Der 1. FC Köln hat seinen Fans gestern den größten Erfolg seit mindestens 25 Jahren präsentiert. Videos davon möchte die Deutsche Fussball Liga GmbH in den sozialen Netzwerken aber nicht sehen.
Uns liegt eine E-Mail von Twitter vor, in der die Deutsche Fussball Liga GmbH, also das Unternehmen hinter der DFL, Twitter anweist („Dear Twitter, please take down…“), mehrere Tweets mit Multimedia-Material zu löschen. Die Firma beruft sich dabei auf ihre Lizenzen und Verstöße gegen das Copyright.
Konkret geht es in dieser E-Mail um 10 Tweets mit Videos von Nutzern, Fans und einem Fanmagazin des 1. FC Köln. Einige Videos sind binnen weniger Stunden von Twitter gelöscht worden, einige sind zum jetzigen Zeitpunkt (11 Uhr) noch online.
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Unklar ist, ob und wenn ja, wie viele weitere E-Mails es von der Deutsche Fussball Liga GmbH an Twitter gibt.
Videos vom „Platzsturm“ nicht erlaubt
Die Tweets haben eines gemeinsam: Sie zeigen die Momente, in denen es zum so genannten „Platzsturm“ kommt. Dabei stürmen die Fans am letzten Spieltag nach Abpfiff das Feld und feiern gemeinsam mit ihrer Mannschaft den Erfolg der zurückliegenden Saison. So geschehen in den Tweets beim 1. FC Köln, in Hamburg beim HSV und in Frankfurt.
Die Tweets sind alle zwischen 18 Uhr und 19:05 Uhr veröffentlicht worden, also meist direkt aus dem Stadion oder kurz danach. Die E-Mail der Deutsche Fussball Liga GmbH kam dann gegen halb 10 Uhr am Abend. Darin heißt es:
Hello, the following material has been removed from your account in response to the DMCA takedown notice copied at the bottom of this email
Lizenzen und Urheberrechte
Ein Einspruch ist zwar möglich, in dem Fall aber wahrscheinlich nicht sehr erfolgsversprechend. Dass Multimedia-Material aus Fußballstadien nur für den privaten Gebrauch erlaubt ist, ist hinlänglich bekannt. Die Deutsche Fussball Liga möchte damit verhindern, dass zu viel Material frei verfügbar rausgeht.
Deswegen steht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen beim Ticketkauf (etwa beim 1. FC Köln unter 13.4):
Untersagt ist dem Kunden (…) die Mitnahme von Bild- oder Tonaufnahmegeräten einschließlich Videokameras sowie die Herstellung von Ton- oder Bildaufnahmen der Veranstaltung, deren kommerzielle Verbreitung und die Unterstützung anderer Personen bei derartigen Aktivitäten, es sei denn, es liegt eine vorherige Erlaubnis des 1. FC Köln vor oder der Vorgang vollzieht sich im rein privaten Bereich
Die Zwickmühle für die Klubs und die DFL sind dabei u.a. die Lizenzen, die sie an die Fernsehsender verkaufen. Wenn sie nicht mehr gewährleisten, dass Highlights nur bei diesen Lizenzpartnern erscheinen und jeder alles schon kostenlos bei Twitter und Facebook gesehen hat, haben die Medienhäuser keinen Anreiz mehr, die Lizenzen zu kaufen.
„Ohne vorherige Zustimmung der DFL“
Nun kann man aber in diesem konkreten Fall sehr wohl darüber streiten, ob es beim Saisonabschluss nach Abpfiff des Spiels zielführend für die Deutsche Fussball Liga GmbH, die in diesem Fall vertreten wird von Athletia Sports, einer Sportagentur aus Köln, Fans das Veröffentlichen von kurzen Jubelvideos zu untersagen.
Die Deutsche Fussball Liga GmbH argumentiert in der E-Mail an Twitter wegen der Stadion-Videos:
According to the ground regulations it is not allowed to publish and/or distribute any material (meaning audio, visual oder audio-visual) recorded autonomously during match or league operations of DFL Deutsche Fussball Liga GmbH and its respective clubs without prior approval of DFL Deutsche Fussball Liga GmbH.
