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Interview: Christoph Rottensteiner (Firstbeat) über intelligente Daten im Fußball

Interview: Christoph Rottensteiner (Firstbeat) über intelligente Daten im Fußball
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geschrieben von Philipp Ostsieker

Christoph Rottensteiner ist promovierter Sportwissenschaftler und hat seit 2014 die Leitung für den deutschsprachigen Raum des finnischen Unternehmens Firstbeat über. Im Interview erklärt er, warum professionelle Datenerfassung oftmals Basis aber keine Garantie für Erfolg im Fußball ist. Und wo die großen Unterschiede zwischen der Premier League und der Bundesliga in diesem Bereich liegen.

Dr. Christoph Rottensteiner, Country Manager DACH Firstbeat

Christoph Rottensteiner ist bei der Konferenz „Big Data im Fußball“ am 23. März in Graz als Speaker zu Gast. Das Thema seines Vortrages lautet „Fittere Spieler, bessere Mannschaft: Belastungs- und Regenerationsmanagement auf höchster Ebene“. Tickets für die Konferenz gibt es unter www.fussball-business.com/tickets.

Hier bekommt ihr 60 Euro Rabatt auf ein Standard-Ticket. Gebt dafür einfach den Rabattcode „BigDataErmaessigt“ ein.

Thomas Maurer: Können es sich Klubs heutzutage überhaupt noch leisten keine Gesundheitsdaten zu sammeln?


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Christoph Rottensteiner: Eines ist klar, die Spieler sind der Kern des Klubs und nur ein gesunder Kader kann im Lauf der Saison aus den Vollen schöpfen. Das entscheidende Werkzeug jedes einzelnen Spielers, um überhaupt spielen zu können, ist dabei sein Körper und der sollte natürlich so gut wie möglich funktionieren, um dem Leistungsanspruch gerecht zu werden und mit den Belastungen umgehen zu können.

Nur mit den besten Werkzeugen kann ein Handwerker herausragende Arbeit leisten und entsprechend muss er sich um sein Werkzeug kümmern, um im Geschäft zu bleiben. Diese Analogie lässt sich weiter vertiefen, aber es läuft immer wieder darauf hinaus, dass Gesundheitsdaten es erst ermöglichen, sich auf die richtige Art und Weise um seine Spieler zu kümmern, wenn es um Fitness, Regeneration und Spielbereitschaft geht.

Vor allem aber, wenn ich an die Belastungsumfänge der modernen Fußballligen denke, würde ich ganz klar untermauern, dass die Erhebung und Nutzung physiologischer Daten, in welcher Weise auch immer, für Klubs heutzutage unerlässlich sind.

Wie werden aus Rohdaten intelligente Daten?

Welchen konkreten Nutzen können Gesundheitsdaten bieten? Weniger Verletzte, schnellere Rehabilitation?

Die Verletzungsstatistik der Teams ist ein entscheidender Punkt für die Notwendigkeit von physiologischen Daten. Physiologisch erfasste Daten bezüglich Belastung und Entlastung spielen nicht nur im Bereich der Verletzungsprävention eine unglaublich wichtige Rolle, sie sind auch bei der Rehabilitation von Spielern unumgänglich.

In solch einer Phase kommen dann auch klassische Belastungsdaten hinzu, die beispielsweise mit diversen Belastungszielen pro Trainingseinheit gesetzt und über ein Belastungsmonitoring kontrolliert und eingehalten werden können. Da gehen die Implikationen dann klar über die Wiedereingliederung verletzter Spieler hinaus.

Gerade im Bereich der Spielerentwicklung und der optimierten Belastung der Spieler haben Gesundheitsdaten einen sehr hohen Stellenwert. In der Kombination sorgen Belastungs- und Regenerationsdaten dann für ein Gesamtbild, mit dem über die gesamte Saison hinweg auf einem hohen Leistungsniveau mit vermindertem Verletzungsrisiko gespielt werden kann.

Teams in der Premier League haben ganz andere Ressourcen was vor allem den Trainerstab und die
Organisation betrifft, da hinken auch einige Vereine der deutschen Bundesliga stark hinterher.

