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SG Wattenscheid 09: Dank Haalo auf dem Weg in die digitale Königsklasse?

SG Wattenscheid 09 auf dem Weg in die digitale Königsklasse dank HA²LO?
Screenshot YouTube
geschrieben von Philipp Ostsieker

Kurz vor ihrem 110-jährigen Jubiläum steht die SG Wattenscheid 09 an einem Wendepunkt. Seit fast 20 Jahren spielt der Ruhrgebietsklub keine Rolle im Profifußball. Das soll sich ändern. Die Lösung sind jedoch keine teuren Altstars. Der Star ist die Digital-Offensive. Die Fäden ziehen die Tech-Experten des Hamburger Startups Haalo.

Die Pläne von Haalo bzw. HA²LO sind ambitioniert. Als enger strategischer und technologischer Partner will es Wattenscheid 09 im großen Stil transformieren. Gestern informierte der Klub seine Mitglieder. Viele Fans rieben sich bereits letzte Woche die Augen. Von „Bundesliga“, „Ausgliederung“ oder „Kryptowährung“ war in einem Reviersport-Artikel zu lesen. Etwas zu viel des Guten?

Die guten Zeiten liegen nämlich einige Jahre zurück. Zwischen 1990 und 1994 spielte Wattenscheid in der Bundesliga. Davon ist der Regionalligist nicht nur sportlich weit entfernt. Der Traditionsklub gilt als chronisch klamm. Zu sehr war der Klub damals von seinem Gönner und Mode-Unternehmer Klaus Steilmann abhängig.


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Der neue starke Mann heißt Oguzhan Can. Can ist Vorsitzender des Aufsichtsrats der SG Wattenscheid 09 und will „Wattenscheid wieder zum Anlaufpunkt junger Talente wie Leroy Sané machen und damit an die Tradition großer Spieler wie Hannes Bongartz oder den Altintop-Brüdern anknüpfen.“

Gemeinsam mit Haalo gehe der Klub „im deutschen Fußball einen einzigartigen Weg.“ Dieser Weg soll zurück in den bezahlten Fußball führen – „nachhaltig“ und „mittelfristig“.

Wattenscheid setzt auf Digital-Expertise von HA²LO

Was steckt hinter dem strategischen Partner Haalo? Das im Juli 2017 gegründete Hamburger Unternehmen plant die „digitale Revolution im Sport.“ Haalo unterstützt die Entwicklung und Implementierung neuester Technologien im Sport. Neben intelligenten Datenauswertungen für Spieler- und Spielanalysen gehören dazu auch das Talent-Scouting sowie die Initialisierung einer Kryptowährung und der zentrale Einsatz der Blockchain.

„Digitalisierung kann vielleicht nicht das Spiel selbst verändern, aber dafür den Sport grundlegend“, sagt Peter Jaeger, CEO und Co-Gründer von Haalo. „Sport und Technik bedingen sich heute gegenseitig, d.h. Technologie wird auch den physischen Erfolg auf dem Feld fördern und die SG Wattenscheid 09 mittelfristig zurück in den Profifußball führen.“

Jaeger weiß, wovon er spricht. Vor Haalo unterstützte er diverse Klubs der Fußball-Bundesliga als Senior Director DX und Mitglied der Geschäftsleitung der Microsoft Deutschland GmbH.

Im Vordergrund des Technologieeinsatzes steht die intelligente Nutzung von Daten:

  • Daten tragen dazu bei, Spieler nach ihren tatsächlichen Leistungsfähigkeiten und Fitnesswerten zu bewerten, was dazu führen wird, dass Teams primär nach objektiven und weniger nach subjektiven Kriterien aufgestellt werden.
  • Daten sind der Schlüssel, um vielversprechende Talente frühzeitig zu entdecken und zu fördern.
  • Daten helfen, dass Fans und Verein noch näher zusammenrücken, weil sie sich besser verstehen.

Im Fokus: Scouting & Fan Engagement

Wie profitiert Wattenscheid konkret? Haalo wird in den Klub investieren. Das Initial Coin Offering (ICO) ist für Ende Juli 2018 geplant. Technologisch soll zwei Bereiche besonders profitieren:

  1. Talent Scouting (HA²LO | Scout)
  2. Fan Engagement (HA²LO | Access)

Wichtig is auf’m Platz! Das Trainerteam soll modernste Tracking- und Analysemethoden nutzen können. HA²LO | Scout stellt die erste vereinsunabhängige Datenbanklösung dar. Egal ob Mannschaftsaufstellung, Kaderzusammenstellung oder Trainingsplanung, es gilt „Wissen statt Bauchgefühl“.

Worauf können sich die Fans freuen? Wattenscheid 09 soll von HA²LO | Access profitieren. Über die App können die Fans von einem Touch-Point aus Tickets kaufen, während der Spiele Essen und Trinken am Platz bestellen oder untereinander sowie mit ihrem Verein und den Spielern in Kontakt treten. Hinter der Anwendung steht die cloudbasierte Plattform HA²LO | Gainchanger. Die Plattform will mit künstlicher Intelligenz die Bedürfnisse der Fans noch besser verstehen und befriedigen.

