Sind eSports schon im Mainstream angekommen? Was ist dran am Hype? Kaum ein Thema bewegt das Sportbusiness derzeit mehr. Kein Wunder, dass sich mit Lagardère Sports einer der erfolgreichsten Sportrechtevermarkter damit beschäftigt. André Fläckel ist Director eSports und erklärt, was den eSports-Markt so spannend macht und wie Lagardère das Thema vorantreibt.
Lagardère Sports ist eines der größten Sportmarketingunternehmen der Welt. Etwa 1.600 Mitarbeiter, davon rund 500 in Deutschland, arbeiten in vielen großen Metropolen weltweit. Das Geschäft basiert im Wesentlichen auf drei zentralen Bereichen:
- Vermarktung von Werbe- und Hospitalityrechten
- Produktion und Distribution von Medienrechten
- Beratung von Unternehmen bei ihren Aktivitäten im Sport
Vielen Fans ist vermutlich eher das Unternehmen SPORTFIVE bekannt. SPORTFIVE wurde mit mehreren Lagardère-Sportmarketingagenturen unter dem Dach von Lagardère Sports zusammen geführt.
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Prominente Partner sind unter anderem die UEFA, der DFB und das IOC. Darüber hinaus verantwortet die Agentur die Gesamtvermarktung von Vereinen wie Borussia Dortmund, Hertha BSC, Eintracht Frankfurt oder den HSV hier in Hamburg, betreuen aber auch Spitzensportler wie Caroline Wozniacki oder den amerikanischen Golf-Superstar Jordan Spieth.
André Fläckel ist seit vielen Jahren Digital-Experte bei Lagardère Sports Germany. Nachdem er als Manager Digital Sponsorships Bundesliga-Klubs und Marken mit Digital-Expertise unterstützte, hat er nun das Thema eSports bei Lagardère etabliert.
Im Interview gibt André einen spannenden Marktüberblick, zeigt Trends und Entwicklungen auf und ordnet eSports im globalen Werbe- und Sponsoringmarkt ein.
Wann hast du dich bei Lagardère Sports das erste Mal ernsthaft mit dem Thema eSports beschäftigt?
André Fläckel: Das ist tatsächlich aus einer persönlichen Perspektive heraus entstanden. Ich war mit meinen Kollegen in Stockholm. Wir saßen mit überteuerten alkoholischen Drinks vor unserem Hostel und haben in lockerer Runde über neue Geschäftsmodelle nachgedacht. Irgendwann sind dann auf das Thema eSports gekommen – auch weil das Thema in Skandinavien zu dem Zeitpunkt schon sehr groß war.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir uns bei Lagardère Sports nur marginal mit dem Thema beschäftigt. Schnell waren wir uns einig, dass eSports ein sinnvolles Geschäftsmodell sein könnte und haben angefangen eine Strategie zu entwickeln.
Wir selbst sind natürlich mit Gameboy, Playstation & Co. aufgewachsen und waren mit dem Thema Gaming grundsätzlich vertraut. Allerdings waren wir auch noch keine großen eSports Fans. Wir kennen aber die Generation und deren Interessen und wissen, dass Gaming für unsere Generation und die darauffolgenden einfach zum Leben dazu gehört.
Seit etwa einem Jahr beschäftigen wir uns offiziell und intensiv mit dem Thema eSports. Wir verfolgen das Thema innerhalb unserer europäischen Business Development Division. Im Januar 2017 haben wir unser erstes Vermarktungsmandat mit dem LCS Team Unicorns of Love abgeschlossen. Später folgten Team ROCCAT und SK Gaming, die aktuelle Nummer 1 der Weltrangliste in CS:GO (Counter-Strike).
Wir haben nun mittlerweile ein Team von sechs Mitarbeitern aufgebaut, die sich ausschließlich um das eSports Business kümmern. Hier profitieren wir auch von unseren jahrelangen Erfahrungen in der Gesamtvermarktung von Fußballvereinen. Dieses erfolgreiche Modell wenden wir auch für unsere Teampartnerschaften an.
