Die Reichweitenangst ist immer noch eine der größten Hürden beim Verkauf von Elektroautos. Ob begründet oder nicht, Fahrer haben schlicht und ergreifend Angst, mit ihren E-Fahrzeugen mitten auf der Strecke ohne Saft zu bleiben. Dabei gäbe es jetzt schon die Möglichkeit, Elektroautos mit unbegrenzter Reichweite zu bauen: über induktives Laden.
Kabelloses Laden, auch induktives Laden oder drahtlose Energieübertragung genannt könnte der Elektromobilität zum Durchbruch verhelfen. Viele Autobauer und Zulieferer, aber auch Forschungsinstitute und Start-ups arbeiten derzeit an dieser Technologie.
Flashback Physikunterricht
Die meisten von uns kennen das Prinzip des induktiven Ladens aus dem Haushalt, von elektrischen Zahnbürsten, Induktionsherden oder von Handys. Dabei wird ein Gegenstand ohne Kabel mit Strom versorgt. Genau genommen handelt es sich dabei um eine drahtlose Energieübertragung im Nahfeld.
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Flashback Physikunterricht.
Nahfeld bedeutet: Die Energieübertragung erfolgt über einen magnetischen Fluss und unterscheidet sich darin von der Übertragung im Fernfeld, die auf elektromagnetischen Wellen basiert (siehe Licht und Funktechnik).
Doch zurück zum induktiven Laden. Das Ganze funktioniert über zwei Spulen, die in einem bestimmten Abstand zueinander positioniert sind. Spule Nummer 1 erzeugt durch Strom ein Magnetfeld. Dieses Magnetfeld sorgt dafür, dass Spule Nummer 2, oder „Pickup“ diesen Strom abnehmen kann. Der Strom wird also induziert.
Alte Technologie, neuer Ansatz
Nun fragt ihr euch vielleicht zurecht: Moment Mal, wenn wir das Ganze aus dem Physikunterricht kennen, was ist daran so innovativ?
Die Frage ist nicht unberechtigt. Das Induktionsprinzip wurde schließlich vor gut 200 Jahren vom britischen Wissenschaftler Michael Faraday entdeckt.
Auch der Wissenschaflter Nikola Tesla (geboren im heutigen Kroatien) wird oft als Pionier dieser Disziplin bezeichnet, da er Anfang des 20. Jahrhunderts Unmengen von Geld in die Technologie steckte. Er schaffte damit aber nie den Durchbruch, und geriet damit schnell in Vergessenheit. Bis ein gewisser Elon Musk den Forscher und seine Visionen für sich entdeckte.
Doch während Nikola Tesla versuchte, mit riesigen Türmen aus den Ionen und Elektronen der Erdatmosphäre Strom zu induzieren, sind die heutigen Ansätze in der Elektromobilität bodenständiger – im wahrsten Sinne des Wortes. Wissenschaftler, Autobauer und Zulieferer arbeiten vor allem an zwei Methoden der Induktion: Das induktive Laden über stationäre Pads und das induktive Laden während der Fahrt über die Straße.
Die Ladeplatte mit dem Pfotensensor
Damit das kabellose Laden bei Elektroautos funktioniert, müssen die Fahrzeuge im Unterboden, typischerweise im Bereich der Vorderachse, eine Spule haben. Warum genau dort? Damit der Abstand zur Ladestation (auf der Straße oder auf dem Garagenboden) so gering wie möglich ist. Denn je enger die beiden Spulen beieinander liegen, desto effizienter funktioniert die Energieübertragung. Bei einem Elektroauto wie dem BMW i3 heißt das: Der ideale Abstand zwischen den beiden Spulen ist 100 bis 140 Millimeter.
Gerade BMW setzt auf diese Technologie und setzt diese aktuell in allen Fahrzeugen seiner i-Reihe ein, wenn auch noch im Prototypenstadium. BMW arbeitet dabei mit Qualcomm zusammen, einem Chiphersteller aus den USA. In der Formel E wird die Technologie bereits für Pace Cars oder Ärztewagen genutzt.
