Das Smartphone bestimmt mehr und mehr unseren Alltag. Ping hier, Benachrichtigung da, SMS hier, Mail da. Unser Kolumnist Guido Augustin hat einen Urlaub lang versucht, auf alle Benachrichtigungen zu verzichten. Seine Erfahrungen.
Der von mir genutzte Geräteumfang meines iPhones hätte vor seiner Erfindung Stadtteile gefüllt. Fotokamera, Walkman, Schreibmaschine, Diktaphon, Kompass, Bankfiliale, Personal Trainer, Telegrafenamt, Wasserwaage, Einkaufswagen, Landkarte, Adressbuch, Lexikon, Spielhalle, Filmstudio, Aktenschrank, Fahrtenbuch, Bücherregal, Taschenrechner, Stoppuhr, Reisebüro, Fachmagazin – und Telefon.
Trotz der unumstrittenen Segnungen kämpfen wir den täglichen Kampf, wer über unser Leben bestimmt. Heute verschenke ich einen Zauberspruch, der Wunder wirkt!
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Offline-Urlaub geht doch nicht?
Wir waren Anfang Juli zwei Wochen im Familienurlaub. Urlaub, das habe ich noch in der selig unseligen New Economy gelernt, verdient nur dann seinen Namen, wenn ich offline bin.
Diesmal jedoch hatte ich die Herausforderung, dass mein Personal Trainer mitfuhr – das iPhone nämlich mit Apps für Fitnesstraining und Laufen. Den „Flugmodus“ zu nutzen, war der erste Gedanke, funktioniert aber nicht, da dann das GPS deaktiviert wird – und was ist schon Laufen, ohne zu wissen, wie weit die Strecke ist.
Doch ich wusste: Wenn ich das Gerät aktiviere, sehe ich Nachrichten, Mails, News und was sonst noch so alles auf den Bildschirm hüpft, wenn wer anders das für richtig und wichtig hält. Da wurde mir klar, dass ich drauf und dran war, die Kontrolle zu verlieren, wie, wann und wo ich dieses Gerät nutzen wollte.
Tatsächlich gewinne ich, wenn ich mich umsehe, häufig den Eindruck, die Smartphones haben die Menschheit im Griff – und nicht umgekehrt. Es scheint mehr und mehr, als entschieden andere, die über das kleine Ding direkten Zugang zu unserem Hirn bekommen, was wir wann wie tun. Wer ist schon mal beschimpft worden, weil er eine Nachricht nicht oder zu langsam beantwortet hat oder nicht ans Telefon ist? Ich dieser Tage erst.
Wenigstens habe ich mein iPhone schon (fast) immer auf lautlos geschaltet, weil ich das permanente Geklingel und Getute überhaupt nicht mag. Doch was nutzt das, wenn das Smartphone in Sichtweite bleibt.
Die Lösung, der Zauberspruch lautet: „Schalte alle Benachrichtigungen ab!“ Bis ich das tat, meldete sich mein Hirntraining Lumosity täglich um 12, WhatsApp und andere Messenger in Echtzeit, sobald jemand etwas schrieb, Spiegel Online bei allem, was sie für wichtig hielten (zumeist war ich anderer Meinung), Paypal, wenn ich etwas bezahlt hatte, Spam-Mails, App-Updates, Newsletter, Rabatte, Termine, die ewigen Facebook, Twitter-Erwähnungen …
Ein Tag ohne Benachrichtigungen verändert den Menschen
In den USA wollte ein Forscher-Team untersuchen, wie 30 Probanden darauf reagieren, wenn sie für mindestens eine Woche alle Benachrichtigungen auf ihrem Smartphone abschalten. Das Ergebnis kennen wir nicht – denn sie fanden keine 30 Menschen, die bereit waren, sich auf diesen schwerstmöglichen Eingriff in ihr Leben einzulassen.
Immerhin, so hatte eine andere Studie herausgefunden, würden sie durchschnittlich auf 63,5 Störungen pro Tag verzichten – wer will das schon.
Doch sie gaben nicht auf, reduzierten die Anforderungen auf einen Tag ohne Geklingels – das klappte, sie bekamen gerade so 30 Teilnehmer zusammen. Was herauskam, war krass: Die Teilnehmer berichteten, dass sie sich weniger gestört fühlten, arbeiteten konzentrierter. Rund zwei Drittel behielten die neuen Einstellungen über das Experiment hinaus bei, selbst zwei Jahre später hatte ein Drittel noch reduziert.
Ich habe nichts verpasst
Der Urlaub ist nun über zwei Wochen her – und ich bin noch immer in einer recht entspannten Grundstimmung. Das hat mehrere wichtige Gründe. Einer gehört gewiss dazu: Die Benachrichtigungen sind immer noch ausgeschaltet. Der Startbildschirm meines iPhones ist – von der Uhrzeit und dem Hintergrundbild des roten Mondes abgesehen – leer.
Habe ich seither einen Termin verpasst, eine Abgabefrist, ein Sonderangebot, eine Business-Option und die Chance, endlich Multimillionär zu werden? Nein, nein und nochmals nein. Wenn ich Zeit habe und es für notwendig halte, schaue ich auf mein Telefon. In den Ordner, wo die Messenger liegen, auf die E-Mails, den Kalender, meine Taskliste. Das genügt völlig.
Und weil es so schön war, habe ich direkt meinem iMac am Schreibtisch verboten, mich ungefragt zu stören. Ich erfahre nun Stunden später von Programm-Updates, lese E-Mails, wenn ich mich dafür interessiere und die Zeit dafür habe, gestalte meinen Tag morgens, wenn es mir passt. Ich kann denken, schreiben, planen, ohne (von meinen Geräten) gestört zu werden.
Liebe Freunde, wenn ich mal nicht binnen drei Minuten auf eine WhatsApp antworte, bin ich dennoch am Leben – womöglich besser als vorher.