Der Audi A8 wird das erste Serienauto sein, das mit dem Audi AI Staupilot hochautomatisiertes Fahren auf Level 3 ermöglicht. Auf einer Probefahrt durch das Ruhrgebiet – einem der Stau-Hotspots in Europa – konnten wir uns einen ersten Eindruck vom sogenannten Staupiloten verschaffen.
Beim hochautomatisierten Fahren gibt der Mensch die Verantwortung teilweise an das Auto ab. Das heißt, in diesem Modus ist das Auto für seine „Entscheidungen“ verantwortlich. Da wir beim Thema autonomes Fahren immer noch am Anfang der Entwicklung stehen, hat man sich bei Audi entschieden, die möglichen Funktion schrittweise einzuführen. Den ersten Schritt macht Audi mit den Staupiloten. Um diesen einzusetzen müssen folgende Umgebungsbedingungen herrschen:
- Der A8 befindet sich auf einer Autobahn oder einer mehrspurigen Kraftfahrstraße mit baulicher Trennung zur Gegenfahrbahn und einer Randbebauung wie Leitplanken.
- Es herrscht zähfließender Kolonnenverkehr auf allen Nachbarspuren.
- Die Eigengeschwindigkeit beträgt maximal 60 km/h.
- Es befinden sich keine Ampeln oder Fußgänger im relevanten Sichtbereich der Fahrzeugsensorik.
Registiert der Wagen, dass die Rahmenbedingungen erfüllt sind, bekommt der Fahrer im Audi Virtual Cockpit eine Textmitteilung sowie einen pulsierenden weißen Lichtstreifen an den Rändern des Tachos zu sehen.
Durch drücken der AI Taste wird der Staupilot aktiviert. Jetzt kann der Fahrer die Hände vom Lenkrad und den Fuß vom Gaspedal nehmen und sich entspannen. Das Auto kümmert sich automatisch um das Lenken, das Anfahren und das Bremsen.
Während der Staupilot das Auto fährt, sind verschiedene Funktionen im Infotainmentsystem verfügbar, die sonst während der Fahrt üblicherweise gesperrt oder ausgeblendet sind. So kann der Fahrer die Zeit im Stau zum Beispiel zum Anschauen von Videos oder zum Bearbeiten von SMS-Nachrichten oder E-Mails nutzen.
Falls ihr euch jetzt schon freut und glaubt, ihr könnt die Zeit im Stau nutzen um auf dem Weg zur Arbeit ein wenig Schlaf nachzuholen, muss ich euch enttäuschen. Eine Kamera in der Instrumententafel überprüft, ob der Fahrer jederzeit in der Lage ist, wieder die Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen. Dabei werden Kriterien wie Position und Bewegung des Kopfes sowie auch der Lidschlag des Fahrers gemonitort. Audi stellt klar, dass die Messgrößen anomysiert werden, keine Rekonstruktion des Gesichtes zulassen und auch nur lokal im Auto verarbeitet werden. Außerdem werden die Bilder weder gespeichert noch übermittelt.
Was wäre wenn? – die Übernahmeaufforderung
Auch der längste Stau löst sich irgendwann mal auf. In diesem Fall wird der Wagen die Verantwortung für das Fahren wieder zurück an den Fahrer übergeben. Die Übernahmeaufforderung besteht aus drei Phasen die Audi wie folgt beschreibt:
Phase 1
In Phase 1 pulsiert an den Rändern des Audi virtual cockpit ein rotes Licht, das AI-Symbol im digitalen Kombiinstrument unddie LED auf der Audi AI-Taste leuchten ebenfalls rot, dazu ertönt ein dezenter Warnton.
Phase 2
Ignoriert der Fahrer diese erste Aufforderung, folgt Phase 2, die so genannte Akutwarnung. Der Warnton wird markanter, die Audio-Lautstärke abgesenkt, im Audi Virtual Cockpit erscheint der Text „Staupilot: wird beendet. Bitte vollständig übernehmen!“. Parallel dazu verzögert der A8 erst sanft, dann ruckartig, und der Fahrer spürt einen dreifachen leichten Ruck am Sicherheitsgurt.
Phase 3
Bleibt der Fahrer daraufhin weiterhin passiv – etwa aufgrund eines gesundheitlichen Problems – kommt es zum Noteingriff, der letzten Phase. Der Warnton wird durchdringend, der Sicherheitsgurt voll gestrafft. Der A8 verzögert in seiner Fahrspur bis zum Stillstand und schaltet gleichzeitig das Warnblinklicht ein. Nachdem die Limousine zum Stehen gekommen ist, aktiviert sie die Parkbremse, legt Stufe P der tiptronic ein, entriegelt die Türen, schaltet das Innenlicht ein und setzt anschließend einen Notruf über das Mobilfunknetz ab, sofern keine weitere Reaktion des Fahrers erkennbar ist. Ein solcher Nothalt im zähfließenden Autobahnverkehr ist ein sinnvolles Manöver, weil es unkontrolliertes Fortbewegen des A8 verhindert.
