert eben offenbar doch, was am Anfang noch ausgeschlossen wurde: Cargonexx wird zur Konkurrenz für Spediteure.
Fazit
Der Wert der Logistikbranche alleine in Deutschland wird Prognosen zufolge bald die 300-Milliarden-Euro-Marke knacken. Und da der Bereich so unterdigitialisiert ist, sind Unternehmen wie Cargonexx zur rechten Zeit am rechten Ort.
Es klingt also auch nicht übertreiben, wenn Lafrenz sagt, er plant in drei Jahren Gewinn zu machen – obwohl das eine irre Entwicklungsgeschwindigkeit wäre.
Daumen drücken ist trotzdem angesagt, dass das mit der sportlichen Überschreitung der Gewinngrenze auch klappt.
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