Am Ende des Jahres 2017 können wir fraglos festhalten, dass Streaming-Services wie Netflix und Amazon Prime Video ihren letztjährigen Siegeszug fortsetzen konnten und in Sachen Relevanz deutliche Ausrufezeichen gesetzt haben. All das, was im linearen Fernsehen so selten stattfindet — spannende Inhalte, originelle Konzepte, dicke Produktionen — spielt sich immer häufiger auf diesen Plattformen ab.
Dabei zeichnet sich Netflix nicht nur dadurch aus, starke Original-Serien wie Stranger Things oder Dark zu produzieren, sondern greift auch immer öfter Hollywood und damit die Kinokassen mit eigenen Filmen an. „Bright“, der Streifen, der Action und Fantasy miteinander kombiniert, ist heute auf Netflix angelaufen und sollte nochmal deutlich unterstreichen, dass Netflix die Film- und TV-Welt auf den Kopf stellen kann. Dazu hat der US-Dienst weder Kosten noch Mühen geschaut, 100 Millionen US-Dollar investiert und mit so einem Budget ausgestattet auch Hollywood-Megastar Will Smith für die Hauptrolle gewinnen können.
Ohne jetzt schon zu viel über Bright zu verraten: Der ganz große Wurf ist es nicht geworden. Meiner Meinung nach sogar nicht einmal ein mittelgroßer. Vielleicht waren auch meine Erwartungen einfach zu groß. Immerhin sprach Smith davon, dass in dem Film quasi „Training Day“ auf „Herr der Ringe“ trifft. Im Endeffekt war es das aber beides nicht: Der Action-Teil ist ziemlich beliebig und kann nicht mit „Training Day“ oder ähnlichen Filmen mithalten und der Fantasy-Teil ist ganze Galaxien von „Herr der Ringe“ entfernt.
Bright – die Filmkritik (Spoiler)
Kommen wir also jetzt zum Film selbst bzw. zu meiner Einschätzung. Erst einmal zur Handlung des Streifens. Netflix erklärt dazu in seiner Pressemitteilung:
Dieser Actionthriller des Regisseurs David Ayer (Suicide Squad, End of Watch; Drehbuchautor von Training Day) spielt in einer alternativen Gegenwart, in der Menschen, Orks, Elfen und Feen seit jeher zusammen die Welt bevölkern. Inmitten dieser Welt arbeiten zwei Cops mit sehr unterschiedlichem Hintergrund zusammen: Der eine ist ein Mensch namens Ward (Will Smith), der andere ein Ork namens Jakoby (Joel Edgerton). Eines Tages machen sie ihren nächtlichen Routine-Streifzug, der die Welt, die sie kennen, für immer verändern wird. Dabei haben sie nicht nur mit zwischenmenschlichen Differenzen, sondern auch mit einem feindlichen Ansturm zu kämpfen. Nur gemeinsam können sie eine junge Elfe und ein Relikt retten, das eigentlich in Vergessenheit geraten war und das – sollte es in die falschen Hände geraten – die ultimative Zerstörung verursachen könnte.
Die Besetzung dieses Netflix Originals umfasst Will Smith, Joel Edgerton, Noomi Rapace, Lucy Fry, Edgar Ramirez, Ike Barinholtz, Enrique Murciano, Jay Hernandez, Andrea Navedo, Veronica Ngo, Alex Meraz, Margaret Cho, Brad William Henke, Dawn Olivieri und Kenneth Choi. Regie führt David Ayer. Das Drehbuch stammt aus der Feder von Max Landis. Produziert wurde der Actionthriller von David Ayer, Eric Newman und Bryan Unkeless.