Die Ladeplatte, die Qualcomm für die Formel E entwickelt hat und bald auch für den Massenmarkt zur Verfügung gestellt wird, nennt sich „Halo“, funktioniert bei jedem Wind und Wetter und hat ebenfalls eine sogenannte „Foreign Object Detection“ eingebaut. Das ist ein Sicherheitssensor, der störende Objekte wahrnehmen kann – von der Büroklammer bis zur Hundepfote – und dann automatisch den Ladevorgang abbricht.
2018 sollen die ersten Modelle deutscher Autobauer, unter anderem von BMW und Audi, mit der Induktionsladetechnik auf den Markt kommen. Das Finden und Abrechnen der Induktionsladung auf öffentlichen Ladepads könnte nach der Vorstellung einiger über das Smartphone oder über eine spezielle Chipkarte erfolgen.
Snack-Ladungen für den Alltag
In Schweden ist man schon einen Schritt weiter. Volvo hat die Entwicklung eines solchen Ladepads bereits erfolgreich abgeschlossen. Der Pad für die Garage soll mit dem Volvo C30 Electric gekoppelt werden und so das Laden schneller und einfacher machen. Das vollständige Laden des Akkus soll per Induktion bei einigen Modellen in bis zu einer Stunde möglich sein. Beim E-Smart könnte das Laden sogar nur noch 45 Minuten dauern.
Die Idee der Ladepads ist aber nicht nur für die heimische Garage gedacht, sondern auch für das Laden beim Parken. So könnte das Elektroauto aufgeladen werden, während man einkauft oder im Wartezimmer beim Arzt sitzt. Gerade dieses häppchenweise Aufladen, das „Snack-Charging“, soll angeblich besser für den Akku sein. So sagt Audi-Mitarbeiter Björn Elias: „Die kurzen Zyklen sind das Beste, was dem Akku passieren kann: Je geringer die Ladeschübe, desto länger die Lebenserwartung.“ Das mag aus Sicht eines Autoherstellers, der auf Induktionsladung bei Elektroautos setzt, gut klingen. Tatsächlich gehen die Meinungen darüber, ob das nun so stimmt oder nicht, etwas auseinander.
Fest steht immerhin: Anders als die Supercharger, schaden kurze Ladeschübe der Lebensdauer der Akkus nicht.
Erste Tests zeigen: Laden beim Fahren funktioniert
Während Autobauer sich auf die Ladepads konzentrieren, arbeiten verschiedene Forschungsinstitute, aber auch Regierungen und Start-ups daran, das induktive Laden auf der Straße beim Fahren zu ermöglichen.
So hat das Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung (IFAM) in Bremen einen Elektrosportwagen gebaut, bei dem sich die Batterie beim Fahren auflädt. Artega 1 heißt das Modell mit 424 PS Leistung. Der Artega 1 fuhr 2015 zum ersten Mal mit 30 Kilometern pro Stunde auf einer 25 Meter langen Teststrecke. In der Fahrbahn wurden dabei Spulen für die Ladung eingebaut. Die Forscher demonstrierten in ihrem Test erfolgreich, wie der E-Sportwagen beim Fahren aufgeladen wurde.
Doch das ist natürlich nur der Anfang. Ziel ist es, die Technologie bei voller Fahrt einsetzen zu können. Diese dynamische Induktion erfordert, dass die verbauten Spulen im richtigen Rhythmus ein- und ausgeschaltet werden. Sollte die Methode bundesweit eingesetzt werden, müsste dafür natürlich die komplette Straßeninfrastruktur umgestellt werden.
Nicht billig, aber auch nicht unbezahlbar, sagt Felix Horch, Leiter der Abteilung Elektrische Antriebe am IFAM: „Der Bau eines Autobahnkilometers würde durch die Induktionstechnik zwar insgesamt teurer, die Kosten würden sich aber sicher nicht vervielfachen. Es geht um eine grundsätzliche Infrastrukturentscheidung: Irgendwann hat man ja auch mal beschlossen, das Eisenbahnnetz zu elektrifizieren.“
Dass dies durchaus ein Zukunftsfähiges Projekt sein könnte, zeigt das Beispiel England. Hier denkt der staatliche Autobahnbetreiber Highways England darüber nach, 18 Monate lang die Methode auf einem „electric highway“ zu testen.
