Im Internet findet man Muster für Gesellschaftsverträge. Das macht es Gründern besonders einfach und spart Geld: Eine kurze Suche fördert einen ja doch irgendwie benötigten Gesellschaftsvertrag zu Tage und schon kann man sich den vermeintlich wichtigeren Themen zuwenden. Ein böser Irrtum, der sich auf vielfältige Art rächen kann.
Das größte Problem mit solchen Mustern für Gesellschaftsvertäge ist, dass diese die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls, also die besonderen Bedürfnisse der Gründer in ihren jeweiligen individuellen Situationen, nicht berücksichtigen.
Ein Gesellschaftsvertrag macht doch aber nur Sinn, wenn er zu den individuellen Umständen der Gesellschafter passt. Das habe ich bereits in der letzten Ausgabe der Kolumne erklärt. Denn nur dann kann er seinen Zweck, Lösungen vorzuhalten für spezielle Situationen oder wenn es zu Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten kommt, erfüllen.
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Man bedenke nur die folgenden Beispiele: Eine Nachfolgeklausel, die beispielsweise Kinder berücksichtigt, macht doch nur Sinn, wenn es auch Kinder gibt beziehungsweise wenn Kinder in der zukünftigen Planung Rolle spielen. Sonst ist eine solche Regelung doch regelmäßig sinnlos.
Und wenn ein Gesellschafter ausscheidet (wann kann er oder sie das überhaupt?), dann kann dies Folgen haben, sowohl für die anderen Gesellschafter als auch für die Gesellschaft. Aber welche sind das? Hier sollte eine entsprechende Regelung sinnvolle Antworten geben.
Jetzt kann man natürlich einwenden, dass dies doch alles halb so wild ist, denn natürlich gibt es neben den Mustern auch die Erklärung für einzelne Begriffe, Regelungen und Themenfelder eines Gesellschaftsvertrags im Internet zu finden.
Und darüber hinaus gibt es doch viele Artikel von Anwälten, Unternehmensberatern und sonstigen Betreibern von Webseiten oder von Portalen, in denen Handlungsempfehlungen bei der Gestaltung von Gesellschaftsverträgen gegeben werden. Anwälte regen sich halt immer so künstlich auf.
Es geht nicht um die reinen Informationen, sondern um das Verständnis
Ja, bei dieser Argumentation rege ich mich ein wenig auf. Aber das liegt nicht daran, dass ich Probleme habe damit, dass die Informationen im Internet zu finden sind. Es wäre völlig naiv zu glauben, dass Anwälte, also auch ich, noch immer die Informationshoheit haben.
Nein, was mich nervös macht, ist das Verkennen des eigentlichen Problems, nämlich dem Verständnis des Inhalts, der sich hinter bestimmten Begriffen oder Regelungen verbirgt.
Ich würde es mal mit einem Gang zum Chirurgen vergleichen: Natürlich finde ich die Bezeichnung von Knochen, anderen Körperteilen oder Krankheiten im Internet. Aber befähigt mich das dazu, mich mit einem Chirurgen auf Augenhöhe zu unterhalten? Habe ich dadurch schon an Verständnis gewonnen?
Ich glaube nicht, denn dazu brauche ich Erfahrung, die Möglichkeit der Verbindung von Einzelwissen zu einem Gesamtverständnis und die Fähigkeit, neue Ideen zu entwickeln basierend auf bisherigen Kenntnissen. Gerade das jedoch schafft das Internet (noch) nicht. Hier werden die Informationen bislang nur zur Verfügung gestellt als das, was sie sind – Informationsbrocken, oftmals ohne ausreichenden Kontext.
Weitere Probleme der Gesellschaftsverträge
Das alleine sollte eigentlich schon reichen, die Verwendung von Mustern für Gesellschaftsverträge mit Vorsicht zu genießen. Doch es gibt noch eine Vielzahl von weiteren Problemen, die bei der Verwendung von Mustern auftauchen können.
- So ist vielen Gründern meiner Erfahrung nach nicht immer der Sinn von bestimmten Begriffen klar. (Es wird gerade nicht nach einer Erklärung im Internet gesucht.) Teilweise kommt es auch vor, dass Gründer bestimmte Begriffe mit einem Sinn versehen, der so, wie sie ihn sehen, eben nicht besteht – weil man mal was gehört hat oder weil jemand den Begriff erklärt hat, dieser jemand aber den Sinn auch nicht richtig kannte.
- Sodann findet man oftmals im Internet, wenn man dann zu einer Formulierung oder einem Begriff aus einem Muster recherchiert, vermeintlich widersprüchliche oder nicht eindeutige Erklärungen. Da man sich nicht entscheiden kann, wem man glauben soll, wird so lange weitergesucht, bis sich das Gefühl einstellt, man habe den Begriff oder die Formulierung verstanden. Ob das dann aber wirklich stimmt, ist gar nicht klar, denn es ist ja bekanntlich sehr schwer, sich selbst und seine Meinung in Frage zu stellen.
