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TV-Kritik zu Happy [Staffel 1]: Mord und Totschlag – und ein blaues Einhorn

Wenn mir Netflix schreibt, dass da jetzt eine neue Serie am Start ist, in der ein gruseliger Weihnachtsmann ein Kind entführt und sich ein versoffener, drogenabhängiger Auftragskiller, der einst ein richtig guter, aber auch korrupter Cop war, zusammen mit dem imaginären Freund des entführten Mädchens — einem blauen Comic-Einhorn — auf den Weg macht, um dieses Kind zu retten, dann weiß ich, was ich zu tun hab: Ich klapp mein Notebook zu, stelle die Smartphones auf lautlos, hol mir ein kaltes Getränk und Knabberzeug aus der Küche, werfe mich erst in meine gemütlichste Rumlunger-Jogginghose und dann auf die Couch und bin für die nächsten knapp sechs Stunden für niemanden zu sprechen und verschmelze mit dem Sofa zu einer Einheit, weil ich mir jetzt aber sofort genau diese Serie anschauen muss und zwar komplett.

Okay, ich gebe zu, dass ich nach der kruden Info über diese erste Staffel von Happy zunächst überlegt habe, dass ich erst mal in eine Folge reinschnuppern werde, um mich zu vergewissern, dass mir die Umsetzung auch zusagt. Und was soll ich euch sagen: Ich habe diese erste Folge geschaut — und dann eben noch die anderen sieben hinterher!

Infos zur Serie

Die US-Serie namens Happy wurde in den USA Ende des letzten Jahres auf dem Sender Syfy ausgestrahlt. Für den Rest der Welt hat sich Netflix um die exklusiven Rechte bemüht und so kam es, dass Happy Ende April auch auf deutschen Mattscheiben durchstarten konnte. Die Serie basiert auf dem gleichnamigen, aus vier Ausgaben bestehenden Comic von Grant Morrison und die erste Staffel besteht aus acht Folgen, die allesamt zwischen 40 und 44 Minuten lang sind.

Verantwortlich für dieses abgedrehte und mitunter sehr blutige Krimi-Spektakel sind die Macher des Films „Crank“ und ja, das sieht man der Serie durchaus an. Empfohlen ist die Serie ab einem Alter von 16 Jahren und das ergibt auch durchaus Sinn bei diesem Cocktail aus brutaler Gewalt, Drogentrips und vulgärer Sprache.

Stilistisch haben wir es hier wieder mal mit einem äußerst bunten Genre-Mix zu tun. Krimi und Thriller treffen auf Drama und natürlich Comedy. Wer mit deftigen und blutigen Gewaltszenen keine Probleme hat und sich in diesem Szenario auch ein Comic-Einhorn vorstellen kann, dürfte bei „Happy“ genau richtig sein. Mich erinnert die Serie in seiner brutalen und abgedrehten Schrägheit ein wenig an die AMC-Serie Preacher, die in Deutschland bei Amazon Video ausgestrahlt wird. Stellt euch vielleicht einfach vor, dass Roger Rabbit und ein beliebiger Tarantino-Streifen eine rauschende Drogennacht miteinander verbringen und in dieser Nacht ein Baby zeugen. Dieses Baby heißt „Happy“!

Mittlerweile ist auch eine zweite Staffel bestätigt, die vermutlich noch in diesem Jahr in den USA starten wird, erneut auf Syfy. Wahrscheinlich müssen wir ab da wieder etwa ein halbes Jahr warten, so dass wir in Deutschland mit Staffel 2 also noch knapp ein Jahr Zeit haben.

Die Story

Nick Sax (gespielt von Christopher Meloni) ist ein ehemaliger Polizist und jetzt Auftragskiller. Nicht so die Art Auftragskiller, die im Designer-Anzug mit chirurgischer Präzision Bösewichte ausknipst, sondern eher der mittellose und versoffene Typ, der in einem dreckigen Loch haust, Drogen gegenüber nicht abgeneigt ist und ansonsten sich, die Welt und die komplette Menschheit hasst. Er ist sowas wie eine zum Leben erwachte, personifizierte Charles-Bukowski-Geschichte.

Zum Leben braucht Nick Sax nicht nur Aufträge und billigen Fusel, sondern auch eine gehörige Portion Zynismus. Er ist scheinbar ausgestattet mit einem Magneten, der Ärger jeglicher Art magisch anzieht. Okay, wenn man als Auftragskiller einfach mal vier Mafia-Söhne aus dem Leben ballert, muss man sich nicht wundern, wenn man die Mafia an den Hacken hat.

In der ersten Folge erwischt es Nick Sax selbst und es fehlt nicht viel und er hätte den Löffel abgegeben. Im Krankenhaus kommt er dann aber zu sich und so ziemlich das erste, was er sieht, ist ein fliegendes, blaues Cartoon-Einhorn. Okay, streng genommen ist es eigentlich eher ein Cartoon-Pferd, aber da kann man ja schon mal ein Auge zudrücken, nicht wahr?

Klar, dass Nick zunächst denkt, dass er jetzt plötzlich ziemlich was an der Murmel hat, aber Happy — genau, so heißt das Pferd/Einhorn — versucht ihm zeitig klar zu machen, dass es nicht nur in Nicks Fantasie existiert.

