Wirtschaft

Bücher für Gründer: „Zukunft Digitalisierung“ von Jens Hansen

Fernglas, Ausblick, Teleskop, Zukunft Digitalisierung
Gelingt "Zukunft Digitalisierung" der große Wurf? (Foto Pixabay.com / Free-Photos)
geschrieben von Carsten Lexa

Vor mir liegt das Buch „Zukunft Digitalisierung – Der Wettlauf zum Weltbetriebssystem“ von Jens Hansen. Bekomme ich jetzt endlich mal die Digitalisierung erklärt und sagt man mir, inwieweit und wohin sich die Welt entwickeln wird? Das wäre zu viel verlangt. Trotzdem macht das Buch viel richtig. Eine Rezension.

Eine ausführliche Erklärung der Digitalisierung und vor allem ein zuverlässiger Blick in die Zukunft: Das wäre vielleicht ein bisschen zu viel verlangt.

Das klappt dann doch nicht so richtig nur mit dem Buch* „Zukunft Digitalisierung“ von Jens Hansen. Was aber das Buch richtig macht und wo es in meinen Augen noch Verbesserungsbedarf gibt (vielleicht für die nächste Auflage), das verrate ich euch im neusten Teil der Serie „Bücher für Gründer„.

Digitalisierung: Warum stehen wir da, wo wir heute stehen – und wo wollen wir hin?

Gleich mal vorweg: Der Autor versucht mit diesem Buch den großen Wurf. Es geht nicht um das Klein-Klein der einzelnen Bereiche der Digitalisierung, sondern Jens Hansen ist das große Ganze wichtig. Und wenn man wissen will, wo es hingeht, dann hilft es zu wissen, woher man kommt.

Deshalb geht er nicht nur darauf ein, welche Innovationssprünge in immer kürzerer Zeit vorkamen, sondern er erläutert auch, was eigentlich auf welcher Ebene (Technik, Prozess, Kommunikation, Organisation, Kultur, Produkt, Strategie) unter Digitalisierung gemeint ist.

Darüber hinaus zeigt Jens Hansen in „Zukunft Digitalisierung“ drei mögliche Szenarien auf, wie die Zukunft unter Berücksichtigung der Digitalisierung aussehen könnte. So könnte sich eine privatisierte digitale Technokratie ergeben, ein technologischer Rückschritt oder eine „neue Ära der Offenheit und Prosperität“.

Das präferierte Szenario des Autors kann nun jeder Leser selbst erraten.

Letztendlich ist die These des Autors, dass am Ende alles mit allem vernetzt ist und sich daraus Konsequenzen ergeben. Das Ergebnis ist ein digitales Ökosystem, welches unser aller Leben radikal verändern wird.

Und damit ist nicht nur die Art wie wir arbeiten gemeint, sondern auch die Verwendung der Daten und die politischen Systeme. Wirklich einfach alles!

Wo be- und entstehen Verbindungen?

Natürlich wird Social Media die Menschen zusammenbringen. Auch das Internet of Things (IoT) und die Plattformen schaffen offensichtliche Verbindungen.

Interessant wird es aber dann, wenn der Autor von „Smart Cities“ (Verkehrssteuerung, Parken oder öffentlicher Nahverkehr), von der Vernetzung von Produktion und Logistik (mit Auswirkungen auf die Lieferketten) oder dem Angebot von Dienstleistungen über die Cloud (Erstellung von Steuererklärungen ohne Steuerberater? Oder von Verträgen ohne Anwalt?) spricht.

Letztendlich kommt Jens Hansen in „Zukunft Digitalisierung“ zu dem Schluss, dass unser derzeitiges Weltwirtschaftssystem diesen Veränderungen nicht gewachsen sein wird. Was aber tun?

Wo werden die Auswirkungen gravierend sein?

Um zu verstehen, wie durchgreifend und umfassend die Umwälzungen durch die Digitalisierung sein werden, schaut der Autor nun auf einzelne Bereiche, die von der Digitalisierung betroffen sein werden. Hier finden sich nun ein paar äußerst interessante Ansätze, die es zu erwähnen lohnt.

So wird beispielsweise andiskutiert, dass das herkömmliche Bankensystem wegfallen wird. Denn die Versendung von Geld ohne die Banken als Mittler lässt das bisherige System obsolet werden.

Spannend sind auch die Gedanken von Jens Hansen zu Patenten. Der bisherige Umgang mit Patenten sei nicht kundenfreundlich und bremst Innovationen. Innovationen könnten durch andere Mechanismen als Patente geschützt werden.

Mögliche Ansätze wären zum Beispiel der Schutz durch Innovationsgeschwindigkeit, Kundenservice oder starke Marken. Ich muss schon fast nicht mehr erwähnen, dass Jens Hansen ein großer Anhänger des Open-Source-Gedankens ist.

Faszinierend, wenn auch nicht unbedingt neu, sind die Überlegungen zu den Umwälzungen bei den Erwerbssystemen und bei Belohnungssystemen.

Die Menschen werden laut dem Autor völlig neu ermitteln müssen, wie sie ihre Zeit verbringen (wenn es nicht mehr genügend Beschäftigung für alle gibt) und welche Anreize gesetzt werden können, um sie zu einem bestimmten Handeln zu bewegen. Was wäre, wenn Geld als Anreiz nicht mehr ausreicht?