Wie Firstbeat intelligente Daten ermittelt

Sammeln ist ja das eine, auswerten und nutzen das andere. Wie schwierig ist es, Rohdaten in
intelligente Daten zu verwandeln?

Da stimme ich vollkommen zu, das Aufzeichnen von Daten hat in den letzten Jahren immer mehr an Beliebtheit gewonnen. Das große Fragezeichen nach einer hoffentlich validen und akkuraten Datenerfassung steht dann in der Verarbeitung und Anwendung der Daten. Oft geht die Begeisterung nach den Aufzeichnungen aufgrund einer riesigen Datenflut schnell verloren und die praktische Umsetzung erstellt sich als enorm schwierig dar.

Vor allem Rohdaten stellen häufig eine Herausforderung dar und will man mit einer Excel-Tabelle da etwas ausrichten, muss man viel Zeit in die Hand nehmen und vor allem auch statistische Fähigkeiten besitzen. Moderne Systeme sollten heutzutage im Grunde voll automatisiert arbeiten. Firstbeat hat eine Echtzeitanalyse, die visuell sehr aussagekräftig die entsprechenden Informationen für das Trainerteam sofort bereitstellt.

In der Nachbereitung arbeiten wir mit detaillierten und aussagekräftigen Grafiken und Darstellungen, die die Arbeit mit den Daten vereinfacht und auch Nicht-Sportwissenschaftler oder -Mediziner mit wertvollen Informationen auf einfache Art und Weise versorgt. Wer weiter ins Detail gehen oder auf bestimmte Variablen hinauswill, kann über den Datenexport die Rohdaten bekommen und weiterverarbeiten.

Auch für längerfristige Analysen gibt es mittlerweile automatisierte Vorgänge und Services. So hat Firstbeat vor kurzem die „Player Status Analysis“ vorgestellt, eine Analyse kurz- und mittelfristiger Belastungs- und Regenerationsdaten, die ein aktuelles Bild des individuellen Spielerstatus‘ erlaubt. So etwas selbst durchzuführen würde extrem viel Zeit in Anspruch nehmen.

In welchen Bereichen haben Fußballklubs heutzutage noch Nachholbedarf?

Der Fokus im Fußball liegt noch sehr häufig auf der rein externen Belastungsüberwachung – da GPS- Daten wie z.B. Geschwindigkeit, Distanz, oder die Anzahl von Sprints für viele Trainer relativ einfach zu interpretieren sind. Die Betrachtung der internen Belastung über die Herzfrequenzanalyse nimmt zwar immer mehr an Bedeutung zu, doch im Fußball ist der Wunsch nach GPS-Daten einfach extrem stark verankert.

Ich glaube, entscheidend ist vor allem, dass sich Trainer bei dem Einsatz von Monitoring-Tools mehr bewusst sein müssen, dass oft nur ein gewisser Teil des Gesamtprofils eines Spielers abdeckt wird. In anderen Worten, Monitoring geht von der subjektiven Rückmeldung der Spieler, externen und internen Belastungsdaten bis hin zu biomedizinischen Maßnahmen hinaus und hat leider auch keine Garantie, dass bei bestmöglicher Umsetzung am Spieltag der Erfolg garantiert ist.

Wo steht die Bundesliga?

Firstbeat betreut Klubs aus aller Welt in unterschiedlichsten Sportarten – wo und in welchen Sportarten ist man in dieser Hinsicht am weitesten? Gibt es beispielsweise große Unterschiede zwischen der Premier League und der Bundesliga oder auch der deutschen Bundesliga und der österreichischen Bundesliga?

Diese Unterschiede sind wirklich eklatant! Unsere Teams in der Premier League haben einfach ganz andere Ressourcen was vor allem den Trainerstab und die Organisation betrifft, da hinken auch einige Vereine der deutschen Bundesliga stark hinterher, von Österreich möchte ich da gar nicht sprechen. Es fängt schon bei der logistischen Aushändigungen der Hardware bis hin zur Benutzung der Software an.