Zudem unterstützen wir Unternehmen bei ihrem Einstieg in den eSports-Markt. Wir haben festgestellt: Es gibt kaum mehr einen Marketingverantwortlichen gibt, der sich nicht mit den Möglichkeiten im eSports beschäftigt.
Wie hat sich dann die Idee zu einem konkreten Geschäftsmodell entwickelt?
Wir haben uns sehr lange Zeit gelassen, den Markt zu verstehen und uns eine Strategie zu überlegen.
Wir sind auf eSports-Organisationen zugegangen und haben am Anfang eine gewisse Abneigung gespürt. Es bestand das Vorurteil: Alle mit großen Taschen voll Geld wollen auf den eSports-Hype aufspringen und sich die Taschen weiter füllen.
Wir mussten erst einmal herausfinden, wie wir wirklich Mehrwert stiften könnten. Das hat dann zu unserem Markteintritt im Januar 2017 geführt. Wir wollten mit dem Modell anfangen, in dem wir uns am sichersten fühlten und welches wir auch besten beherrschten.
Das hat auch mit der Konstellation unseres eSports Teams zu tun. Alle haben vorher im Profifußball gearbeitet, Vereine zu vermarkten ist ein vertrautes Terrain für uns.
Genau mit diesem Modell sind wir auch auf eSports-Organisationen zugegangen. Wir haben gesagt: „Wir möchten für euch Sponsorship-Inventar aufbauen, Medienrechte aufbauen sowie Sponsoren und Partnerschaften finden. Wir möchten euch als Wirtschaftsunternehmen auf solidere Füße stellen, damit ihr nicht von einem Investor oder eurem Merchandising abhängig seid.“
Welche Teams sind derzeit in eurem Portfolio?
Am Anfang wollten wir mit den „dicken Fischen“ ins Rennen gehen. Am Ende hat es sich als Segen herausgestellt, dass wir mit einem sehr kleinen, aber super-attraktiven Team, den Unicorns of Love, als exklusiver Vermarkter gestartet sind. Die Unicorns of Love sind ein sehr familiär geführtes Team bzw. Unternehmen, das eine immense Brand Identity hat. Wir haben gespürt, dass sie eine sehr enge Bindung zu ihren Fans haben.
Sie haben auch das Potenzial auf lange Sicht sportlich erfolgreich sein. Das hat sich im Laufe des Jahres auch bestätigt, u.a. mit dem zweiten Platz als bestes europäisches Team beim Rift Rivals-Turnier.
Kurz danach sind wir mit Team ROCCAT gestartet. Sie spielen, genau wie die Unicorns of Love, „League Of Legends“. Weiter ging es mit dem Weltranglistenersten des Counter-Strike: GO World Ranking: SK Gaming.
Wie findet ihr die passenden Vermarktungsansätze?
Auf der einen Seite benötigen wir werthaltige Plattformen für Werbetreibende. Das sind häufig eSports Organisationen an die wir glauben und mit denen wir einen Mehrwert für Marken verbinden können. Da geht es nicht um einmonatige Kampagnen, sondern um lange Partnerschaften. Das ist uns wichtig, auch wenn wir natürlich Test-Kampagnen anbieten.
Auf der anderen Seite wird das Thema Thema eSports für immer mehr Marken relevanter. Die Marken-Verantwortlichen wissen aber meist nicht, was sie wie, wo und wann konkret mit dem Thema machen können. Deshalb beraten wir mit dem Ziel die richtige Strategie für ein Engagement im eSports zu finden zu aktivieren.
