In der Serie „Start-up-Check!“ nehmen wir regelmäßig die Geschäftsmodelle von Start-ups unter die Lupe. Wer steckt hinter dem Unternehmen? Was macht das Start-up so besonders und was gibt es zu kritisieren? Heute: Xenoma.
Start-ups. Das klingt nach Erfindergeist, Zukunftstechnologien, neuen Märkten. Doch in der Realität erweisen sich viele der Neugründungen leider oft als eine Mischung aus einer E-Commerce-Idee, planlosen Gründern und wackeligen Zukunftsaussichten.
Dabei gibt es sie durchaus: Die Vordenker, die an den großen Problemen tüfteln und Geschäftsmodelle revolutionieren. Diese zu finden und vorzustellen, ist die Aufgabe des Formats Start-up-Check. Heute: Xenoma aus Tokio.
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Wer steckt hinter Xenoma?
Xenoma kommt aus Japan und wurde 2015 von Ichiro Amimori, Masao Nakajima und Osamu Sawanobori gegründet. Das Start-up ist eine Ausgründung der Universität Tokio.
Das Projekt hinter Xenoma startete bereits 2014 als eine Forschungsgruppe der Universität, die auch den ersten Prototypen der elektronischen Kleidung entwickelte.
Unter dem Namen Xenoma ist das Produkt nun auch außerhalb des akademischen Umfelds im kommerziellen Bereich platziert. Es befindet sich noch in der Entwicklung und ist nicht marktreif. Bisher wird lediglich ein Developer Kit (DK) verkauft, mit dem Anwendungen entwickelt werden sollen.
Die Mission von Xenoma: Nach eigener Aussage wollen die Gründer menschenfreundliche Technologien entwickeln und in unserem Alltag integrieren. Das ist nicht besonders aussagekräftig – hängt aber damit zusammen, dass die potentiellen Anwendungsmöglichkeiten der Technologie so groß sind.
Im Grunde handelt es sich um vernetzte Kleidung. Das elektronische Material ist Teil des Internet of Things (IoT).
Was macht Xenoma?
Xenomas E-Skin ist ein elektronisches, sehr dünnes, flexibles und waschbares Material. Es ist im Grunde ein Wearable, das Daten sammelt und überträgt.
Das E-Skin in seiner jetzigen DK-Form sieht aus wie ein Sport-Longsleeve und enthält sehr viele Sensoren. Diese messen zum Beispiel menschliche Bewegungen sehr genau. Das E-Skin überträgt diese Daten über Bluetooth an andere Geräte.
Xenoma sucht gerade nach den besten Anwendungsbereichen für die Technologie und hat auf der letzten CES in Las Vegas drei Versionen seines E-Skins vorgestellt. Dafür wurden sie sogar ausgezeichnet.
Eine der Anwendungsmöglichkeiten fällt in den Bereich der Medizin. Ärzte und Pfleger sollen mit dieser Version des E-Skin Vitalzeichen von Patienten überwachen, ohne dass diese direkt an Geräte angeschlossen werden müssen.
Die Patienten müssen auch keine Sensoren tragen, mit denen sie sich schwer bewegen können. Stattdessen tragen sie lediglich das E-Skin. Neben der Bewegung, können darüber unter anderem die Atmung und sogar die Herzfrequenz überwacht werden.
Eine weitere Anwendungsmöglichkeit ist die Virtuelle Realität (VR). Bereits seit längerem versuchen Tech-Unternehmen, die Steuerung in der digitalen Welt unabhängiger von physischen Geräten zu machen. Ein immer noch oft zitiertes Vorbild für solche Lösungen ist der Science-Fiction-Film Minority Report (2002), in dem Tom Cruise mit Handgesten durch digitale Dokumente blättert.
Schnell, intuitiv, haptisch: So würden gerne viele Menschen digital arbeiten, statt sich mit einer Maus und Tastatur rumzuschlagen.
Xenoma hat daher auch eine Version seines E-Skins entwickelt, die darauf ausgelegt ist vor allem die Bewegungen des Trägers über die 14 Sensoren zu messen und möglichst genau darzustellen.
