Normalerweise entlocken mir Kooperationsankündigen zwischen einem Unternehmen und einem Startup allenfalls ein Gähnen. Zu oft habe ich es erlebt, dass Konzerne versuchen, sich über eine solche Partnerschaft ein Anschein von „Coolness“ und „Fortschrittlichkeit“ zu verpassen und ihr verstaubtes Image aufzupolieren. Ebenso oft folgen großen Ankündigungen keine Taten, weil der jeweilige Konzern dann z.B. doch zu groß und zu träge für das agile Startup ist.
Als Volkswagen zur CES in Las Vegas seine Partnerschaft mit dem Silicion Valley Startup Aurora Innovation angekündigt hat war ich naturgemäß erstmal wieder skeptisch. Aurora hat sich auf die Entwicklung von Self-Driving-Systems (SDS) spezialisiert. Dennoch bin ich der Einladung von VW nach Las Vegas gerne gefolgt und wollte mir einen Eindruck der treibenden Kräfte dieser Partnerschaft verschaffen. Immerhin lautet das Credo, dass man bei Volkswagen – passend zum Namen – selbstfahrende Fahrzeuge für die breite Masse verfügbar machen möchte.
VW hatte bereits im Vorfeld in seinem Zukunftsprogramm „Together Strategie 2025“ das ehrgeizige Ziel vorgegeben, bei der Entwicklung eines Self-Driving-Systems (SDS) weltweit führend zu sein.
In den Top 10 der weltweit führenden Unternehmen für Autonome Autos befinden sich sechs Unternehmen aus Deutschland. Volkswagen ist über die Konzerntochter Audi bereits bei HERE Technologies involviert und gab erst vor wenigen Wochen bekannt, dass man auch mit Google zusammenarbeiten werde.
Man könnte sich jetzt fragen wie eine Partnerschaft mit einem gerade mal ein Jahr altem Start-Up denn nun helfen soll. Das erschließt sich bei einem Blick hinter die Kulissen: Schaut man sich die Führungsriege von Aurora Innovation etwas genauer an, dann ahnt man, warum dies vielleicht doch eine besondere Partnerschaft werden könnte.
Die drei Gründer von Aurora Innovation sind nämlich alte Hasen im Bereich der SDS. Chris Urmson (1 v.r.) ist einer der Gründungsväter der autonomen Fahrzeugambitionen von Google. Sterling Anderson (Mitte) hat bei Tesla das Autopilot Projekt geleitet. Drew Bagnell (nicht auf dem Bild) war einer der Manager des Autonomie Teams bei dem Mobilitästdienstleister Uber.
Damit eine solche Partnerschaft auch erfolgreich sein kann muss natürlich auch die Schnittstelle zu dem StartUp passen. Auf der Seite von Volkswagen ist diese Schnitstelle Johann Jungwirth (1.v.links), besser bekannt unter seinen Spitznamen JJ. Jungwirth ist Chief Digital Officer des Volkswagen Konzerns, bevor er zu VW kam hat er unter anderem bei Apple als Direktor für die Gruppe „spezielle Projekte“ verantwortlich, worunter wohl die Entwicklung eines autonomen Autos gefallen ist wenn man der Gerüchteküche glauben schenken mag.
In seiner Keynote erläuterte Jungwirth seine Version für diese Partnerschaft erkläutert und mit einer geführten VR-Demo vorgeführt.
Die Vision sei, eine „Mobilität für alle, auf Knopfdruck“ zu schaffen. Dies bedeutet, dass eine Mobilität für alle Menschen auf der ganzen Welt realisiert werden soll –
also eine individuelle Mobilität für Kinder, Ältere, oder eben auch für Kranke und Blinde.
Damit so eine Vision zur Realität werden kann muss die Self-Driving-System-Technologie zum Herzstück der Fahrzeuge der Zukunft werden. Mit der Partnerschaft sichert sich VW den Zugang zu einem erfahren und weltweit führenden Entwicklerteam von Hard- und Software für fahrerlose Fahrzeuge und Mobilitätsdienstleistungen.