Ergänzend dazu unterstützen wir auch Rechtehalter aus dem klassischen Sport, also z.B. Fußballvereine dabei das Thema eSports sinnvoll und langfristig in ihre Strukturen zu integrieren. Wir können z.B. dabei unterstützen, eSports-Abteilungen in den Vereinen zu implementieren, wie das bereits der VfL Wolfsburg und Schalke 04 getan haben. Viele Vereine verlieren ihre junge Zielgruppe nach dem Kids Club zwischenzeitlich. Das Thema eSports kann eine Option sein, diese Zielgruppe weiter an den Verein zu binden bevor sie Jahre später wieder ins Stadion geht.
Fußball-Vereine können mit der Hilfe von eSports auch ihre Marke international stärken. Und das Thema Digitalisierung allgemein, davon bin ich fest überzeugt, kann dadurch stark beschleunigt werden.
Du hast schon ausführlich die eSports-Teams angesprochen. Ich kann mir vorstellen, wie ihr mit den klassischen Sport-Teams, z.B. den 36 Erst- und Zweitligisten, in Kontakt tretet. Aus welchem Pool sucht ihr denn nach potenziellen eSports-Teams für euer Portfolio? Kann man das überhaupt wie im klassischen Sport abgrenzen?
Das ist viel, viel fragmentierter. Das liegt u.a. daran, dass es kein so klares Liga-System gibt. Für unterschiedliche Spiele-Titel existieren unterschiedliche Liga-Systeme. Es gibt keine klare Struktur, keine offizielle Weltmeisterschaft und auch keine Olympiade. Es gibt verschiedene Turnier-Modi, es gibt nationale Ligen, internationale Ligen, europäische Ligen, die sich alle sehr voneinander unterscheiden.
Das erschwert es, sich in dieses Themas hineinzudenken. Wie so ein Liga-System aufgebaut ist, wird teilweise vorgegeben. Das Computerspiel-Entwicklungsunternehmen Riot macht so etwas z.B. sehr protektionistisch. Das ist gar nicht negativ gemeint, ganz im Gegenteil. Das stärkt in diesem Fall die Verständlichkeit und den Ablauf.
Riot hat in Berlin ein Studio, in dem jede Woche, Liga-Spiele stattfinden. Die Teams müssen dort jede Woche spielen. Es gibt einen kleinen Zuschauerbereich, zudem werden die Spiele im Internet übertragen mit ca. 200.000 Zuschauern pro Game.
Durch verschiedene Punkte-Modi landen die Teams in sog. „Finals“. Pro Kontinent gibt es die Spring bzw. Summer Finals. Wenn du bei diesen Finals, die als Events stattfinden, genügend Punkte sammelst und deine Liga-Leistungen bestätigst, hast du eine sehr gute Chancen zu den „Worlds“ eingeladen zu werden. Das passiert auf jedem Kontinent. Bei den Worlds spielen dann die besten kontinentalen Teams gegeneinander die „League of Legends“-Weltmeisterschaft aus.
Dort können wir natürlich sehen, welche Teams wie weit kommen. Wie spielen sie im Ligabetrieb? Halten sich die Teams länger als ein Jahr? Haben sie bereits eine hohe Social-Media-Reichweite bzw. -Interaktion? Manche Teams haben z.B. 500.000 Fans, aber nur 30 Likes und Comments für ihre Beiträge. Es ist für uns auch eine entscheidende Vermarktungsgrundlage, dass wir hier mit „echter Reichweite“ und „echtem Engagement“ planen können.
Dann gibt es auch andere Spiele wie Counter Strike und Dota2. Deren Publisher Valve lässt komplett offen, wer wie welche Turniere umsetzt. Viele Turniere werden hier von der ESL ausgerichtet aber auch von Valve selbst. Das höchstdotierteste Turnier von Valve ausgerichtete Turnier, „The International“, ist mit knapp 25 Millionen Dollar Preisgeld belegt. In der ESL gibt es auch ein nationales Prinzip sowie Major- und Minor-Turniere. Dort kannst du dich hochspielen, wirst aber auch teilweise eingeladen. Das Prinzip ist etwas schwierig zu durchschauen, aber auch hier kristallisiert sich ein Kreis an Top-Teams heraus.