Der Staat in der Defensive

Früher hat der Staat viele Veränderungen noch selbst mit entsprechenden politischen Entscheidungen angestoßen. Die Digitalisierung hat das jedoch geändert. Der Staat „hechelt den Entwicklungen hinterher“.

Jedoch sind nach dem Autor der Staat, die Politik und die Verwaltung nicht in der Lage, sich schnell genug auf die Veränderungen einzustellen. Er kommt deshalb zu dem Schluss, dass „ohne einen Sinneswandel hin zu mehr Innovation der Staat mit seinen Institutionen langfristig sogar in seiner jetzigen Form infrage gestellt werden“ könnte.

Der Autor behauptet dies jedoch nicht nur. Er belegt es auch anhand von den „Selbstverständlichkeiten“, die in der Politik als große Würfe diskutiert werden, in der Realität aber eigentlich schon gar keine Rolle mehr spielen.

Als Beispiel nennt Hansen dafür den Breitbandausbau. Es ist in meinen Augen in diesem Kontext faszinierend, über die Inhalte der digitalen Agenda der Bundesregierung nachzudenken. Diese lässt wenig Platz für wirkliches Neues.

Jens Hansen bietet in „Zukunft Digitalisierung“ ein paar faszinierende Überlegungen, die radikal und neu sind: Abschaffung von den Kleinst- und Kleinstrukturen der Verwaltung und großflächiges Anbieten von staatlichen Service-Leistungen oder die Verwendung von Open-Source-Lösungen im Softwarebereich.

Das insbesondere in der Politik die große Vision nicht geschätzt wird, erlebt ja derzeit die neue Digitalministerin Dorothee Bär. Kaum spricht sie mal von Flugtaxen (in meinen Augen eine faszinierende Idee für künftige Fortbewegung) oder von Programmierkursen an Schulen (wobei es ja um viel mehr geht als nur um das Lernen einer Programmiersprache, sondern zum Beispiel um logisches Denken oder das Nehmen von Angst vor Computern), geht ein großes Gelächter durch Deutschland.

„Die Bär halt wieder. Immer ein paar nutzlose Ideen auf Lager, um in die Zeitung zu kommen“. Ja, eben, die Bär. Es scheint ja sonst nicht so viele zu geben, die mal einfach Neues denken …

Und wo führt das alles hin?

Jetzt wissen wir also, wo es Umwälzungen gibt. Und wir wissen auch, dass das bisherige System des Wirtschaftens und der Lebensgestaltung nicht ausreichen wird. Was machen wir nun?

Hier kommen wir nun zur – in meinen Augen – Schwäche des Buches. Denn am Ende bringt der Autor ein paar Ideen, was man verändern könnte. Diese Ideen sind aber alles andere als konkret. So schreibt er beispielsweise: „Es ist eine vorausschauende Politik nötig.“

Aber in welcher Form und was sich im bisherigen Politikbetrieb ändern muss – darauf wird nicht eingegangen.

Was ist mir sonst noch aufgefallen, das vielleicht vom Autor noch einmal durchdacht werden muss?

Ich vermisse beispielsweise den Einfluss von China auf die Digitalisierung. Der Autor spricht zwar beispielsweise den „Citizen Score“ an, der für jeden Bürger in China hinsichtlich seines Wohlverhaltens einen bestimmten Wert festlegt.

Wie sich das aber auf andere Länder auswirken könnte, darüber erfährt man nichts. Genauso wird die Tatsache nicht angesprochen, dass in China nahezu konkurrenzlos gewaltige Unternehmen heranwachsen, denen die Grenzen Chinas irgendwann zu eng werden werden.

Dann werden die auf den Rest der Welt losgelassen. Was passiert dann?

Und schließlich vermisse ich an manchen Stellen den Tiefgang. Themen werden angerissen und kurz diskutiert, aber es bleiben Fragen offen. Das ist in meinen Augen eine vertane Chance für Jens Hansen. Im Gegenzug kommt es immer wieder zu Wiederholungen von schon Gesagtem, was auch nicht sein müsste.

Fazit zu „Zukunft Digitalisierung“

Ich würde sagen: Dieses Buch ist ein „Primer Digitalisierung“ mit dem Versuch, einen 360-Grad-Ansatz zu verfolgen. Mit einem Buch von 220 Seiten im Din-A5-Format ist das wohl ein etwas zu optimistisches Unterfangen.

Wer damit leben kann – und die meisten werden es können, weil sie sich wahrscheinlich noch nie mit dem Thema Digitalisierung ganzheitlich befasst haben –, dem rate ich: Kaufen, lesen und anfangen, nachzudenken. Dieses Buch ist empfehlenswert!

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Über den Autor

Carsten Lexa

Rechtsanwalt Carsten Lexa berät seit 20 Jahren Unternehmen im Wirtschafts-, Gesellschafts- und Vertragsrecht. Er ist Lehrbeauftragter für Wirtschaftsrecht, BWL und Digitale Transformation sowie Buchautor. Lexa ist Gründer von vier Unternehmen, war Mitinitiator der Würzburger Start-up-Initiative „Gründen@Würzburg”, Mitglied der B20 Taskforces Digitalisierung/ SMEs und engagiert sich als Botschafter des „Großer Preis des Mittelstands” sowie als Mitglied im Expertengremium des Internationalen Wirtschaftsrats. Er leitete als Weltpräsident die G20 Young Entrepreneurs´Alliance (G20 YEA). Bei BASIC thinking schreibt Lexa über Themen an der Schnittstelle von Recht, Wirtschaft und Digitalisierung.