Wattenscheid 09: Fan- und Zuschauerzahlen
Wattenscheid hat als „Stadtbezirk 2 Bochum-Wattenscheid“ über 70.000 Einwohner.  16.233 Plätze fasst das Lohrheidestadion. Im Schnitt besuchen etwa 1.000 Fans die Heimspiele. Der Klub hat zudem rund 1.000 Mitglieder. Auf Facebook folgen dem Klub knapp 6.000 Nutzer.

eSports 09 & Campus 09

Doch hier enden die Planungen noch nicht. Mitglieder und Fans bilden den harten Kern. Doch die Macher schielen auf ganz neue Fans. 1,5 Millionen deutsche eSportler fallen ins Beuteschema von Wattenscheid 09 und Haalo. Die Partner betrachten klassischen und virtuellen Sport als gleichberechtigt. So entsteht nun die eSports 09 GmbH. Gespielt werden dort zunächst Spiele wie FIFA, Dota, League of Legends (LoL) und CounterStrike (CS).

Beide Parteien denken Digitalisierung durchaus facettenreich. Mit dem Campus 09 werden sie gemeinsam mit der Stadt Bochum sowie lokalen Partnern einen Zukunftsraum mit den Schwerpunkten Fußball, eSports, Innovation und Digitalisierung realisieren. Der Campus 09 soll ein modernes Ökosystem werden. Zur Realisierung stehen zunächst das gesamte Areal im Umfeld des Lohrheidestadions sowie das Trainingsgelände zur Verfügung.

Mit dem Campus 09 schaffen wir einen Ort des kreativen Austausches, der junge Talente mit erfahrenen Experten zusammenbringt und ihnen Zugang zum Sport aber vor allem auch zur Technik der Zukunft bietet. (Peter Jaeger, CEO und Co-Gründer von Haalo)

Ein Spagat zwischen Rödinghausen & Madrid

Für Außenstehende wirkt es immer noch irreal. Noch letzte Saison landete Wattenscheid 09 hinter dem SV Rödinghausen und dem SC Wiedenbrück. Nun will man zum „digital innovativsten Klub in Europa werden“ und Klubs wie Real Madrid oder Manchester City hinter sich lassen.

Viele Fans fühlten sich zunächst an Sönke Wortmanns erfolgloses Projekt „Deinfussballclub.de“ aus 2008 erinnert. Andere verwiesen auf nicht zurückgezahlte Fan-Anleihen einiger Bundesliga-Klubs. All das wird dem Projektansatz nicht gerecht. Und doch erfordert er ein professionelles und geduldiges Erwartungsmanagement. Für viele Fußball-Fans ist das Engagement erklärungsbedürftig.

Haalo will immerhin 5 Millionen Euro in drei Jahren investieren, erklärt Peter Jaeger gegenüber Reviersport. In diesem Rahmen wollen Jaeger & Co. die Sperrminorität von der neu zu gründenden Fußball-GmbH übernehmen. Diese beginnt bei 25,1 Prozent. Ob die Fans sich damit anfreunden können?

Gleichzeitig ist mit keinem schnellen Durchmarsch in den Profifußball zu rechnen. Klubs wie Viktoria Köln oder zuletzt der KFC Uerdingen agierten mit sehr umfangreichen finanziellen Mitteln. Aber: „Ab der zweiten Liga kann man erst Geld verdienen“, ist sich etwa KFC-Präsident Mikhail Ponomarev sicher. Zudem muss der Regionalliga-Meister noch Aufstiegsspiele bestreiten. Diesen Klubs will das Projekt-Team aber ohnehin nicht nacheifern.

Moneyball im Ruhrpott?

Die Macher tun gut daran, ihr Projekt auf vielfältigen Säulen aufzubauen. Für Haalo ist Wattenscheid 09 ein spannender Case, um die eigenen Produkte im Markt zu etablieren. Der Traditionsklub wiederum hat in einer schwierigen Situation eigentlich nichts zu verlieren. Im schlimmsten Fall scheitert das Projekt und der Klub hält den Status Quo. Im besten Fall beginnt passend zum 110. Geburtstag eine spannende Erfolgsgeschichte.

Ohnehin ist mit einer umfangreichen Umsetzung aller Maßnahmen nicht kurzfristig zu rechnen. Mittelfristig erhofft sich das Team „Moneyball“-ähnliche Effekte wie beim FC Midtjylland. Das Underdog-Team wurde (auch) dank des cleveren Einsatzes von Daten überraschend dänischer Meister.

Und wie war das jetzt mit der Kryptowährung? Alles halb so wild. „Über die neue Kryptowährung haben Investoren die Möglichkeit, in die Technologien und Visionen von Haalo und damit in die digitale Zukunft des Sports zu investieren“, kommentiert Peter Jaeger. Was für das Vorhaben des Startups hochspannend ist, muss die Wattenscheid-Fans aber nicht stören. Die Logik biete spannende Optionen, die Bier und Bratwurst gibt’s im Lohrheidestadion weiterhin auch für Bares.

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Über den Autor

Philipp Ostsieker

Philipp Ostsieker ist Medien- und Digitalmanager aus Hamburg. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als selbstständiger Digital Content Strategist schreibt Philipp für BASIC thinking die Kolumne „Matchplan“, in der er über den Tellerrand blickt und durch die innovativen Ideen der Sportbranche führt.