Zudem gibt es viele Newcomer. Aber soweit, dass wir uns diese flächendeckend und gezielt anschauen, sind wir noch nicht. Es funktioniert nicht so einfach, dass man sich ein junges Team aussucht, viel Geld hineinsteckt und automatisch ein Top-Team formt.
Letztlich müssen auch immer die Vision und die persönliche Bindung passen. Es bringt nichts, wenn wir mit Investoren oder CEOs von Unternehmen sprechen, die ein Team nach zwei Jahren wieder gewinnbringend verkaufen möchten. Vermarktungsmandate würden wir in diesem Kontext nicht schließen.
Wir legen für uns und für die Sponsoren unsere Hand ins Feuer für einen nachhaltigen Ansatz.
Du hast schon einige Marktteilnehmer genannt: eSports-Teams, Fußball-Klubs, Sponsoren, Ligen oder auch die Spieler selbst. Könntest du den eSports-Markt kompakt abgrenzen?
(siehe Grafik) Die professionellen eSportler stehen natürlich im Zentrum. Diese Spieler tun sich in Teams zusammen und treten wiederum in Ligen gegeneinander an. Die Wettbewerbe werden in den Spielen verschiedener Games-Publisher ausgefochten. Je nach Grad der Marktentwicklung kommen verschiedene Stakeholder wie z.B. Medienunternehmen oder Sportrechtehalter dazu.
Es gibt erste Bestrebungen in Richtung Verbände. Einige Ansätze klingen vielversprechend, aber ich würde noch auf keinen dieser Ansätze eine Wette abschließen. Nicht wünschenswert fände ich eine Situation mit mehreren Verbänden, wie z.B. beim Boxen. Besser wäre natürlich eine Organisation, die das Thema bündelt. Das thema wird derzeit heiß diskutiert. Es ist aber noch nicht an dem Punkt, dass wir es in unsere Planungen mit einbeziehen.
Das sind ja wirklich viele Player, größtenteils mit starken Positionen. Heißt: Der eSports-Markt könnte etwas mehr Struktur vertragen, aber es ist nicht realistisch ein, für den klassischen Sport, übliches Ligen-System aufzubauen?
Ich weiß nicht, ob das klappen würde. Historisch betrachtet ist das eSports-Ökosystem in der Lage, seine Probleme selbst zu lösen. Es ist aus meiner Sicht ein sich selbst regulierender Markt.
Vor zehn Jahren wollten die Akteure TV-Sender dafür gewinnen, ihre Spiele auszutragen ohne entsprechendes Geld zu verlangen. Die TV Sender allerdings wollten Geld von den Gamern. Das Ergebnis war, dass die sich ihre eigene Streaming-Plattformen gebaut haben. Eine davon, „Twitch“, wurde von Amazon vor ein paar Jahren für knapp eine Milliarde Dollar gekauft. Ähnliches passiert gerade an ganz vielen anderen Stellen auch.
Wenn etwa Sportarenen keine eSports-Events möchten, dann könnte man diese Arenen eben auch selbst bauen. Manchmal profitieren dann eher unscheinbare Städte wie Kattowitz (Polen). Viele andere Städte und Arenen waren zu teuer, der Betreiber in Kattowitz war froh, seine Arena füllen zu können. Mittlerweile ist die Stadt eine feste eSports-Institution.
Bei vielen Trends bleibt oft die Frage: Wie gehen die etablierten Player damit um – speziell aus der klassischen Sportwelt? Wie bewertest du z.B. die Aktivitäten von Schalke 04 und dem VfL Wolfsburg?
Ich finde den Mut dieser Klubs absolut lobenswert und deren Engagement auch richtig! Ich würde mir wünschen, dass mehr Akteure investieren. In Deutschland sind wir aber – wenig überraschend – etwas zu konservativ. Die Amerikaner sind etwas experimentierfreudiger.