In unserem Video konnten wir genau diesen Eskalationsweg ausprobieren. Persönlich kann ich mir schon kaum vorstellen, dass man den ersten Hinweis übersehen kann. Spätestens wenn der Wagen in Phase 2 ist und ihr merkt, wie der Sicherheitsgurt anzieht, ist eure Aufmerksamkeit sofort wieder da. Phase 3 wird in der Praxis nur bei einem gesundheitlichen Problem des Fahrers in Frage kommen. Die ergriffenen Maßnahmen bis hin zum Entriegeln des Autos haben mir sehr gut gefallen, da sie zeigen, dass man sich bei Audi sehr viele Gedanken zu dem System gemacht hat.
Lasertechnik im Audi A8
Der A8 ist zudem das erste Serienauto, in dem ein Laserscanner System (LIDAR) mit verbaut wird. Neben dem LIDAR sind außerdem eine Vielzahl von Sensoren verbaut, die heute schon zum Standard von Serienfahrzeugen in der Ober- und gehobenen Mittelklasse gehören.
- zwölf Ultraschallsensoren an Front, Flanken und Heck,
- vier Umgebungskameras an Front, Heck und Außenspiegeln,
- eine Frontkamera am oberen Rand der Windschutzscheibe,
- vier Mid-Range-Radare an den Fahrzeugecken,
- ein Long-Range-Radar an der Front,
- Fahrerbeobachtungskamera im oberen Bereich der Instrumententafel.
Das Zusammenspiel der Sensoren ermöglicht die Funktion des Staupiloten. Da bei Level 3 der Wagen die Verantwortung trägt, hat man den Audi A8 mit mehreren redundanten Systemen ausgestattet. Neben dem zentralen Faherassistenssteuergerät (zFAS), das für die Auswertung der Daten verantwortlich ist, besitzt der A8 in dem Langstreckenradar eine zweite Steuereinheit, die bei Ausfall des zFAS das Fahgeschen bis zur Übergabe zum Fahrer überbrücken kann. Zudem besitzt der Wagen zwei elektrische Bremssysteme, um auch hier eine Redundanz zu bieten.
Hier merkt man, dass der Schritt von Level 2 des Automatisierten Fahrens (wie wir es zum Beispiel vom Tesla her kennen) zu Level 3 ein gehöriges Maß an zusätzlichem Entwicklungsaufwand benötigt. Sollte bei einem Level 2 System ein Fehler auftreten, ist der Mensch jederzeit als Rückfallebene da. Auch wenn es gerne vergessen oder verdrängt wird, muss bei einem Level 2 System der Fahrer dem Fahrgeschehen jederzeit mit voller Aufmerksamkeit folgen. Bei einem Level 3 System wie dem Audi AI Staupilot muss der Wagen auch bei einem Fehler in der Lage sein, das Fahrgeschehen bis zur Übernahme durch den Menschen (kalkuliert sind hier ~10s) sicher zu überbrücken.
Sehr schön im Stil von dem Disney Film Inside-Out (Alles steht Kopf) hat Audi einen Kurzfilm zu dem Zusammenspiel zFAS, Sensoren und Aktoren gemacht. In 3 Minuten bekommt ihr ein sehr gutes Gefühl was in dem Auto passiert:
Technik VS Gesetzeslage – Wer ist schneller?
Okay, wahrscheinlich kennt ihr schon die auf die Frage. Der neue Audi A8 rollt im Herbst auf die deutschen Straßen und kann bereits mit der Vorbereitung für den Audi AI Staupilot bestellt werden. Freigeschaltet wird die Funktion aber erst, sobald der Gesetzgeber grünes Licht gibt. Natürlich will Audi diese Funktion nicht nur in Deutschland sondern auf allen Märkten anbieten können. Deshalb wird die Funktion abhängig von den nationalen Gesetzen zu unterschiedlichen Zeitpunkt verfügbar sein. In Deutschland rechnet man mit Anfang 2018.
Persönlicher Eindruck
Wie gut mir das System gefallen hat ist mir erst richtig klar geworden, als ich auf dem Rückweg von dem Event selber in den Stau geraten bin. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendwer gerne im Stau selber Auto fährt. Mir gefällt der Staupilot vor allem deshalb so gut, weil er die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer erhöht. Seien wir mal ehrlich: Wer von euch noch nie im Stau abgelenkt war, werfe das erste Smartphone ;-).
Die Art und Weise wie Audi sich entschieden hat, das pilotierte Fahren auf den Markt zu bringen finde ich geschickt. Denn zum einem ist ein Stau ein recht gut kontrollierbares Szenario und zum anderen eine Situation, in der man sich auch sicher fühlt, bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h die Verantwortung an das Auto abzugeben.
Der Audi A8 hat aber nicht nur wegen des Staupilot einen bleiben Eindruck bei mir hinterlassen. Extrem beeindruckt und begeistert war ich von dem User-Interface von dem Wagen. Über zwei große Touchscreen-Bildschirme habt ihr Zugriff auf alle Funktionen und Einstellungen des Wagens. Es gibt nur noch 8 Tasten, von denen ihr die hälfte die meiste Zeit wahrscheinlich eh nicht benutzen werdet. Wir werden uns darum bemühen, euch das System ausführlich in naher Zukunft vorstellen zu können.