Immer wenn mich ein Thema sehr interessiert, grabe ich mich wie eine Wühlmaus ein. Dann werden die zentralen Autoren des Gebietes mit ihren Thesen herauskristallisiert. Es bleibt kein Video ungeklickt und ich frage nach, wühle, forsche. Mein aktuelles Wühlmaus-Forschungsgebiet ist Growth Hacking.
Diese Marketing-Technik wurde von Startups entwickelt, um mit Kreativität, analytischem Denken und dem Einsatz von Social Media den Absatz zu fördern. Während ich solche Vorgehensweisen im Sinne eines Projekterfolges selbst kenne, assoziiert der Begriff Hacking im ersten Moment bei mir doch eher negative Assoziationen wie Sicherheitslücke, Trojaner und kriminelle Energie.
Wer also sind Growth Hacker? Was motiviert diese Menschen? Wachstum um jeden Preis – gegebenenfalls sogar kriminell? Eine Spurensuche beginnt. Auf dem Growth Summit treffe ich Talia Wolf. Talia kommt aus Israel, und ist weltweit gefragter Speaker zu Growth.
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Bin ich ein Growth Hacker?
Talia berichtet mir, wie zentral es für sie ist, vom Kunden her zu denken. „Oftmals wird der Begriff Customer Journey dafür verwendet, dass ein Unternehmen Zielgruppen etwas verkaufen will. Das Potential liegt jedoch darin zu verstehen, warum diese Menschen wirklich etwas kaufen. Herauszufinden, was sie bewegt und danach zu suchen, zu wühlen und anschließend genau darauf einzugehen!“
Wühlen? Auf Zielgruppen emphatisch eingehen? Worte, die mir sehr bekannt vorkommen, schließlich entsprechen sie dem Grundprinzip meines Arbeitsgebietes Customer Experience. Bin ich etwa selbst ein Growth Hacker?
„Was sich Menschen wünschen, ist, dass sie mit ihrem Einkauf ihr Leben verbessern. Es sind vielmehr emotionale als rationale Gründe, weshalb Menschen kaufen. Wenn ich diese emotionalen Treiber kenne, kann ich darauf basierend eine Customer Journey bilden, welche genau auf diese Treiber und mein Geschäft einzahlt“, erklärt Wolf und ergänzt: „Der Kern meiner Arbeit ist es, diese Hebel zu finden, mich in Customer Journey einzugraben, dort bewusst solche Hebel zu setzen und die Effekte zu beobachten.“
Bedürfnisse als Treiber des Growth Hacking
Ein passendes Beispiel hierzu erklärt ein weiterer Speaker, Karl Gilis, in seiner Präsentation. Der Belgier berichtet, wie er als Ausländer auf der Deutschen Autobahn über sein Handy die nächste Tankstelle sucht.
Er gibt die üblichen Namen wie Shell und BP in sein Suchfenster ein und findet auf den ersten Seiten Cafés, Croissants, Aktienkurse und sonstiges Unterhaltungsprogramm. Tankstellenfinder und die automatische Ortserkennung sind auf der vierten oder fünften Unterseite versteckt.
Gilis brüllt während seiner Analyse der einzelnen mobilen Websites der Tankstellen wie ein Irrer ins Publikum: „WTF?!? Ich will doch einfach nur TANKEN! Wo zur Hölle ist die nächste Tankstelle?“
Das Publikum biegt sich vor Lachen bei dieser detaillierten und emotionalen Analyse. Gravierender hätte die Diskrepanz zwischen Kundenbedürfnis und Unternehmensauftritt nicht ausfallen können.
Angst vor Veränderung
In der Mittagspause lerne ich Tobias kennen. Er arbeitet als Conversion Optimization Manager. Seine Augen funkeln, wenn er sich mit mir über die Reden von Talia und Gilis austauscht.
Doch auf einmal wird Tobias sehr nachdenklich. Auch er berichtet mir davon, wie sehr es ihn antreibt, immer wieder die Hebel für Kundenzufriedenheit und Wachstum in seinem Unternehmen zu finden. Zugleich ist er frustiert, weil er damit oft nicht gehört wird.