Will Smith geht also wieder einmal auf Gangster-Jagd — und tut das in einem alternativen Los Angeles. Die gute, alte Erde hat sich also ziemlich ähnlich entwickelt wie die tatsächliche — nur mit dem Unterschied, dass wir es hierbei auch mit Orks, Elfen und Feen zu tun haben. Das Szenario erinnert mich direkt an das Rollenspiel „Shadowrun“. In diesem Spiel findet in einer nicht zu fernen Zukunft ein sogenanntes „Erwachen“ statt, so dass in diesem Spiel ebenfalls Orks, Elfen etc. neben Menschen existieren. Ebenso verhält es sich bei „Bright“ also auch. In dieser im Film gezeigten Vision unseres Planeten sind Feen übrigens nicht diese zierlichen Zauberwesen, die uns da sonst so klassisch vorschweben, sondern sehen im Film eher so aus:
Kein Wunder also, dass Will Smith so ein Vieh direkt zu Beginn des Streifens erst einmal mit einem Besen zu Klump haut. Feen scheinen in dieser Version der Erde einen Beliebtheitsgrad irgendwo zwischen Taube und Kakerlake zu besitzen. Mehr Respekt scheint der Polizist vor Elfen und Orks zu haben und das ist dann auch die erste Message des Films: Jau, Rassismus ist Quatsch, Wink verstanden. Und auch, dass man sich die Birne einhaut wegen “einer Scheiße, die vor 2000 Jahren passiert ist”, wird direkt früh erwähnt. Gewalt und Hass aus religiösen Gründen ist also auch Mist. Damit haben wir das früh geklärt: Uns erwartet nicht nur ein Action-Spektakel, sondern auch ein Film, der eine Botschaft zu verkünden hat.
Während die Elfen über allem thronen, die Welt regieren und mit Vorliebe Kohle ausgeben für tolle Klamotten, sind die Orks nicht ganz so hoch angesehen. Stattdessen hängen sie in Ghettos herum und organisieren sich in Gangs — fast ein bisschen wie das ganz normale East L.A. Irgendwo dazwischen im Wertesystem befinden sich die Menschen und lassen es die Orks natürlich gerne spüren, dass sie ihnen überlegen sind.
Das merkt man auch unserem Polizisten-Duo an: Ward (Will Smith) ist alles andere als glücklich, dass man ihm als Partner ausgerechnet den ersten Ork im Polizeidienst zuteilt. Der Ork Jakoby kann zwar Menschen und Orks wittern, mit dem Denken hat er aber so ab und an schon mal ein wenig Mühe, ist also intellektuell ein bisschen hintendran.
In diesem Schmelztiegel aus verschiedenen Arten kloppt sich jetzt alles um einen magischen „Wand“, also eine Art Zauberstab. Der Prügel hat unvorstellbare magische Kraft, daher ist alles hinter diesen Teilen her. Bedient werden kann er allerdings nur von magischen Wesen, die im Film die „Brights“ genannt werden.
Zum Glück haben unsere beiden Buddy-Cops sehr flott die Elfe Tikka bei sich, von der sich herausstellen wird, dass sie so eine „Bright“ ist. Dennoch ist der Film ein einziger heißer Tanz, weil jeder diesen „Wand“ haben will von korrupten Bullen über die Orks, irgendwelchen Ghetto-Menschen-Gangs und dann auch noch ein magisches Sonderkommando, gewissermaßen eine Soko Zauberstab.
Im Laufe des Filmes können wir den Protagonisten dabei zusehen, wie sie durch halb L.A. gejagt werden, stets begleitet von nervösen Kameras und aufbereitet mit viel zu hektischen Schnitten. Bei den Action-Szenen kann man schon mal seekrank werden, oder zumindest kurz die Orientierung verlieren, denn in diesen Momenten erinnert der Film an eine krude Mischung aus Ballerspiel und Musikvideo.
Ungefähr auf dem gleichen Niveau wie Schnitt und Kamera pendeln sich auch die Dialoge ein. Die Palette der Gespräche reicht von unspektakulär bis hanebüchen und lässt den Rückschluss zu, dass Regisseur David Ayer — auch verantwortlich für Suicide Squad — auf Effekthascherei mehr Zeit verwendet als auf eine vernünftige Story oder packende Dialoge.
