Stellt euch vor, ihr sitzt an einem besonders heißen Tag zuhause und plötzlich schaltet sich eure Klimaanlage aus. Ihr schnappt euer Smartphone und schaltet sie wieder ein, aber bereits ein paar Sekunden später schaltet sie sich auf mysteriöse Weise von selbst wieder aus.
Die New York Times berichtet von Frauen, die bei Notfall-Hotlines und Notunterkünften nach Hilfe fragten, weil sie sich in genau solch einer Situation befanden. Die Opfer hatten beinahe das Gefühl, verrückt zu werden.
Smart-Home-Geräte können in einer Gewaltbeziehung zu einem Mittel der Kontrolle werden.
In anderen Fällen drehten die Täter mithilfe eines Smart-Thermostats die Heizung auf 35 Grad oder spielten mithilfe eines Smart Speakers plötzlich ohrenbetäubende Musik ab. Es gibt viele Wege, um Smart-Home-Geräte als Werkzeug zur häuslichen Gewalt einzusetzen – Missbrauchstäter können beispielsweise die Zahlencodes von digitalen Türschlossern ändern und IoT-fähige Lampen und Kameras zur Überwachung oder als Mittel zur Belästigung oder Kontrolle einsetzen.
In allen Fällen kontrollieren die Täter mithilfe von Smartphone-Apps die vernetzten Alltagsgegenstände ihrer Opfer. Entweder, um ihre Macht zu demonstrieren, sie auszuspionieren oder zu erschrecken. Selbst, wenn die Opfer aus der Gewaltbeziehung entkommen können und nicht länger in derselben Wohnung leben, können die Geräte weiterhin von den Tätern verwendet werden.
Sowohl die Opfer, als auch die Mitarbeiter der Notfall-Unterkünfte und -Hotlines wissen häufig nicht, wie Smart-Home-Geräte funktionieren, wie viel Kontrolle die andere Person über diese Geräte hat und welche Maßnahmen sich ergreifen lassen.
Einige Hersteller von IoT-Geräten gaben bekannt, dass sie bisher noch keine Berichte dieser Art erhalten hätten. Das Problem ließe sich außerdem durch Ändern des WLAN-Passworts oder mithilfe der Reset-Taste lösen, eine Universallösung gebe es aber nicht. Wenn es für die Nutzer einfacher wäre auszuwählen, wer die Kontrolle über das Gerät hat, könnten auch Hacker leichter auf die Geräte zugreifen.
Wirft man einen Blick auf die Statistiken, lässt sich feststellen, dass dieses Phänomen noch relativ neu ist. Im Jahr 2017 gab es in den Vereinigten Staaten erst 29 Millionen Haushalte, die mit Smart-Home-Geräten ausgestattet waren. Diese Zahl soll jährlich um 31 Prozent anwachsen.
Muneerah Budhwani – eine Mitarbeiterin der National Domestic Violence Hotline – sagt, sie habe erstmals letzten Winter von solchen Missbrauchsfällen gehört. „Die Anrufer erzählten mir, dass die Missbraucher sie mithilfe von Smart-Home-Geräten ausspionierten und kontrollierten.“
Ein Großteil aller Smart-Home-Geräte wird von Männern installiert und viele Frauen laden sich zudem nicht die zugehörigen Smartphone-Apps herunter. In einem Interview bezeichnete eine der Frauen die Situation als „Dschungelkampf“, weil sie nie wusste, woher die Attacken kommen würden.
Eines der Opfer – eine Ärztin aus Silicon Valley – erzählte, ihr Ehemann habe das Thermostat, die Lichter und die Musikanlage im Haus genutzt, um sie zu belästigen. „In Gewaltbeziehungen geht es um Macht und Kontrolle und er nutzt diese Technologie als Werkzeug“, sagte sie.
Die Geräte einfach zu deinstallieren kann die Lage für die Opfer jedoch verschlimmern.
Um in solch einer Situation nicht den Kopf zu verlieren, ist es wichtig, sich ein paar Grundkenntnisse zum Thema IoT anzueignen. Selbst, wenn ihr euch nur über die grundlegenden Funktionsweisen eurer Smart-Home-Geräte informiert, kann das für mehr Sicherheit und Gelassenheit sorgen.
Im Moment ist es noch schwierig, rechtliche Schritte gegen die Täter einzuleiten. Das Motto lautet aber wie immer: „Wissen ist Macht“. Es ist wichtig, die Welt darüber zu informieren, dass Smart-Home-Geräte als Werkzeug zur häuslichen Gewalt genutzt werden können. Wir würden euch gerne Ratschläge dazu geben, wie ihr euch aus einer Gewaltbeziehung befreien könnt, aber leider sind wir keine Experten auf diesem Gebiet. In einem unserer anderen Artikel zum Thema häusliche Gewalt findet ihr aber einige Tipps dazu, welche ersten Schritte ihr unternehmen könnt sowie einige Links zu Leuten, die euch weiterhelfen können.