In den letzten sechs Monaten haben die Ingenieure von VW bereits eng und intensiv mit den Experten von Aurora zusammengearbeitet um die Aurora SDS-Technologie in die Konzernplattform zu integrieren. Für mich überraschend ist, dass die Aurora-Technologie bereits in den MOIA-Fahrzeugen verbaut wurde, die schon bald in Hamburg zum Einsatz kommen sollen.
Podiumsdiskussion
In der anschließenden Podiumsdisskusion haben JJ, Urmson und Anderson dann einen vertiefenden Einblick in die Entstehung und Ziele der Partnerschaft gegeben.
Imponiert hat mir die Offenheit aller Beteiligten. So ist man sich auf beiden Seiten darüber bewusst, dass der Markt sehr umkämpft und schwierig ist. Aber anders als von mir ursprünglich befürchtet scheint es sich bei dieser Partnerschaft nicht um eine „Scheinehe“ zu handeln – vielmehr ist sie Ausdruck der Risikobereitschaft, einen neuen Ansatz zu gehen.
Anders als bei den etablierten Zulieferen der Automobilbranche möchte man bei Aurora nicht auf Lösungen zurückgreifen, die in langen Entwicklungszyklen über in den vergangenen Jahren entstanden sind. Viel mehr arbeitet man an eigener Soft- und Hardware, die auf Technologien basiert, in denen in der Vergangenheit große Entwicklungssprünge vollzogen wurde. Dabei konzentriert man sich vor allem auf Machine Learning, Neuronale Netzwerke und „Künstliche Intelligenz“. Auf Seiten von Aurora hält man sich gar nicht erst mit Technologie für Level 2 oder Level 3 auf, sondern peilt direkt Level 4 und Level 5 – also echtes vollautonomes Fahren – an.
Das an die Podiumsdisskusion anschließende gemeinsame Abendessen konnte ich dazu nutzen, mich mit JJ lange über das Thema selbstfahrende Autos und vor allem über seine Vorstellung von Volkswagen als Mobility-as-a-Service Anbieter zu unterhalten. Aufgefallen ist mir dabei vor allem, dass er ein Mensch ist, der in diesem Thema seine Berufung gefunden hat und das ebenso leidenschaftlich wie authentisch transportiert. Natürlich wird VW nicht sein gesamtes Schicksal im Bereich der selbstfahrenden Autos an die Partnerschaft mit Aurora hängen. Aber, und das ist das Besondere: Man gibt der Kooperation die Chance, zu einer großen StartupErfolgsstory zu werden.
Mein persönlicher Eindruck von der CES
Am ersten Tag der CES hatten die Journalisten und Blogger vor Ort die Möglichkeit, an einem von JJ geführten und moderierten zweieinhalbstündigen Rundgang über das Messegelände teilzunehmen. Beeindruckt hat mich dabei die Tatsache, dass er sich nicht davor gescheut hat, offen über die eigenen, aber auch über die Technologien anderer Hersteller zu sprechen. Letztendlich ist die Thematik „Selbstfahrende Autos“ ein Rennen der verschiedenen Unternehmen und es bringt wohl wenig, sich dabei Illusionen hinzugeben oder Scheuklappen aufzusetzen.
Für mich war das Event eine erfrischende Abwechslung zu vielen Autoevents. Insbesondere JJ ist mir nicht wie ein typischer Automanager vorgekommen, sondern wie jemand, der den Startup- bzw. Unternehmer-Geist wirklich lebt. Ich werde die Partnerschaft von Volkswagen und Aurora auf jeden Fall aufmerksam verfolgen. Denn anders als eingangs erwähnt habe ich bei dieser Kooperation ein gutes Gefühl, gepaart mit einer ordentlichen Portion Neugier auf das, was daraus wird.