Die Social-Media-Kampagne der polnischen Regierung unter dem Hashtag #GermanDeathCamps sorgt für viel Wirbel im Netz. Hintergrund ist nicht nur das fragwürdige Video zum „Holocaust-Gesetz“ selbst, sondern auch die Art und Weise wie die Regierung den Clip über die sozialen Netzwerke verbreitet.
„Hat sonst noch jemand diese geschmacklose Werbung auf Youtube gesehen?“, fragt ein User auf Reddit leicht verstört und meint damit dieses Video.
Das steckt hinter dem Hashtag #GermanDeathCamps
Was aussieht wie eine Werbung für ein Videospiel ist in Wirklichkeit eine Kampagne der polnischen Regierung, namentlich der PiS-Partei (Prawo i Sprawiedliwość, was übersetzt „Recht und Gerechtigkeit“ bedeutet). Mit der Kampagne unter dem Hashtag #GermanDeathCamps macht die polnische Regierung auf das neue „Holocaust-Gesetz“ aufmerksam.
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Das Gesetz heißt eigentlich „Gesetz über das Institut für nationales Gedenken“ und soll verhindern, dass der „gute Name Polens in der Welt beschädigt“ wird.
Unter anderem darf man sich in Polen demnach nicht mehr positiv über ukrainische Nationalisten äußern und – das ist der Teil der international für besonders viel Aufregung sorgt – niemand darf mehr von „polnischen Konzentrationslagern“ sprechen.
Stattdessen muss immer von „deutschen Todeslagern“, also „German death camps“, die Rede sein. Wer dagegen verstößt, kann eine Geldstrafe und sogar bis zu drei Jahren Haftstrafe erhalten.
Tatsächlich ist es historisch korrekt, die Konzentrationslager als deutsche Konzentrationslager auf polnischem Gebiet zu bezeichnen. Dennoch kritisieren viele das Gesetz, weil es dazu führe, dass Polen seine Verantwortung an der Misshandlung und Tötung der Juden im eigenen Land während des Zweiten Weltkriegs abstreite. Denn auch in Polen gab es Menschen, die sich an den Gräueltaten der Nazis beteiligt haben – wenn auch unter Nazi-Besetzung.
Dennoch, das auszuklammern sei nicht nur historisch fragwürdig, sondern verhindere vor allem einen offenen Diskurs über das Thema, kritisieren Geschichtswissenschaftler. Das Gesetz hat bereits zu einem diplomatischen Eklat zwischen Polen und Israel geführt.
Erstaunlich hohe Engagement-Zahlen: Wurde nachgeholfen?
Das aktuelle Video unter dem Hashtag #GermanDeathCamps gießt dementsprechend weiter Öl ins Feuer. Das liegt nicht nur an dem provokanten Clip, sondern auch an der Art und Weise, wie die polnische Regierung ihn im Netz verbreitet.
Denn in nur wenigen Tagen hat das Video auf Youtube über 12 Millionen Views erreicht. Auch der polnische Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki postete den Clip über seinen Twitter-Account. Dort zählt er aktuell beinahe 300 Likes und mehr als 200 Retweets. Das Video selbst wurde dort über 91.000 Mal angeschaut.
Today, we are still on the side of truth #GermanDeathCamps pic.twitter.com/wodKNoDW0O
— Chancellery of the Prime Minister of Poland (@PremierRP_en) February 8, 2018
Das sind erstaunlich hohe Engagement-Zahlen, sowohl bei Youtube als auch bei Twitter. Der Account des Ministerpräsidenten erhält nämlich durchschnittlich pro Post weniger als 50 Likes und Retweets. Auch bei Youtube sind 12 Millionen Views nach einer Woche erstaunlich viel, vor allem für einen Kanal mit nur knapp 11.000 Abonnenten. Das legt den Verdacht nahe, dass nachgeholfen wurde. Einige Journalisten berichten, dass sie den Clip bei Youtube als Werbeclip automatisch gezeigt bekommen haben.
Es spricht in der Tat einiges dafür, dass die polnische Regierung in Werbung für das Video investiert hat. Nicht nur der Werbeclip auf Youtube ist dafür ein Indiz. So berichtet die israelische Zeitung Haaretz, dass die Kampagne als Sponsored Content bei Twitter, Facebook und Google erschienen sei.
Motherboard hat nachgerechnet, dass man für 12 Millionen Views in sieben Tagen (das sind 1,7 Millionen Views pro Tag) bei Google Ad Words ein Tagesbudget von 20.000 Euro bräuchte. Eine wochenlange Werbekampagne würde demnach rund 140.000 Euro kosten.
„Reine Spekulation“
Marketingexperte Thomas Hutter will sich an solchen Mutmaßungen nicht beteiligen. Welche Mittel die polnische Regierung eingesetzt habe, könne man nicht mit eindeutiger Sicherheit sagen, erklärt er gegenüber BASIC thinking:
Ob das Video mit Werbung oder gekauften Likes, beziehungsweise Views eine entsprechende Reichweite erzielte, ist reine Spekulation und kann nicht nachgewiesen werden. Meiner Meinung nach kann eine solche Reichweite problemlos mit einem provokativen Video erreicht werden, ohne dass künstlich nachgeholfen werden muss.
Mit anderen Worten: Es wäre nicht das erste Mal, dass ein derart provokantes Video viral geht, ohne dass künstlich nachgeholfen wurde. Dass es der polnischen Regierung darum ging, mit dem Video viel Aufsehen zu erregen, ist aber anzunehmen.
Ist diese Art von politischer Propaganda okay?
Die Reaktionen im Netz zur Kampagne reichen dementsprechend von geschockt bis sauer. Viele fragen sich: Wie kann es eigentlich sein, dass solche Art von stimmungsmachender, politischer Propaganda von Facebook, Youtube und Google problemlos zugelassen wird?
Weil es sicherlich grenzwertig ist, aber keine legale Grenze überschreitet. Es werde in dem Video nichts gesagt oder gezeigt, das etwa den Tatbestand „Volksverhetzung oder Rassismus“ erfülle, sagt Thomas Hutter: „Ob das ‚besetzte‘ Polen seine Rolle verleugnet, beziehungsweise bei einer Besetzung eine Wahl hatte, müssten aber wahrscheinlich Historiker beurteilen.“
Ob diese wichtige Debatte aber mit dem aktuellen Gesetz in Polen noch stattfinden kann, ist zu bezweifeln. Was haltet ihr von der Kampagne und dem Videoclip?