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Wie das Social Network „Eight“ japanische Business-Kultur auf’s Smartphone bringt

geschrieben von Nicole Scott

LinkedIn ist das führende Business-Netzwerk der Welt. Oder? In Japan setzt sich seit einigen Jahren mit „Eight“ ein B2B-Social-Network mit Mobile-DNA durch, das die Anforderungen eines CRM-Systems und eines Business-Social-Networks verbinden möchte. Unser Gastautor Björn Eichstädt, Kommunikationsagenturgeschäftsführer, der seit 2013 auch das Japangeschäft seiner Agentur aufbaut, hat die App seit 2016 im Einsatz und nun für Mobilegeeks auch mit dem CEO von Sansan, der Firma hinter „Eight“, gesprochen.


Business-Kontakte in Japan sind seit einigen Jahren immens wichtig für mich, seit ich nach einigen privaten Reisen ins Land der aufgehenden Sonne beschlossen habe, für Storymaker auch Geschäft mit japanischen Partnern und Unternehmen aufzubauen. Stapel von Visitenkarten liegen bei jeder Reise auf meinem Hotelzimmertisch. Und die Übertragung in verschiedene digitale Kontaktnetzwerke kostet mich zu viel Zeit. Suchen, Kontakte abgleichen, lateinisch oder japanisch geschriebene Namen finden.

Von Anfang merkte ich dabei, dass der klassische digitale Kontakt über LinkedIn in Japan ins Leere läuft. Fast niemand in der Geschäftswelt nutzt das amerikanische Netzwerk. Facebook ist auch im Business deutlich verbreiteter und der Messenger LINE (analog zu WhatsApp) ebenfalls eine Option, falls man nicht für jede Interaktion auf die klassische Email setzen will. Doch irgendwie blieb eine Leerstelle. Bis ich 2016 von einem Start-up-Kontakt in Osaka auf „Eight“ aufmerksam gemacht wurde. Und als erstes fiel mir ein verrücktes Werbevideo auf YouTube auf:

„Eight“ ist ein Business-Netzwerk der etwas anderen Art, welches als Anwendung für Android und iOS verfügbar ist. Das Raffinierte an der App ist, dass sie die japanische Art des Netzwerkens – nämlich die starke Fokussierung auf die Visitenkarte als Identitätsnachweis und Kontakt-Tool – in ihrer DNA trägt. Wer „Eight“ nutzt, der sieht zunächst eine große +-Taste als zentrales Element in der App. Wenn man diese drückt, öffnet sich die Kamera. Und nun fotografiert man die Visitenkarte. Im Anschluss führt eine Zusammenarbeit von AI und händischer (!) Erfassung – wegen der japanischen Qualitätsansprüche – zur Erfassung der Daten. Diese werden in der App hinterlegt, so dass ich alle Informationen meiner eingesammelten Visitenkarten direkt als Adressbuch zur Verfügung habe.

So weit, so scheinbar banal. Doch gleichzeitig werde ich mit der Person, deren Visitenkarte ich entgegengenommen habe, direkt in „Eight“ verknüpft, so dass ich wie in Social Networks Messages austauschen oder Inhalte in eine Timeline posten kann. XING mit kompletter Datenerfassung und Visitenkartenbesitz als Verifizierung sozusagen – eine automatische Verknüpfung stellt „Eight“ her. Das wäre in Deutschland eigentlich auch sehr praktisch, denn auch hier bekomme ich noch immer viele Visitenkarten.

Bis vor kurzem war „Eight“ noch etwas für Japaner oder echte Insider. Die App war lange nur auf Japanisch verfügbar, und man brauchte schon großen Willen und Affinität zum japanischen Markt, um sich das als Ausländer anzutun. Die Situation hat sich jetzt jedoch geändert, denn Ende 2017 ist „Eight“ auch in einem englischsprachigen Markt an den Start gegangen. In Indien erwartet sich das Netzwerk einiges an Kundenpotential – und um dieses zu erreichen, wurde „Eight“ ins Englisch übersetzt. Seither hat sich auch meine Nutzung noch einmal deutlich verstärkt. Ein Grund, einmal bei Chika Terada, CEO von Sansan, der Firma hinter „Eight“ nachzufragen.

Eichstädt: Wie ist es eigentlich zu der Idee für „Eight“ gekommen?