Ein Engagement im eSports ist nicht nur sinnvoll, sondern irgendwann auch notwendig. Wenn du den Bereich jetzt nicht sukzessive selbst aufbaust, bist du vielleicht in fünf bis zehn Jahren in einer Situation, dass du eine eSports-Organisation für viel Geld akquirieren musst.
Zu deiner Frage: Ich finde es gut. Die meisten Vereine fangen natürlich mit EA Sports FIFA an. Nun ist FIFA im eSports-Kontext recht weit unten angesiedelt, die großen Titel sind Dota2, Counter Strike oder League of Legends. Trotzdem bietet FIFA eine gute Brücke zwischen dem, was viele Menschen kennen und dem, was neu ist.
Für Teams in der holländischen ersten Liga ist z.B. verpflichtend, einen FIFA-Spieler zu engagieren. Diese spielen in einem Liga-ähnlichen Modus gegeneinander. Ob es der richtige Weg ist, Vereine zu verpflichten, sei dahingestellt. Viele Vereine wirken damit etwas überfordert. Ich finde es schon wichtig, das Thema nachhaltig aufzubauen.
FIFA ist der kleinste Schritt mit dem geringsten Invest. Letztlich verkauft man ein Produkt am besten mit einer emotionalen Bindung. Und momentan sind die Entscheider noch nicht mit dem Thema verbunden, höchstens durch ihre Kinder. Etwas jüngere Entscheider wiederum waren vielleicht selbst Gamer und springen etwas schneller auf den Zug auf. Wenn das passiert, wird das Engagement auch zunehmen. Bei der Altersstruktur in den Vorstandsetagen ist das Thema eSports derzeit noch recht erklärungsbedürftig.
Bis viele Vereins-Chefs tatsächlich bereit sind, jährlich Millionen-Beträge für eSports-Teams auszugeben, wird es noch dauern. Das Geld fließt im Zweifel eher in die Gehälter klassischer Spieler. Das hemmt aber die Digitalisierung im Fußball allgemein.
Es ist natürlich sehr nachvollziehbar, dass die Vereine genau prüfen, wie ihre Fans auf ein Thema wie eSports reagieren. Da gehen die Meinungen sehr auseinander. Unter Fans bauschen sich Fragen wie „Ist das überhaupt ein richtiger Sport?“ noch schneller auf.
Für europäische Top-Klubs könnte es mittlerweile sogar negativ ausgelegt werden, in das Thema eSports einzusteigen. Viele würden ihnen nachsagen, dass sie “nur wegen des Geldes” auf den Hype aufspringen. Hier die richtige Markteintrittsstrategie zu finden, z.B. mit dem Fokus auf Nachwuchsförderung, ist der Schlüssel.
Wenn ich Verantwortlicher eines eher kleinen Klubs wäre, was würdest du mir empfehlen, um ohne umfangreiche Invests im eSports-Markt starten zu können?
Bis sich die ersten Erfolge einstellen, kann es schon zwei bis fünf Jahre dauern. Darauf sollte sich der Klub einstellen.
Um ein Invest zu stützen, gibt es natürlich auch Vermarkter und Sponsoren, die Klubs dafür begeistern können. Viele Sponsoren interessieren sich bereits für das Thema. Es kann sinnvoll sein, Sponsoren zum Teil des Projektes zu machen, gemeinsam den Weg in den eSports zu gehen. Bei diesem Ansatz würden die Klubs auf recht solidem wirtschaftlichen Terrain stehen und auch die Sponsoren enger an sich binden.
Nun haben einige Klubs schon Probleme, genügend Ressourcen für ihren Social-Media-Bereich aufzubauen. Wäre ein Schritt in den eSport dann nicht mindestens einer zuviel?