Tobias schlug ein simples A-B-Testing für die Newsletter des Unternehmens vor. Da so etwas noch nie im Unternehmen durchgeführt wurde, ist das ein nachvollziehbarer Vorschlag um die Conversion Rate zu verbessern.
Tobias erstelle hierfür eine Roadmap und rechnete vor, wie groß der voraussichtliche Gewinn durch diese Optimierung im Vergleich zum notwendigen Einsatz sein wird. Obwohl die Rechnung eindeutig für das A-B-Testing sprach, wurde dieses abgelehnt.
„Es gibt eine große Angst vor Veränderung. Bestehende Prozesse dürfen nicht angefasst werden“, summiert Tobias niedergeschlagen. Deshalb, so ergänzt er, werde er sich einen neuen Job suchen.
https://twitter.com/johannesceh/status/875840260210601989
Ebenfalls an diesem Tag lerne ich, dass es zwischen Growth Hacking und Growth Marketing große Unterschiede gibt. Robert Weller beschreibt, dass Hacks meist auf eine Maßnahme auf einem Kanal beschränkt sind. Es handelt sich also um Quick Wins.
Growth Marketing dagegen bezieht systematisch (!) alle Möglichkeiten mit ein und zielt neben der Akquise eben auch auf die Steigerung des Customer Engagement ab.
Mit Growth Hacking alte Strukturen aufbrechen
Ich kann sehr gut nachempfinden, wie es Tobias geht. Oft genug war ich selbst damit konfrontiert, dass ich entscheidende Hebel zur Kundenzufriedenheit als auch zum Wachstum in einem Unternehmen erkannt hatte. Jedoch war dies fast nie ein Selbstläufer, für den sich alle Türen magisch unabhängig von Silos öffneten.
Ich musste kämpfen, um Gehör zu bekommen. Für die Sache. Oft fühlte ich mich alleine mit meinem Wissen. Ich musste lange Wege durch Abteilungen gehen, um hoffentlich irgendwann Entscheider zu überzeugen.
Vermutlich war ich selbst so etwas wie ein Growth Hacker in Organisationen, der Insights unabhängig von Abteilungen und Kanälen suchte und sich für diese zum Wohle des Gesamterfolges verkämpfte.
Michael Brenner von der Marketing Insider Group spricht in diesem Zusammenhang von Champion Leaders. Diese sind bereit, zentrale Themen für das Gemeinwohl in einer Organisation zu benennen, dafür einzustehen und sich gegen Silos und Bürokratie durchzusetzen.
Ich habe Lust auf Growth Hacking
Mein Appetit auf Growth ist jedenfalls noch nicht gestillt, denn die Recherche hat richtig Spaß gemacht! Zufällig spricht mich mein Freund Matthias Riedl, Chief Growth Officer der Media-Agentur DCMN, an, ob ich Lust habe, zur Scale Konferenz nach Berlin zu kommen?
„Uns geht es darum, eine Konferenz für digitale Marken auf die Beine zu stellen, die wir zusammen mit den digitale Marken veranstalten. Es ist unfassbar, wie rapide sich unsere Industrie wandelt. Es ist sehr komplex Up-to-Date zu bleiben.“
Genau so empfand ich die Präsentationen und Gespräche der letzten Tage. Erfahrungsaustausch im Sinn der Sache ist kostbar. Deshalb war mir beim Blick auf das Line-Up der Scale Konferenz sofort klar, dass ich komme.
Ich will lernen, mich mit den Speakern auseinandersetzen. Ich will verstehen, welche Insights und Hebel auf dem Weg zum Erfolg gefunden worden sind. Mich interessiert es, mit welchen Widerständen gekämpft wurde und wie sie überwunden wurden.
Warum? Weil es mich und meine Kunden weiterbringt. Ich freue mich auf die Scale an diesem Donnerstag.