Auch in Frankreich haben Renault und Qualcomm demonstriert, dass das Laden während der Fahrt duchaus funktionieren kann.
Mit „Solarstraßen“ Geld verdienen
Doch warum eigentlich beim dynamischen induktiven Laden nicht auf Solarenergie setzen? Das Potsdamer Start-up Solmove arbeitet genau daran. Mit dem Konzept einer Solarstraße will das Unternehmen die Straßen gleich doppelt nutzen.
Demnach können bereits bestehende Verkehrswege mit stabilen Photovoltaik-Modulen versetzt werden und so nicht nur Elektroautos, sondern auch E-Bikes und sogar Züge aufladen. Darüber hinaus könnte der so erzeugte Strom ins kommunale Energienetz eingespeist werden. Städte könnten damit Geld verdienen und so die Sanierung ihrer Straßen finanzieren. Das ist zumindest die Idealvorstellung von Solomove.
Die Solarstraßen müssten allerdings horizontale Flächen sein. Immerhin eignen sich dafür laut Solmove in Deutschland immerhin 1.400 km², die 20.000.000 Autos mit Strom versorgen könnten.
Große Busse, kleine Akkus
In Tel Aviv gibt es bereits die erste Elektrostraße der Welt. Das israelische Start-up ElectRoad testet diese vor allem für öffentliche Verkehrsmittel. Die Theorie: Die Ladung per Induktion macht es möglich, die großen Busse mit kleineren und leichteren Batterien zu betreiben. Das könnte viel Geld sparen.
Auch in Deutschland gibt es erste Projekte im öffentlichen Verkehr mit dem kabellosen Laden, allerdings nicht während der Fahrt, sondern über die Ladepads. So nutzten Elektrobusse in Braunschweig, Emil (kurz für: Elektromobilität mittels induktiver Ladung), bereits seit mehreren Jahren die Induktionstechnologie zum Laden ihrer Flotte.
Auch in Berlin wird das induktive Laden für E-Busse seit 2015 erprobt.
Klarer Vorteil: Reichweite ohne Ende
Doch warum all die Mühen? Was hat das induktive Laden was das Laden mit Kabel nicht hat?
Zunächst ist das drahtlose Laden für Nutzer einfach bequemer. Man muss nicht umständlich mit Kabeln hantieren. Hinzu kommt, dass das induktive Laden in einigen Fällen bis zu 85 Mal schneller ist als das Laden über die Heimsteckdose.
Wenn wir neben den Ladepads die induktive Ladung beim Fahren selbst betrachten, ist der Vorteil natürlich sehr offensichtlich. Wenn das Auto sich während der Fahrt auflädt, hat das Elektrofahrzeug theoretisch eine unbegrenzte Reichweite.
Tatsächlich ist die Entwicklung dieser Technologie aber eine etwas größere Herausforderung als die Ladepads. Schließlich muss sichergestellt werden, dass die Spulen sich im richtigen Abstand ein- und ausschalten. Und das in voller Fahrt, bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Darüber hinaus muss natürlich auch sichergestellt werden, dass das Magnetfeld auf der Fahrbahn für Menschen und Tiere ungefährlich ist.
Eine Alternative zu den Bodenspulen könnte das induktive Laden über Oberleitungen sein. Siemens möchte dies auf Autobahnen für LKWs umsetzen – eine Weltneuheit. Der Konzern hat den Zuschlag für den Bau einer solchen E-Autobahn für Testzwecke von den entsprechenden Behörden in Kalifornien erhalten. Während man sich dies bei LKWs noch einigermaßen vorstellen kann, ist es unwahrscheinlich, dass Autobauer plötzlich Modelle mit Stromabnehmern auf dem Dach bauen.
Man darf also gespannt sein, welche Formen des induktiven Ladens in Zukunft genutzt werden. Doch mit einem hat Thomas Nindl vom Münchner Qualcomm-Standort wahrscheinlich Recht: „Unsere Kinder werden das Wort ‚tanken‘ aus ihrem Wortschatz streichen.“