In England ist es Standard, dass diverse Statistiker im Trainerstab für die Datenerfassung und -verarbeitung verantwortlich sind. Diese Coaches gehören zum Trainerstab, stehen jedoch nie vor der Mannschaft um diverse Übungen abzuhalten. Sie fungieren als Datenlieferanten für die jeweilige Abteilung, bei uns wäre dies das Team rund um den Head of Performance.

Nur einige Vereine in Deutschland können diesen Luxus abrufen. Des Weiteren ist die Expertisen-Verteilung in vielen deutschsprachigen Vereinen oft durch den Cheftrainer stark gesteuert. Ausgebildete Sportwissenschaftler bekommen nicht das Vertrauen bzw. den nötigen Zuspruch, ihr Vorstellungen der Leistungs- und Regenerationssteuerung umzusetzen. Dies bedeutet konkret, dass trotz diverser Leistungsdaten, Intensitäten, Umfänge und Ruhephasen oft vom Cheftrainer vorgegeben werden und daher nicht die optimale Reizentwicklung zwischen Belastung und Entlastung stattfindet.

Trotz diverser Leistungsdaten werden Intensitäten, Umfänge und Ruhephasen oft vom Cheftrainer
vorgegeben, daher findet nicht die optimale Reizentwicklung zwischen Belastung und Entlastung
statt.

Welche Rolle spielen Wearables?

Welche gravierenden Fehler kann man bei der Erhebung und der Auswertung von Daten machen und wie können diese vermieden werden?

Für uns steht ganz klar die Objektivität, Reliabilität, Validität der Datenerfassung, Aufarbeitung und Analyse im Vordergrund. Wenn keine wissenschaftliche Basis dahinter steht, die von externen Forschungseinrichtungen evaluiert wurde, dann sollten große Fragezeichen hinter den Werten stehen. Außerdem sollte man sich immer wieder daran erinnern, nur das zu messen, was man auch wirklich versteht, interpretieren, nutzen und in weiterer Folge auch anwenden kann.

Einzelwerte sollten nie zu stark in den Vordergrund gerückt werden, vielmehr sollte auf die chronische Entwicklung und diverse Abweichungen geachtet werden. Entscheidend ist, dass sich Trainer und Spieler bewusst sind, dass Daten extrem hilfreich und unterstützend dienen können, jedoch keine Garantie für den Ausgang eines Spieles bereitstellen.

Wird auch im Gesundheits- und Trackingbereich bereits AI eingesetzt und wenn ja, wie?

Wie in den meisten Bereichen macht die professionelle Entwicklung nicht vor den Konsumenten halt und so sind Wearables wie Sportuhren, Fitnesstracker und so weiter seit einigen Jahren im Trend. Dabei werden die Analysen der Wearables immer elaborierter.

Firstbeat selbst liefert zahlreiche physiologische Analysen für diese Geräte, doch auch beispielsweise unser Lifestyle Assessment ist ein gutes Beispiel für die Nutzung von Gesundheitsdaten außerhalb des professionellen Sport-Bereichs: Die Teilnehmer am Assessment tragen dabei für drei Tage ein HRV-Messgerät, welches jeden Herzschlag aufzeichnet. Die Analyse zeigt dann individuelle Stressoren, Schlafqualität und den Effekt physiologischer Aktivität auf die Gesundheit und Fitness. Also die Spannweite von einfachen Fitnesstrackern bis hin zu Langzeitmessungen für den privaten und BGM-Bereich sind sehr vielfältig und werden in den kommenden Jahres auch weiter an Bedeutung gewinnen.

Mehr über Christoph Rottensteiner erfahrt ihr hier.

Über den Autor

Philipp Ostsieker

Philipp Ostsieker ist Medien- und Digitalmanager aus Hamburg. Neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als selbstständiger Digital Content Strategist schreibt Philipp für BASIC thinking die Kolumne „Matchplan“, in der er über den Tellerrand blickt und durch die innovativen Ideen der Sportbranche führt.