Hier die Argumentation im Original:
Verstöße gegen das Urheberrechtsgesetz
Sie beruft sich zudem vorsorglich bei Videos vom Spielgeschehen auf § 2, Abschnitt 6 des „Act on Copyright and Related Rights“ (also des Urheberrechtsgesetzes). Darin heißt es:
Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere: (…) Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden
Zudem noch auf § 94. Darin heißt es:
Der Filmhersteller hat das ausschließliche Recht, den Bildträger (…), auf den das Filmwerk aufgenommen ist, zu vervielfältigen, zu verbreiten und zur öffentlichen Vorführung, Funksendung oder öffentlichen Zugänglichmachung zu benutzen. Der Filmhersteller hat ferner das Recht, jede Entstellung oder Kürzung des Bildträgers (…) zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten Interessen an diesem zu gefährden.
Schnelligkeit und Konsequenz überrascht
Dabei mögen die Deutsche Fussball Liga GmbH und das ausführende Twitter rechtlich korrekt handeln. Ob sie sich aber einen Gefallen tun damit? Viel sinnvoller wäre gewesen, im Einzelfall (auch wenn das bei der Masse schwierig sein mag) zu entscheiden, ob ein Video tatsächlich relevante Spielszenen zeigt.
Zudem sollte auch der Zeitpunkt der 10 Video-Tweets (45 – 100 Minuten nach Abpfiff am 34. und damit letzten Spieltag) berücksichtigt werden.
Fingerspitzengefühl Fehlanzeige
Denn was bleibt so nun am Ende zurück: Verunsicherte Fans, die eine juristische E-Mail bekommen, weil sie ihre Vereine mit einem kurzen, selbstgedrehten Clip im Netz feiern. Zudem Unsicherheit und Frust über das konsequente und überraschend schnelle Vorgehen von DFL und Twitter.
Sport, Emotionen und Social Media gehören längst zusammen. Und auch wenn es einen rechtlichen Rahmen braucht, heißt das nicht, dass man ihn immer gleich in dieser Konsequenz durchsetzen muss. Bis auf das Fanmagazin des 1. FC Köln handelte es sich ausschließlich um private Nutzer und keine Business-Accounts.
Ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl wäre wohl angebracht gewesen.
Da sieht man was für pervese Ausmaße dieses Geschäft mit Übertragungslizenzen annimmt. Es ist ja nicht so, als wären das Hollywood Blockbuster, die man illegal streamt und die aufwändig produziert wurden. Der Betreiber stellt das Stadion bereit und bezahlt die Mannschaften, aber das dort waren ja nicht nur die Spieler, sondern auch die Fans.
Abgesehen davon, sollte man mal gesetzlich überlegen, ob dieser Takedown berechtigt ist. Denn in einigen Fällen kann das öffentliche Interesse an so einem „Platzsturm“ ja schwerer wiegen als das Hausrecht des Veranstalters. Soziale Medien sind meiner Meinung nach schon lange als Newsquellen zu sehen, auch wenn sie nicht von professionellen Journalisten erstellt wurden.
Ähm … die zitierten Gesetze schützen ja „Filmwerke“. Die Urheber dieser Filmwerke sind aber doch die Fans, nicht die Fußballiga.
Inwieweit kann die Liga daher argumentieren, sie sei Urheberin? Sie könnte doch höchstens zivil- oder ggf. wettbewerbsrechtlich argumentieren. Aber doch nicht urheberrechtlich.
Ich bin auch kein Jurist, aber meine laienjuristische Erklärung ist: Das Urheberrecht an den Übertragungen / der Szenerie (so wie du ja auch ein Urheberrecht an Bauwerken haben kannst und sie nicht jeder fotografieren und veröffentlichen darf) haben die DFL bzw. die Klubs. Dadurch verstößt du gegen das Urheberrecht, wenn du diese Szenerie fotografierst, filmst und dann gewerblich nutzt (wobei noch zu klären wäre, was denn hier nun gewerblich ist und was nicht).