Die Videospielindustrie wäre in Verbindung mit ihren VR-Brillen ein dankbarer Anwender. Auf Spielkonsolen gibt es zwar bereits verschiedene Steuerungs-Systeme, bei denen die Bewegungserkennung über eine Kamera oder über Sensoren, die man in der Hand hält, erfolgt.
Bei einfacheren Spielen wie Tanzspielen funktioniert das auch ganz gut. Sobald es aber mehr Feingefühl braucht, zeigt sich, dass diese Art der Bewegungserkennung einfach nicht genau genug ist.
Und natürlich ist Sport beziehungsweise Fitness ein Anwendungsbereich. Wearables, die das Fitnessprogramm unterstützen, sind schon weit verbreitet. Das E-Skin könnte aber Platzhirsch werden, weil es getragen wird wie ein Sport-Shirt. So passt es besser in das Training als ein Armband und es kann mehr Daten messen, weil es mehr Sensoren trägt.
Was macht Xenoma so besonders?
Vernetzte Kühlschranke, Fernseher, Staubsauger: Wir sind schon daran gewöhnt, dass unser Haushalt immer smarter wird. Doch vernetzte Kleidung ist neu.
Google hat zwar bereits mit Levis die smarte Jacke Jacquard auf dem Markt gebracht, doch deren Funktionen sind eher eingeschränkt. Musik lauter machen, Uhrzeit abfragen und bei Google Maps Pins per Geste setzen, viel mehr nicht. Das ist schon was, aber irgendwie auch nicht so doll.
Xenoma hingegen hat im Grunde noch gar kein fertiges Produkt. Das E-Skin ist ein Material und eine technische Plattform für Entwickler. Dadurch, dass es so einfach zu tragen und so pflegeleicht ist, taugt es zum perfekten Wearable.
Es eröffnet dadurch eine Bandbreite an neuen Szenarien, in denen IoT zum Einsatz kommt.
Da es noch nicht marktreif ist, ist zwar nicht ganz so einfach zu beurteilen, wie gut die Technologie dahinter wirklich ist. Auf der CES waren die Experten aber schon überzeugt, dass das E-Skin der nächste große Wurf werden könnte. Vor allem wegen seiner einfachen Anwendbarkeit im Alltag.
Die bisher vorgestellten Anwendungsmöglichkeiten sind darüber hinaus auch sehr zukunftsträchtig. Das Thema der Krankenpflege wird uns in den Industrienationen mit unseren alternden Gesellschaften noch lange beschäftigen. Und Xenoma setzt mit den VR-Version auf die boomende Games-Branche.
Gibt es Kritikpunkte?
Die medizinischen Versionen des E-Skin sollen im Jahr 2020 marktreif sein – hoffen die Gründer. Das ist auch die offene Flanke von Xenoma. Alle auf der CES vorgestellten Versionen zeigen zwar, was möglich sein könnte und dass sie keine Prototypen mehr sind.
Sie zeigen aber auch, wie weit entfernt von der Marktreife das E-Skin noch ist.
Im Grunde brauchen die Japaner große kommerzielle Partner, die die Technologie für ihre eigenen Zwecke einnehmen. Mit der Games-Branche steht auch schon der passende Kandidat bereit, doch die Entwickler dort setzen bisher auf eigene Technologien und vor allem VR-Brillen in Verbindung mit konservativen Steuerungsgeräten. Und auch in Medizin und Mode ist der Durchbruch noch nicht da.
Fazit
Bei aller Kritik muss gesagt werden: Xenoma ist noch nicht alt. Die Gründer müssen zwar irgendwann liefern. Es wird also durchaus Zeit, dass Verbraucher das E-Skin auch einsetzen können. Doch, wenn die Technologie sich als so fortschrittlich erweist, wie sie im Moment erscheint, dann lohnt sich das Warten auch.
Und es gibt auch schon zumindest einen großen Namen, der mitmacht: Für Hugo Boss entwickelte Xenoma eine Golfhemd, mit dem die Haltung und Bewegung des Golfers beim Abschlag analysiert wird.
2019 wollen die Gründer das Hemd in die Läden bringen. Das wäre ein Anfang. Auch hier heißt es: Daumen drücken. Dann können wir bald vielleicht auch wie Tom Cruise in Minority Report durch unsere E-Mails blättern.