Nacktheit, Tierquälerei und Gewalt gegen Flüchtlinge: Das Facebook-Löschteam in Berlin bearbeitet jeden Tag Zehntausende gemeldete Beiträge. Jetzt durfte erstmals ein Kamera-Team das Löschzentrum besuchen.
Dennis Horn arbeitet für den Westdeutschen Rundfunk (WDR) und das ARD Morgenmagazin und bezeichnet sich selbst auf seinem Twitter-Profil als „Nerd vom Dienst“. Gemeinsam mit drei weiteren Journalisten aus Deutschland und einem Kamerateam durfte er das Facebook-Löschteam in Berlin besuchen. Herausgekommen ist ein sehenswerter Drei-Minüter.
Im Berliner Westen arbeiten circa 600 Mitarbeiter der Bertelsmann-Tochter Avarto für das soziale Netzwerk von Mark Zuckerberg. Sie sind damit beauftragt, alle gemeldeten Beiträge und Personen aus Deutschland möglichst schnell zu bewerten und anschließend gegebenenfalls zu löschen.
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Seit dem Beschluss des Netzwerkdurchsuchungsgesetzes durch Justizminister Heiko Maas und den Bundestag dürfte der Druck noch weiter steigen. Die neue Regelung sieht vor, dass „offenkundig strafbare Inhalte“ innerhalb einer Tagesfrist gelöscht werden.
Wenig Zeit und unglückliche Mitarbeiter?
Ende 2016 hatte als erstes Portal in Deutschland Mobile Geeks über die Arbeitsbedingungen im Facebook-Löschteam berichtet. Der Vorwurf, dass Maschinen und Algorithmen über die Löschung von gemeldeten Inhalten entscheiden, konnten Carsten Drees und sein anonymer Kontakt widerlegen.
Jeder Beitrag wird tatsächlich von einem Mitarbeiter bewertet. Dass dafür nicht sonderlich viel Zeit vorhanden ist, wird deutlich, wenn man bedenkt, dass alleine das „Fake Not Real Person“ oder kurz das FNRP-Team täglich rund 10.000 Meldungen bearbeiten muss. Gearbeitet wird im Zwei-Schichten-System.
Bildergalerie: So sieht die Facebook-Zentrale in Hamburg aus
Im Gegensatz zu den Recherchen der Süddeutschen Zeitung, die von Überbelastung und unglücklichen Mitarbeitern sprechen, sagt der Mobilegeeks-Informant, dass er es primär schade findet, dass die strikten Facebook-Regeln es den Mitarbeitern manchmal nicht erlauben, offensichtlich rassistische oder gewaltverherrlichende Inhalte nicht zu löschen, da sie nicht eindeutig gegen die Vorgaben verstoßen.
Verwunderung beim Facebook-Löschteam
Ein ähnliches Bild präsentiert sich auch WDR-Journalist Horn im Gespräch mit ausgewählten Mitarbeitern. Bei seinem dreistündigen Besuch beim Facebook-Löschteam darf er ohne Aufzeichnung mit Avarto-Angestellten sprechen.
Sowohl die schlechten Arbeitsbedingungen als auch die psychischen Probleme hätten Verwunderung hervorgerufen, schreibt Horn. Der Journalist erklärt, dass allen Mitarbeitern Psychologen zur Verfügung stünden und niemand dazu gezwungen werde, sich mit Gewaltdarstellungen, Selbstmorden oder Vergewaltigungen auseinanderzusetzen. Eine Versetzung in ein anderes Team werde immer überprüft.
Die Mitarbeiter selbst „sind stolz, diesen Job zu machen“, wie eine Angestellte im Interview sagt. Wenn jemand mit der Arbeit nicht zurecht kommt, muss er sich melden, fordert ein Teamleiter im Facebook-Löschteam: „Ich kann schwer beurteilen, wer hier Hilfe braucht und wer nicht.“
Klare Vorgaben und „gezielte Transparenz“
Obwohl es nun erstmals Bilder vom Facebook-Löschteam gibt und die Gespräche die vorherrschenden Meinungen offenbar widerlegen, bleibt sich Facebook treu. Voraussetzung für den Besuch war für Dennis Horn und sein Team die Einhaltung der folgenden Regeln:
- Kein Kamerainterview mit Mitarbeitern
- Gespräche nur mit ausgewählten Mitarbeitern
- Nur circa 15 Minuten Zeit für Aufnahmen
Dementsprechend fällt das Fazit von Dennis Horn auch gemischt aus: „Die Transparenz, die das Unternehmen dabei hergestellt hat, war eine gezielte: Bei Fragen nach konkreten Zahlen, zum Beispiel zur Fehlerquote bei Löschentscheidungen oder zur Zahl der Mitarbeiter, die sich konkret um deutschsprachige Inhalte kümmern, gab es sich weiter verschlossen. Zu den Arbeitsbedingungen im Löschzentrum dagegen nahmen die Vertreter von Facebook und Arvato ausführlich Stellung.“
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