In der Serie „Start-up-Check!“ nehmen wir regelmäßig die Geschäftsmodelle von Start-ups unter die Lupe. Wer steckt hinter dem Unternehmen? Was macht das Start-up so besonders und was gibt es zu kritisieren? Heute: Infarm.
Neues Format: Das steckt hinter dem Start-up-Check
Start-ups. Das klingt nach Erfindergeist, Zukunftstechnologien und neuen Märkten. Doch in der Realität erweisen sich viele der Neugründungen leider oft als eine Mischung aus einer E-Commerce-Idee, planlosen Gründern und wackeligen Zukunftsaussichten.
Dabei gibt es sie durchaus: Die Vordenker, die an den großen Problemen tüfteln und Geschäftsmodelle revolutionieren. Diese zu finden und vorzustellen, ist die Aufgabe des Formats Start-up-Check.
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Hier stellen wir wirklich innovative Startups vor. Das heißt: Die Gründer arbeiten mit einer noch nicht etablierten Technologie oder Strategie an einem Problem, das die Menschheit beschäftigt. Oder sie machen sich damit auf, ein Geschäftsfeld von Grund auf zu verändern. Den Anfang macht das Start-up Infarm aus Berlin.
Wer steckt hinter Infarm?
Das Gründungsteam kommt aus Israel, woher übrigens auffällig viele gute Ideen aus dem Tech-Bereich stammen. Osnat Michaeli und die Brüder Erez und Guy Galonska haben Infarm 2013 in Berlin gegründet. Ihre Mission: Die Städte der Zukunft ernähren und das unabhängig von Jahreszeiten oder Wetterextremen.
Was macht Infarm?
Infarm ist eine Lösung für das Urban Farming beziehungsweise das Vertical Farming. Das Start-up baut modulare Anbauschränke, die sich im Grunde überall aufstellen lassen.
Kräuter, Salate und andere Gemüse-Sorten wachsen auf verschiedenen Ebenen in den hohen durchsichtigen Schränken, die kleine High-Tech-Bauernhöfe sind. Sie überwachen digital und datengestützt die Temperatur, den PH-Wert und die Lichtqualität in ihrem Inneren. Dabei nutzen sie auch Machine Learning, um ihre Ergebnisse zu optimieren.
Die kleinen Mini-Bauernhöfe stehen in Lagerhallen, Restaurantküchen und Supermärkten – wo immer sich auch Platz für sie findet. So sollen die Lebensmittel vor allem dort angebaut werden, wo sie auch konsumiert werden: In den Großstädten, in die immer mehr Menschen ziehen.
Dort sind Flächen rar, was die Besonderheit von Vertical Farming ausmacht. Es schafft ganz neue Anbauflächen, indem es sie dort entstehen lässt, wo es sie noch nicht gibt: in der Höhe. Irgendwann kommen die Kartoffeln aus dem Hochhaus.
Was macht Infarm so besonders?
Infarm arbeitet an der Lösung von gleich zwei Problemen: einem kurzfristigem und einem langfristigen. Kurzfristig kommt der Trend zur nachhaltigen Ernährung an seine Grenzen. Deutsche Verbraucher wollen nachhaltig leben. Der Bio-Markt boomt entsprechend.
Viele der Verbraucher kaufen sich damit nicht nur bessere Lebensmittel, sondern auch ein gutes Gewissen. Das Bio-Siegel bürgt für ökologische Landwirtschaft ohne Gentechnik, chemische Pflanzenschutzmittel und mit artgerechter Haltung.
Doch wie nachhaltig und umweltfreundlich sind Lebensmittel wirklich, wenn sie Hunderte Kilometer weit per LKW in den Supermarkt transportiert werden? Das tun sie mittlerweile auch immer häufiger unter dem Bio-Siegel, weil deutsche Landwirte mit der Bio-Produktion nicht nachkommen.
An diesem Problem der weiten Lieferwege setzt das Start-up Infarm an, indem es den Gemüseanbau in der Großstadt ermöglicht.
Doch Nachhaltigkeit ist nur ein Aspekt des Urban Farming. Und: Es darf auch nicht mit dem Urban Gardening, dem eher spaßigen Tomatenzüchten auf dem Hochhausdach verwechselt werden.
Die Menschheit wächst und mit ihr ihr Nahrungsmittelbedarf. Forscher schätzen, dass wir schon 2050 nicht mehr genügend herkömmliche Ackerflächen zur Verfügung haben werden.
Urban und Vertical Farming sind also nicht nur zur privaten Versorgung der Anbauenden gedacht. Es soll durch die Schaffung neuer Anbauflächen ganz konkret große Bevölkerungen ernähren. In Zeiten von Dürren und Überschwemmungen nimmt die Problematik auch noch an Geschwindigkeit auf.
Diese innovative Zweigleisigkeit macht Infarm auch so interessant. Es bedient mit einer neuen Technologie einen Trend und es schafft eine langfristige und lösungsorientierte Perspektive auf ein globales Problem.
Und wer sich die kleinen Hightech-Bauernhöfe in Aktion ansieht, kriegt auch das nötige Science-Fiction-Feeling mit, das es zwar für ein gutes Start-up nicht zwingend braucht, das aber immer gut ist.
Gibt es Kritikpunkte?
Wie bei allen Start-ups, ist es fraglich, ob die Gründer ihr Geschäft auch betriebswirtschaftlich ordentlich aufsetzen können. Infarm beschäftigt heute rund 100 Mitarbeiter aus verschiedenen Disziplinen. Aktuell sind ungefähr 50 Farmen in Berlin und im Umland in Betrieb.
Das klingt im Vergleich zur Mitarbeiterzahl nicht besonders beeindruckend.
Die Ziele sind auch hoch gesteckt: 2019 sollen 1.000 Mini-Farmen in ganz Europa betrieben werden, was zeitlich knapp werden könnte. Dafür hat Infarm aber immerhin erst im Februar erfolgreich eine Finanzierungsrunde über 20 Millionen Euro abgeschlossen. Daumendrücken ist angesagt.
Fazit
Infarm ist ein hochspannendes Start-up, weil es derartig substantielle Probleme, wie das der Ernährung, mit neuen Technologien und Strategien angeht. Dass im Team Gartenbau-Spezialisten, Industriedesigner, Machine-Learning-Entwickler und Köche zusammenarbeiten, macht die Innovationskraft noch ein bisschen sichtbarer. Hier spürt man: Es entsteht etwas Neues und das ist wichtig für ein Start-up.