Wie verändert sich unser Genmaterial, wenn wir längere Zeit im Weltraum sind? Um diese Frage zu beantworten hat die NASA ein Zwillingsexperiment durchgeführt. Ein Bruder war ein Jahr lang im All, sein eineiiger Zwillingsbruder blieb auf der Erde. Die Ergebnisse zeigen: Raumfahrt könnte möglicherweise verjüngend wirken.
Ein Jahr lang war Scott Kelly auf der Internationalen Raumstation (ISS) während sein eineiiger Zwillingsbruder Mark auf der Erde blieb. Mit diesem weltweit einzigartigen Experiment wollte die NASA herausfinden, was mit unseren Genen bei langen Aufenthalten im Weltall passiert. Hat die NASA mit ihrer Zwillingsstudie möglicherweise einen unerwarteten Jungbrunnen aufgetan?
Studie in drei Akten
Die NASA-Zwillingsstudie erfolgte in drei Teilen:
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- Untersuchungen vor dem Weltraumaufenthalt
- Untersuchungen unmittelbar nach der Rückkehr
- Untersuchungen mit zeitlichem Abstand (diese Ergebnisse stehen noch aus und sollen dieses Jahr veröffentlicht werden)
Doch auch wenn die endgültigen Resultate aus allen drei Phasen zusammengenommen noch ausstehen, veröffentlichte die NASA jetzt schon vorläufige Ergebnisse.
Einige davon waren zu erwarten, wie etwa genetische Veränderungen, die im Weltraum auftraten und sich durch die Landung auf der Erde relativ schnell wieder relativierten. Dazu gehörte zum Beispiel die erhöhte Anzahl von Metaboliten (Substanzen, die beim Stoffwechsel umgesetzt werden).
Andere Ergebnisse waren überraschend. So stellten die Forscher fest, dass sich 7% des genetischen Ausdrucks von Scott Kellys DNA sich permanent verändert hatte.
Auch wenn DNA-Veränderungen im genetischen Verhalten im Weltraum aufgrund des schwerelosen Umfelds vorkommen, ist es erstaunlich, dass nur 93% wieder in den Ursprungszustand zurückfanden. Die Wissenschaftler schreiben das einem „Weltraum-Gen“ zu, das womöglich das Verhalten unserer Gene bei langfristigen Aufenthalten verändern kann. Wichtiger Fakt an dieser Stelle: Die Gene von Scott Kelly haben sich nicht verändert, er und sein Bruder sind immer noch eineiige Zwillinge.
All das wird jedoch von einem recht sensationellen Ergebnis der NASA-Zwillingsstudie in den Schatten gestellt: Es könnte sein, dass die Raumfahrt Menschen verjüngt.
Die „Schnürsenkelkappen“, die Leben verlängern
Die Untersuchungen unmittelbar nach der Landung von Scott Kelly ergaben nämlich, dass seine Telomere länger waren als vor seinem Aufenthalt im Weltall.
Telomere sind so etwas wie die Deckel, die unsere Chromosomen schützen. Man kann sie sich in etwa so vorstellen wie die Plastikkappe an Schuhsenkeln. Diese Enden schützen unsere genetische Information. Normalerweise werden Telomere kürzer, je älter ein Mensch wird.
Der Wissenschaftler Richard Cawthon der Universität Utah hat in mehreren Studien herausgefunden, dass Menschen mit längeren Telomeren länger leben. Alte Menschen oder Menschen mit Krebs haben besonders kurze Telomere.
Generell ist es aber so, dass Telomere bei jedem von uns irgendwann so kurz werden, dass die Zelle stirbt. Es wird daher vermutet, dass die Länge dieser Telomere direkt mit der Länge unseres Lebens zu tun hat. Forscher versuchen daher schon seit Jahren herauszufinden, ob und wie man Telomere verlängern kann.
Könnten die gewachsenen Telomere von Astronaut Scott Kelly eine Antwort sein? Könnten wir so einfach in den Weltraum reisen und verjüngt zur Erde zurückkommen und uns damit ein längeres Leben ermöglichen?
Wenn der Wunsch der Vater des Gedankens ist …
Nein!
So klar muss man es sagen. Denn die Untersuchungen an Scott Kelly zeigen auch: Die Telomere schrumpften schon 48 Stunden nach der Landung auf der Erde wieder in ihren Normalzustand. Einmal zum Mars und zurück fliegen und damit das eigene Leben verlängern funktioniert also nicht.
Doch was wäre, wenn wir ins All reisten und nie mehr zur Erde zurückkehrten? Würden unsere Telomere weiter und weiter wachsen? Könnten wir dadurch quasi unsterblich oder zumindest seeeeeehr alt werden, solange wir einfach im All bleiben?
Das lässt sich natürlich nicht mit wissenschaftlicher Ernsthaftigkeit beantworten. Niemand war bisher so lange im All. Und wo und wie würden wir so lange im Weltall überleben? Hinzu kommt, dass der Aufenthalt im Weltraum auch andere, nicht ganz so förderliche Prozesse in unserem Körper auslöst, die unsere Lebensdauer langfristig negativ beeinflussen würden. Wer weiß schon, wie sich das ausbalancieren würde.
Der Weltraum als Jungbrunnen ist also bisher nur ein fiktives Gedankenexperiment – aber ein ziemlich cooles, oder?