- Als letztes wäre dann noch insbesondere bei Rechtsthemen (aber natürlich auch bei anderen Themen) die Schwierigkeit mit dem Veröffentlichungsdatum zu nennen. Das Recht ändert sich immer wieder. Es gibt neue Gesetze, neue Gerichtsentscheidungen, neue Meinungen führender Rechtsgelehrter. Problematisch wird es dann, wenn nicht erkannt wird, dass ein Muster, welches man verwenden möchte, veraltet ist. Manche Muster tragen gleich gar kein Veröffentlichungsdatum, bei anderen kann man ein Datum finden, muss aber dann eben selbst erkennen, ob das Muster noch aktuell ist. Mit Aktualität für ein Muster ist nicht gemeint, dass das Muster erst ein paar Wochen lang existiert, sondern es muss sich an der derzeit gültigen Rechtslage orientieren. Es ist gut möglich, dass sich in einem solchen veralteten Muster Regelungen befinden, die gar nicht mehr wirksam sind und damit auch keine Lösung für bestimmte Situationen der Gesellschafter darstellen können. Sich später auf solche Regelungen zu berufen, ist somit ein sinnloses Unterfangen. Stellt sich nur die Frage, warum man dann eine solche Regelung verwenden sollte. Mir fällt gerade kein Grund ein.
Kosten für Gesellschaftsverträge und die Haftung des Anwalts
Zuletzt gibt es aber noch einen Grund, den Gründer auch bei der Suche nach einem passenden Gesellschaftsvertrag bedenken sollten: Die Kosten, die auflaufen, wenn man selbst die Gestaltung übernimmt.
Es ist nämlich ein Irrglaube, dass diese Arbeit nichts kostet. Das würde ja bedeuten, dass man der eigenen Leistung keinen monetären Wert beimisst. Vielmehr ist es nur so, dass diese Kosten nur nicht so deutlich werden, weil sie in der Währung „Zeit“ abgerechnet werden.
Mal unterstellt, dass die eigene Stunde 40 Euro netto wert ist (kann auch mehr oder weniger sein, in diesem Beispiel geht es nur darum überhaupt einen greifbaren Wert zu haben) und drei Gründer recherchieren und besprechen Entwürfe für Gesellschaftsverträge jeweils 5 Stunden lang.
Dann kommen die Gründer auf insgesamt 15 Stunden (das ist meiner Erfahrung nach viel zu niedrig angesetzt, aber darum geht es nicht), die insgesamt 600 Euro wert sind.
Befassen sie sich jeder 9 Stunden damit, einen ganzen Tag also, dann kommen sie schon auf 27 Stunden mit einem Wert von 1.120 Euro. Für dieses Geld findet man aber schon kompetente Anwälte, die einem die Erstellung des Gesellschaftsvertrags und den Zuschnitt auf die eigenen Bedürfnisse abnehmen. (Der Autor kann hier ein wenig aus eigener Erfahrung sprechen.)
Als Sahnehäubchen oben drauf bekommt man die Haftung des Anwalts, wenn dieser einen Wunsch der Gründer nicht korrekt berücksichtigt hat – ein Umstand, der oftmals unterschätzt wird.
Fazit: Ein Vertragsmuster „von der Stange“ lohnt sich nicht
Insgesamt kann man also sagen, dass Gesellschaftsverträge „von der Stange“ ohne Anpassungen an die Eigenheiten des jeweiligen Einzelfalls keinen Wert besitzen.
Was soll man nun als Gründer machen? Schnurstracks dem nächsten Anwalt einen Haufen Geld für einen Gesellschaftsvertrag in den Rachen schmeißen und hoffen, dass dieser ausreicht?
Ich empfehle ein anderes Vorgehen. Ich rate nämlich gar nicht grundsätzlich davon ab, Muster zu verwenden. Meiner Meinung nach ist wichtig vielmehr zu erkennen, was solche Muster leisten können und was nicht. Muster können Gründern helfen zu verstehen, um was es überhaupt bei einem Gesellschaftsvertrag geht, was überhaupt geregelt werden sollte und welche Bereiche ein Gesellschaftsvertrag abdecken kann.
Muster bereiten also die Gründer darauf vor, sich mit den relevanten Themen auseinanderzusetzen und die richtigen Fragen stellen zu können. Wenn man diese dann aber gefunden hat, würde ich empfehlen, das Gespräch mit einem Experten zu suchen, der einem die Fragen, die noch bestehen, beantwortet und der den Blick der Gründer auf die Punkte lenkt, an die sie noch nicht oder noch nicht ausreichend gedacht haben.
Ja, das kann etwas Geld kosten. Ob es das wert ist, muss dann jeder Gründer für sich entscheiden.