Was ein spannender Cocktail aus den Zutaten Fantasy, Action, ein wenig Gesellschaftskritik, Magie hätte werden können, der zudem noch mit einem Weltstar garniert wurde, ergibt über die Filmlänge von knapp zwei Stunde eher einen ziemlich zähen und faden Brei aus platten Phrasen, brennenden Studiokulissen und maximal mittel-motivierten Schauspielern, denen das Drehbuch auch nicht viel Gelegenheit bietet, sich auszuzeichnen.
Der Flop des Jahres?
Neben einigen wenigen erstaunlich positiv gehaltenen Kritiken wie dieser hier sind die meisten Kritiker eher wenig begeistert von dem, was Netflix hier abgeliefert hat. Nachdem bei metacritic ein Metascore von gerade einmal 28 (von Hundert) Punkten ermittelt wurde, haut auch das aktuelle Urteil bei Rotten Tomatoes — 31 Prozent und durchschnittlich 3,6 von 10 Punkte — in die gleiche Kerbe. Es reicht also nicht, einen Superstar und einen Regisseur mit einem Berg Geld zu bewerfen, um einen Oscar-Anwärter zu schaffen. David Ayer scheint die Kritik an seinem Streifen jedoch recht locker wegzustecken, wie man auf Twitter lesen kann:
I really appreciate that. Every movie is a labor of love for me. I’ve never chased the audience, and I know my work can be polarizing. I’ve lived a crazy love and I guess my movies reflect that. https://t.co/YZBp2DwKlO
— David Ayer (@DavidAyerMovies) December 21, 2017
Graue Haare muss sich der gute Mann auch tatsächlich nicht wachsen lassen. Ja, okay: Der Film überzeugt weder in den Dialogen, noch von der Story oder der Dramaturgie und selbst die Special Effects erinnern mehr an Tele 5 am Freitagabend statt an Hollywood. Dennoch sind die knapp 100 Millionen Dollar von Netflix nicht komplett in den Sand gesetzt worden.
Immerhin sorgt der Streifen ja so oder so für Wirbel und wer weiß: Vielleicht kommt die Story ja auch bei den Zuschauern viel besser an als bei den Kritikern. Unabhängig davon hat Netflix eh schon zugesagt, dass es von „Bright“ einen zweiten Teil geben wird. Wer weiß, vielleicht ist das sogar gar nicht mal so schlecht: So bekommt man schließlich die Möglichkeit, die Fehler des ersten Teils auszumerzen.
Das bedeutet: Im zweiten Teil bitte die Themen Rassismus und Gesellschaftskritik etwas weniger platt behandeln, die lahmen Gags durch flottere Sprüche ersetzen, zudem die Action ein wenig wohldosierter einsetzen und dafür länger an einer vernünftigen Story basteln — dann könnte es was werden mit „Bright 2“. Die Grundidee mit den verschiedenen Arten, die zusammenleben müssen und auch der Genre-Mix aus Buddy-Cop-Movie und Fantasy bietet deutlich mehr Stoff und lässt den Protagonisten, zu denen auch Will Smith im zweiten Teil wieder zählen wird, noch massig Luft nach oben.
Hollywood kann jedenfalls erst mal vorsichtig aufatmen: Netflix ist eine wirklich jährlich härter werdende Konkurrenz und wird im kommenden Jahr gleich 80 neue Filme produzieren, die von Budget-Indie-Streifen bis Blockbuster die ganze Palette abdecken werden. Dennoch kann auch Netflix nicht Hits am Fließband produzieren und ist zumindest mit „Bright“ noch meilenweit entfernt von dem, was Hollywood-Kino bieten kann. Wir behalten die Entwicklung jedenfalls im Auge und ja: Ich werde auch Bright 2 eine Chance geben. Mal sehen, ob und wie Netflix aus seinen Fehlern lernt.