Terada: Wir haben „Eight“ 2012 gelauncht. Da Visitenkarten eine riesige Rolle im japanischen Business spielen, hat mich die einfachere Interaktion mit Kontakten auf dieser Basis sehr gereizt. Japanische Geschäftsleute verbringen viel Zeit mit der Organisation haptischer Visitenkarten, das wollten wir durch eine digitale Lösung vereinfachen.

Eichstädt: Sansan, die Firma hinter „Eight“ besteht schon seit 2007 – eine auf CRM fokussierte Hard- und Software-Lösung gleichen Namens (Sansan) für den Umgang mit Visitenkarten innerhalb von Firmen.

Welchen Einfluss hatte diese inhaltliche Basis auf „Eight“?

Terada: Wir haben die komplette Technologie hinter „Eight“ mit Sansan entwickelt. Deshalb lag der Fokus schon immer auf dem perfekten Umgang mit Visitenkarten und den daraus abgeleiteten Daten. In unserem DSOC (Data Strategy & Operation Center) haben wir den Daten-Input aus den Visitenkarten über die Jahre optimiert. Als wir damals anfingen, waren die existierenden Systeme sehr fehleranfällig und Nutzer mussten Zeichen händisch korrigieren. Das hat natürlich die Arbeit nicht wirklich erleichtert. Deshalb haben wir am Anfang Menschen eingesetzt, die die Fotos der Visitenkarten abgetippt und auch korrekturgelesen haben.

Parallel dazu haben wir die Automatisierung vorangetrieben. Die perfekte Qualität hat dazu geführt, dass Sansan in den Unternehmen akzeptiert wurde – und als Basis für „Eight“ dann eine sehr gute Technologie zur Verfügung stand. Heute werden hunderte von Millionen Visitenkarten pro Jahr über unser System gescannt. Die Menge der Nutzer hat uns bei der Automatisierung sehr geholfen, so dass inzwischen das meiste über eine AI funktioniert. Alleine „Eight“ hat in Japan inzwischen 2 Millionen Nutzer – LinkedIn beispielsweise nur etwa die Hälfte.

Eichstädt: Wie unterscheidet sich „Eight“ den hier von LinkedIn. Warum wird LinkedIn in Japan nicht so gut angenommen?

Terada: LinkedIn wird in Japan eher als Plattform für den Jobwechsel empfunden. Wenn man sich also bei LinkedIn anmeldet, dann bedeutet das für viele: ich suche einen Job. Auch die Lebenslauf-Kultur ist in Japan anders, weshalb die Lokalisierung schwierig ist. Die Selbstpromotion liegt den Japanern außerdem nicht so – einer der großen Vorteile von LinkedIn. Bei „Eight“ ist der Nutzen unmittelbar. Ich werde direkt verknüpft mit der Person, mit der ich soeben eine Visitenkarte ausgetauscht habe. Wenn diese noch nicht Teil von „Eight“ ist, bekommt die Person eine Einladung ins Netzwerk. Und wenn sie diese nicht annimmt, habe ich die Adresse trotzdem in „Eight“ und kann die App für diese Person einfach als Adressbuch nutzen.

Eichstädt: Vor kurzem ist Sansan mit „Eight“ auch in Indien an den Start gegangen. Ist also noch mehr Potenzial im digital-analogen Visitenkarten-Netzwerken?

Terada: Auf jeden Fall. Wo immer Business betrieben wird auf der Welt, gibt es Visitenkarten. Es ist vielleicht nicht überall mit so speziellen Bedeutungen aufgeladen wie bei uns in Japan, es geht aber doch immer um den Austausch von Geschäftskontakten. Wir visieren für Indien erstmal etwa eine Million User an – dann werden wir auch andere Produkte in den Markt bringen.

Eichstädt: Wie sieht es mit Europa oder den USA aus?

Terada: Erstmal haben wir genug mit Indien zu tun.

Eichstädt: Man kann die App ja trotzdem nutzen 😉 Danke für das Gespräch!

[appbox googleplay screenshots net.eightapp]

Björn Eichstädt ist geschäftsführender Gesellschafter bei Storymaker, einer auf PR und Digitalkommunikation spezialisierten Agentur für Technologieunternehmen. Er selbst hat sich vor allem auf Themen rund um Digitalisierung, Tech und Japan spezialisiert

Über den Autor

Nicole Scott

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