Den Punkt verstehe ich, aber als Verantwortlicher kann ich auch zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Das Know-how, das ich im Social-Media-Bereich nicht habe, kann ich ja kompensieren. Mit eSports holst du dir gleichzeitg auch Digital-Kompetenz und Social-Media-Affinität ins Haus. Ich sehe es eher als eine Teillösung des Problems.
Es gibt aber auch noch Klubs, bei denen Studenten sich um Social Media kümmern. Darunter leidet dann aber auch die Qualität und das Ergebnis ist nicht vermarktbar, so dass potenzielle Umsätze brach liegen. Für viele funktionieren Trikot- und Bandenwerbung noch gut. Aber das Ganze muss auch aktiviert werden. Die Kombination mit eSports kann hier gut funktionieren.
Ist das Thema eSports bereits im Mainstream etabliert?
Ich glaube, nicht. (lacht) In meiner Welt, ja, weil ich mich fast nur noch damit beschäftige. „Mainstream“ würde aber bedeuten, dass es auch eine Anerkennung auf politischer und DOSB-Ebene gibt. Viele Parteien haben eSports in ihr Programm aufgenommen. Der DOSB hat das Thema noch nicht in der Form akzeptiert, dass es als Teil des Sports gesehen wird. Daher spricht aus meiner Sicht sehr viel dafür.
Bei den Asienspielen 2022 wird eSport als offizielle Sportart aufgeführt. Diese Akzeptanz müsste es auch in Deutschland geben, um sich im Mainstream zu etablieren. Ich glaube, dass klassische Fernsehen kann dafür auch Mittler sein. Ich glaube aber nicht, dass eSports das TV brauchen, sondern das TV eSports.
Gamer müssen insoweit akzeptiert werden, dass ihre Wettbewerbe nicht mehr nur diesen nischigen oder nerdigen Charakter haben. Das ist für mich aber nur eine Frage der Zeit, da es ein Generationsthema ist. Wenn die aktuellen Unterstützer in fünf bis zehn Jahren alterstechnisch in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, wird die Relevanz größer sein.
Du hast das Thema Alter angesprochen. Wird denn im eSports schon strukturierte Nachwuchsarbeit betrieben?
Das hat aus meiner Sicht noch Potenzial. Zum Vergleich: Ein Fußballprofi wird allerfrühestens mit 17 Profi, eher später. Das sind eigentlich noch Kids, die in ein System reingeworfen werden, in dem sie sehr schnell sehr viel Geld verdienen und bei dem sich immer irgendwer um sie kümmert.
Im System „eSports“ sind die Kids sogar noch jünger. Für eine eSports-Organisation bedeutet das, dass die früh genug Verantwortung übernehmen müssen, um den Nachwuchs ein solides persönliches, psychologisches und sportliches Fundament zu stellen. Deshalb müssen Organisation oder Vereine das Thema auch nachhaltig angehen. Sonst verbrennen sie die Kids.
Für Fußballvereine ist es eine riesige Chance, weil sie es gewohnt sind, solche Rahmenbedingungen zu kreieren. Bei Profi-eSportlern sind die Rahmenbedingungen teilweise auch schon sehr professionell. Sie haben z.B. Psychologen, Köche oder Assistenztrainer. Die Jungs wollen alle in einem Haus und haben einen klaren Tagesablauf.
Neben täglichem Training kommt der Teil hinzu, in dem sich die eSportler persönlich weiterentwickeln sollen. Dieser Teil ist derzeit noch ein interessantes Wachstumsfeld. Daran partizipieren könnten u.a. Schulen, Universitäten oder öffentliche Einrichtungen. Dann können Themen wie z.B. Spielsucht frühzeitig angesprochen und verhindert werden.
Wenn ich zum Thema eSports mit meinem Halbwissen glänzen möchte, was sind die fünf Marktteilnehmer, die ich auf jeden Fall kennen muss?