Bei YouTube übrigens das gleiche…
Mein 22 minütigen Zusammenschnitt der Fankurve wurde ebenfalls mit angeblichem Copyrightverstoß entfernt und es waren def. keinerlei Spielszenen zu sehen. Auch ein Antrag auf Aufhebung der lt. Youtube automatischen Sperrung wurde nach manueller Prüfung abgelehnt. Vor ein paar Jahren gab es mal mit fortuna-videos.de das gleiche Problem. Dort wurden nachher die Videos wieder freigeschaltet. Wir werden mal gucken wie es weiter geht…
Dabei sind es i.d.R. gerade diese Videos, die für die Vereine so wertvoll sind. Man muss nur mal über den großen Teich schauen, wie die Profiligen das dort machen…
Ob da wirklich das beanspruchte DFL-Recht verletzt ist (Leistungsschutzrecht des Filmherstellers)? Die jeweiligen „Platzsturm“-Filme sind schließlich eigene Aufnahmen der Stadionbesucher, die gerade nicht auf dem Originalwerk der DFL als Filmhersteller basieren. So richtig lässt sich der „Platzsturm“ auch nicht unter die DFL-Beschreibung ihres Originalwerks subsumieren, weil weder eine Spielsituation noch eine Ligaoperation (was ist das, wenn nicht z.B. die Übergabe der Meisterschale oder des DFB-Pokals?) zu sehen sein dürfte.
Erinnert an den „hartplatzhelden.de“-Fall, in dem der Bundesgerichtshof dem Württembergischen Fußballverband ins rechtliche Stammbuch schrieb, dass er es hinzunehmen habe, wenn kurze Filmausschnitte von Amateurfußballspielen seiner Mitglieder im Internet öffentlich zugänglich gemacht werden. Er könne sich über die ihm angehörigen Vereine eine wirtschaftliche Verwertung der Fußballspiele in seinem Verbandsgebiet dadurch hinreichend sichern, dass Besuchern der Fußballspiele Filmaufnahmen unter Berufung auf das Hausrecht untersagt werden. Hätten dementsprechend nicht auch hier die jeweiligen Vereine anstelle der DFL vorgehen müssen?
Auf der Basis des AGB-Beispiels des 1. FC Köln wäre das vermutlich sogar gut möglich, weil hiernach bereits „die Mitnahme von Bild- oder Tonaufnahmegeräten einschließlich Videokameras sowie die Herstellung von Ton- oder Bildaufnahmen der Veranstaltung“ untersagt ist. Dementsprechend kann man noch nicht einmal davon ausgehen, dass Multimedia-Material aus dem Stadion des 1. FC Köln überhaupt und sei es auch nur „für den privaten Gebrauch erlaubt“ wäre.
Genialer Beitrag, Tobias! Sie adressieren ein Ärgernis, das bei vielen Unmut auslöst, weil das Verhalten, das dahinter steckt einfach nicht mehr in unsere Zeit passt. Und es berührt einen Teil unseres Lebens: Unsere Freizeitgestaltung und unsere Erholung. In den Büros solcher Organisationen sitzen manchmal Leute, denen das egal ist, oder die gar nicht in der Lage sind die Zusammenhänge zu erkennen, weil sie zu altdenkend, zu wenig geschult oder einfach nur fahrlässig sind. Bei der DFL wird es keinen Chef geben, der schlau genug ist über den Tellerrand zu sehen, um den Wert von Fanvideos zu erkennen. Da muss zuerst jemand aus der jüngeren Generation auftauchen, um einen anderen Mindset umzusetzen. Solange müssen die Fans die Zähne zusammenbeißen oder einfach mal das Stadion nach so einer Aktion boykottieren und/oder auf den sozialen Plattformen ihrem Unmut Ausdruck verleihen.
Beim Öffentlich-Rechtlichen-Fernsehen ist das übrigens auch so. Da bereichern sich viele an unseren Gebühren und scheren sich wenig um die Bedürfnisse der Zuschauer. Nur die könnten wir relativ schnell abwählen, weil wir sie für etwas bezahlen müssen, das wir eigentlich überhaupt nicht mehr haben wollen.