Happy ist nämlich ein imaginärer Freund der kleinen Hailey und in dieser Funktion sowas wie bester Freund und Schutzengel in Personalunion. Hailey wird in der ersten Folge von einem wirklich üblen Weihnachtsmann (oder besser gesagt: Einem Psychopathen in Weihnachts-Klamotten) entführt und in ihrer Verzweiflung schickt sie ihren imaginären Freund los, um ihren Vater zu Hilfe zu holen.

Sie kennt ihren Vater überhaupt nicht persönlich, weil sie nur bei der Mutter aufgewachsen ist und dieser Vater ist — ihr ahnt es — Nick Sax. In ihrer Fantasie ist er ein toller Cop und quasi sowas wie ein Held, für ihre Mutter ist er eher ein menschliches Wrack, von dem man die geliebte Tochter tunlichst so weit wie möglich fernhält. Nick Sax selbst weiß übrigens überhaupt nichts von seinem Glück. Ihr könnt euch also seine Begeisterung vorstellen, als er feststellt, dass er nicht nur plötzlich blaue Einhörner sieht, sondern auch Vater einer Tochter sein soll.

Die Story, auf einen einzigen Satz eingedampft, lautet also: Vater wird zusammen mit imaginärem Comic-Einhorn auf eine Rettungsmission geschickt, um die entführte Tochter (neben anderen Kindern) zu befreien. Ob das klappt und was sich sonst noch so in den acht Folgen abspielt, mag ich im Detail gar nicht erzählen — schließlich soll es ja noch Spannung und Überraschungsmomente für euch geben, wenn ich euch nach dem Lesen hier entscheidet, der Serie mal eine Chance zu geben.

Happy, Staffel 1: Mein persönliches Fazit

Kommen wir also zu meiner persönlichen Einschätzung dieses kruden Mixes aus Brutalität, plötzlichen Vaterfreuden und Weihnachtswunder. Zu letzterem denke ich übrigens, dass mir die Serie noch ein wenig besser gefallen hätte, wenn ich sie auch schon in der Weihnachtszeit geschaut hätte. Wenn ihr keine Eile habt, überlegt euch also vielleicht auch, ob ihr noch bis Dezember damit warten wollt.

Ich hatte meinen Spaß mit „Happy“ schon ab dem Beginn der allerersten Folge. Wenn ihr die Eröffnungsszene anschaut, werdet ihr vermutlich wissen, was ich meine — oder zumindest ein Gefühl dafür bekommen, was für ein kranker Scheiß mitten in mein Humor-Zentrum trifft 😉

Ich schätze Nick Sax mit seiner schrulligen, kauzigen Art, der mit unendlich viel Zynismus erträgt, dass ihn die ganze Welt für den größten Verlierer des Planeten hält. Aber auch die anderen Charaktere sind wirklich toll ausgearbeitet und gewinnen von Folge zu Folge mehr Profil. Hier und da macht die Logik schon mal eine klitzekleine Pause, aber ehrlich gesagt nehme ich einer Serie, die sich zum Glück selbst auch nicht zu ernst nimmt, das nicht übel.

Alles in „Happy“ ist so hoffnungslos überzeichnet, dass man die Serie auch wirklich nicht zu ernst nehmen sollte. Schiebt man diese absurden Gewaltorgien mal beiseite und all die Beschimpfungen und anderen Absurditäten, bleibt aber im Grunde eine schöne Weihnachtsgeschichte übrig, die eben mal Buddy-Movie und mal Gangster-Story ist und die eben die fast schon kitschige Message beinhaltet, dass eben doch in jedem von uns ein guter Kern steckt und dass am Ende das Gute eben doch siegt.

Wir leben gerade in Zeiten, in denen die Mitten scheinbar aufgelöst werden und es nur noch Extreme gibt: Ein TV-Star ist entweder Halbgott oder verabscheuungswürdig, Flüchtlinge sind entweder nur Wohltäter oder nur Terroristen und Fernsehserien sind eben entweder „Stranger Things“-mäßige Pflichtveranstaltungen oder der letzte Scheiß, den sich bitte niemand anschauen sollte. Kurz gesagt, es gibt nur noch Schwarz und Weiß und es wird kaum noch differenziert.

In diesem Fall sollten wir uns aber die Mühe ruhig machen und mal zulassen, dass eine TV-Serie eben nicht der größte Meilenstein der Nachkriegsgeschichte ist, aber eben auch alles andere als ein Fernseh-Debakel. „Happy“ macht richtig Spaß, ohne dass in jeder Szene das Rad neu erfunden wird. Die Charaktere sind oft stereotyp angelegt, auch wenn sie toll verkörpert werden (mein Favorit: der widerliche Schleimbolzen „Smoothie“), die Action-Szenen aber mitunter sehr originell.

Alles in allem funktioniert dieser schräge Genre-Mix für Menschen mit meinem Humor richtig gut, so dass Fans solcher absurden Mischungen und mit Faible für Tarantino-Filme absolut auf ihre Kosten kommen. „Happy“ gehört für mich jetzt nicht zwingend auf die „Drei Top-Serien, die Du gesehen haben musst, bevor Du stirbst“-Liste, aber es ist ein richtig gut gemachter, solider Action-Spaß, der mich über die kompletten acht Folgen bestens unterhalten hat. Ich werde jedenfalls bei Staffel 2 wieder dabei sein, so viel kann ich euch schon mal sagen.

Happy bei Netflix

Über den Autor

Ehemalige BASIC thinking Autoren

Dieses Posting wurde von einem Blogger geschrieben, der nicht mehr für BASIC thinking aktiv ist.