- Die ESL als größte Liga, die sich auch gerne so verkauft. Noch ist sie der wichtigste Player.
- Die Publisher, also die Hersteller der Spieler, vor allem Riot und Valve. Riot hat LoL entwickelt, Valve wiederum Counter-Strike und Dota 2.
- Einige Teams, z.B. Fnatic, G2 und SK Gaming. Diese Teams sind seit langem im Markt erfolgreich.
- Als „Sky des eSports“ würde ich auch Twitch dazu zählen. Dort wird im Prinzip jedes Spiel übertragen.
- Wenn man noch tiefer gehen und wissen möchte, wie Gamer ticken, solltest du dir auf Reddit anschauen, wie Meinungen und Hypes entstehen. Themen, die dort diskutiert werden, können je nach Bewertung der Community, entscheidend beeinflusst werden.
Unabhängig vom Thema eSports: Welcher Trend wird aus deiner Sicht unterschätzt, welcher überschätzt?
(lacht) Für beide Extreme würde ich sagen: eSports. Wenn du heute zum Thema eSports sprichst, gibt es viele Berater, Agenturen oder Experten, die mitreden möchten. Viele stellen sich auf die Bühne und erzählen, wie groß und toll alles ist. Wie sich das Thema aber für die einzelnen Akteure auswirkt, ist die eigentliche Herausforderung. Wie mache ich eSports konkret für mich nutzbar?
Es fließt viel Geld in den Markt, was ich an vielen Stellen überhaupt nicht nachvollziehen kann. Ich wundere mich, ob die Geldgeber eine geheime Formel haben. Vielleicht wissen sie etwas, das ich nicht weiß. In diesem Markt solche Wetten abzuschließen, ist schon bedrohlich.
Gleichzeitig werden eSports aber auch unterschätzt. Viele Leute wehren sich immer noch dagegen, das Thema anzuerkennen. Man kann sich bei der Strategiefindung ja auch Zeit lassen, gar kein Problem. Aber es zu ignorieren ist wirklich ein großer Fehler.
Unabhängig davon ist das Thema Virtual Reality absolut überschätzt. 90 Prozent in der Branche sehen dies vermutlich anders. Es ist ein schönes Hype-Thema und wird bestimmt irgendwann auch ein Game Changer sein. Ich glaube aber auch, dass es nicht in den nächsten drei bis fünf Jahren passieren wird, sondern in zehn Jahren.
Wir laufen dann auch nicht mit diesen großen Brillen herum, das muss wesentlich nativer umgesetzt werden um die kritische Masse zu erreichen. Wenn ich auf Virtual Reality wetten müsste, würde ich zuallererst auf den B2B-Bereich setzen. Anwendungsfelder sind dann Design oder Architektur. Geld würde ich in VR Sound investieren, den braucht man nämlich in beiden Fällen.
Wann VR wirklich im B2C-Markt ankommt, das finde ich schwierig zu prognostizieren.
Gerade dafür wären eSports aber ein großer Treiber, oder?
Klar, stellt man sich z.B. ein Spiel wie Counter-Strike in Virtual Reality vor, wäre es für die Nutzer natürlich der absolute Wahnsinn. Das hat im Gaming ein enormes Potenzial. Aber Stand jetzt ist das Thema noch nicht so weit, dass wir uns intensiv damit beschäftigen können.
Zum Anschluss: Was wünschst du dem matchplan mag zum Start?
Ganz viele Clicks, ganz viele Likes. Ich würde mir wünschen, dass es noch mehr visuelle Formate, also auch Video-Content gibt – gerne auch noch vermehrt im Social-Media-Umfeld. Also weiter viel ausprobieren, damit die Inhalte noch besser aktiviert werden. Das könnte ein guter nächster Schritt sein!
André, vielen Dank für das spannende Gespräch!
Übrigens, hier gibt’s alle Infos zur „expert week“ und zum Start von matchplan mag.