Ob Fernsehen, soziale Netzwerke, Suchmaschine oder klassische Zeitung: Alle Branchen haben mit der Quotenlüge zu kämpfen. Ein Überblick von Thomas Jahn.
„Die Mehrheit schaut überhaupt nicht fern.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung)
Nun ist es raus! Die TV-Einschaltquoten messen nicht, wie viele Menschen welche Sendungen sehen. Sondern was die Menschen sehen, die Zeit genug haben, an der Quotenmessung teilzunehmen.
Und das sind „jene Leute, welche das Lesen anstrengt und das Ausgehen erst recht, Leute, die vielleicht auch schon genug geredet haben in ihrem Leben und ein paar Abende, in denen das Fernsehen zu ihnen spricht, gut aushalten können“, schreibt Claudius Seidl in der FAZ.
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Es gibt also zwei Klassen von Fernsehern: Eine Minderheit, bei der die Glotze ständig läuft. Und eine Mehrheit, die nur selten fernsieht. Dafür aber digital unterwegs ist. Allein bei Facebook 23 Millionen Mal am Tag. Falls sich Facebook da nicht vermessen hat – die große Quotenlüge.
Messfehler und Dominatoren
Dass die Mehrheit der Menschen gar nicht linear fernsieht, das ist Google und Facebook (und Amazon und Netflix und Spotify und …) wahrscheinlich schon länger klar. Schließlich ist es das Kerngeschäft dieser Firmen, Reichweite zielgerichtet zu vermarkten beziehungsweise möglichst viele Zuschauer in Abo-Modellen zu binden.
Während sich Facebook bei der Ermittlung des Inventars offenbar ab und an verzählt und damit Kopfschütteln in der Fachwelt erntet, hat Google es mit der EU-Kommissarin Margrethe Vestager zu tun bekommen.
Die Wettbewerbshüterin in Brüssel brummte der Suchmaschine für „abusing (its) dominance by favoring its comparison shopping engine insearch results“ eine Strafe von 2,4 Milliarden US-Dollar auf. (Gegen diese hat Google Einspruch erhoben.)
Umgerechnet in Quartalsgewinnen sind das: ein gutes Viertel. „War da was?“ wird sich Google auf seinem intergalaktischen Flug denken.
TV killed the Newspaper-Star
Quotenlüge, Wettbewerbsverzerrungen und andere Irrtümer: Wir dachten ja immer, das Internet sei für den Rückgang der Zeitschriftenauflagen verantwortlich. Nun zeigt der Tech-Blogger Robert Basic einen Chart, demzufolge die Auflagen schon seit 1983 sinken.
Moment mal, die Ur-Version von HTML erschien doch erst geschlagene neun Jahre später!? Und da selbst die Netzwirtschaft die Raumzeit nicht krümmen kann, muss es eine andere Ursache für den Sinkflug der Zeitungen geben. Aber welche? Wir wissen es nicht. Sicher ist nur: Ziemlich genau um das Jahr 1983 herum ging in Deutschland das Privatfernsehen auf Sendung.
Dieser Text stammt aus der Netzwirtschaft – dem Journal für digitale Geschäftsentwicklung. Hier gibt es ein kostenloses Probe-Abo für BASIC thinking-Leser.