Immer mehr Medienhäuser springen gerade von Facebooks Instant Articles ab. Warum tun sie das? Und sind damit die zahlreichen Sorgen über den Plattformjournalismus hinfällig?
Als Facebook im Mai 2015 seine neuen Instant Articles einführte, waren die Reaktionen gespalten. Wirtschaftlich betrachtet waren sie für die teilnehmenden Medienhäuser verheißungsvoll. Artikel sollten, wenn sie denn auf Facebooks Server abgelegt werden, für Leser auf dem Smartphone bis zu 10 mal schneller laden. Durch bewegte, interaktive Bilder und beispielsweise 3D-Kartenmaterial sollten Artikel optisch außerdem ansprechender und schöner werden.
Eine Möglichkeit also, mehr Leser zu erreichen. Selbst vermarktete Werbeeinnahmen sollten dabei vollständig bei den Medienpartnern bleiben. Und Facebook konnte dadurch eine noch längere Verweildauer seiner Nutzer auf der eigenen Plattform erwarten. Schließlich müssen sie für Instant Articles die Facebook-App nicht mehr verlassen, der umständliche Weg eines klassischen Links zur Nachrichtenseite sollte ihnen erspart bleiben.
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Doch die Einführung wurde auch kritisch betrachtet. Die größte Sorge bestand darin, dass Medienhäuser ihre alte Souveränität verlieren könnten, wenn sie ihre Inhalte an fremde Unternehmen aus dem Silicon Valley (Apple, Google, Facebook, Snapchat,…) abgeben. Vermarktung und Kontrolle lägen dann nämlich zu einem großen Teil bei der jeweiligen Plattform.
Und die hält im schlimmsten Fall wenig von journalistischen Grundsätzen. Beispielsweise hat sich Facebook lange vor der Bezeichnung „Medienunternehmen“ oder der Einstellung von echten Redakteuren gesträubt.
Große Medienpartner springen ab
Doch dieser Trend hin zu journalistischen Inhalten auf einigen wenigen (Social-Media-)Plattformen erfährt gerade einen Dämpfer. Zwar sind Facebooks Instant Articles noch immer erfolgreich, fleißig wird daran gearbeitet, stetig kommen Neuerungen und Verbesserungen hinzu. Doch große Verlage und Medienhäuser springen gerade reihenweise ab.
Beispielsweise haben die New York Times, Forbes und der Guardian die Zusammenarbeit beendet. Wie konnte das passieren? Haben sie die Zusammenarbeit mit Facebook nicht mehr nötig? Und bedeutet das, dass die vielfach befürchtete Privatisierung der Meinungsfreiheit gerade aufgehalten wird?
Falsche Hoffnungen, unberechenbarer Partner
Zum einen konnten die Instant Articles für einige Medienpartner nicht das halten, was sie anfangs versprachen. Zu hoch war der Aufwand, sie zu erstellen, zu gering der Nutzen. Werbeeinnahmen waren kaum besser als vorher. Und auch der Traffic erhöhte sich nicht merklich.
Instant Articles bringen leider kaum zusätzlichen Traffic und schon gar kein Geld. Gleiche Erfahrung bei FAZ.net
– Mathias Müller von Blumencron, Chefredakteur Digital, FAZ.net
Es macht also für viele Medienpartner keinen Sinn, Inhalte an Facebook abzugeben.
Und eine weitere Ursache liegt direkt bei Facebook. Mit der Zeit wurde der Algorithmus des News-Feeds wieder verstärkt auf private Inhalte von Freunden und Familie („User generated Content“) ausgerichtet. Sie sollen wieder vermehrt auf der Startseite auftauchen, was nachvollziehbar ist.
Mehr Video, weniger Text
Schließlich möchte Facebook in erster Linie ein Netzwerk für zwischenmenschliche Beziehungen sein. Keine Plattform für Nachrichten, Marketing und Unternehmenskommunikation. Doch das hat der Reichweite der Medienhäuser, auch wenn sie mit Instant Articles publizierten, deutlich geschadet.
Hinzu kommt, dass Facebook ungefähr seit der Einführung der Instant Articles immer stärker auf Videoinhalte setzt. Das ist nun mal der Trend, den Facebook in der Nutzung sozialer Netzwerke sieht.
Anderer Content, also auch Texte über Instant Articles, werden so vom Algorithmus mehr und mehr systematisch vernachlässigt. Für Medienhäuser bedeutet dies unter Umständen eine ungewisse Zukunft mit einem kaum berechenbaren Partner.
Verlagerung zu anderen Plattformen
Die Zeichen stehen zur Zeit also alles andere als gut für Facebooks Investition in den digitalen Journalismus. Ohne namhafte Partner werden die Instant Articles in Zukunft wenig Erfolg haben. Das sollte doch, nimmt man die zahlreichen Kritiken zur Ankündigung von vor zwei Jahren beim Wort, eine gute Nachricht sein für den Journalismus.
Der sucht schließlich schon seit einiger Zeit die eine Lösung, im Internet Geld zu verdienen. Hat er sie nun gefunden, jetzt, wo viele Medienhäuser die Zusammenarbeit mit Facebook nicht mehr nötig haben? Braucht es keine IT-Riesen mehr, die die Vermarktung der Inhalte übernehmen?
Doch! Denn während viele Medienhäuser bei Facebook nicht mehr direkt publizieren wollen, verstärken sie ihre Zusammenarbeit mit anderen, ähnlichen Plattformangeboten. Der Guardian beispielsweise richtet seine Inhalte vermehrt auf Accelerated Mobile Pages, dem Instant-Articles-Konkurrenten von Google, aus. Und erst kürzlich hat Snapchat auch deutsche Anbieter in seine Discover-Funktion aufgenommen.
Instant Articles auf dem absteigenden Ast
Ohnehin sind Facebooks Instant Articles nicht die einzige Bestrebung des sozialen Netzwerks, mit Medienhäusern zu arbeiten. Mit dem Journalism Project etwa hat man erst vor wenigen Monaten angekündigt, Medienhäuser bei der Entwicklung neuer Formate stärker einbinden zu wollen und Nutzer im Umgang mit Nachrichten auf der Plattform kompetenter zu machen.
Instant Articles sind vielleicht gerade auf dem absteigenden Ast. Der viel kritisierte Plattformjournalismus, mitsamt der Angst vor einer gebündelten Mediensouveränität und der Privatisierung der Meinungsfreiheit jedoch noch lange nicht.
Auch interessant: Über das Journalism Project von Facebook und die Bündelung der Mediensouveränität
Das mit den zu hoch gesetzten Erwartungen an Facebook trifft m.E. auch andere Bereiche/Funktionen. So haben wir bei einer Kampagne für ein Reisequiz (kein Gewinn- oder Glücksspiel) im Vergleich zu klassischen Anzeigen 17 mal höhere Ausgaben gehabt.
Umgekehrt stellen wir bei unseren rein redaktionellen Inhalten fest, dass die Verweildauer von FB-Nutzern deutlich unterhalb des Gesamtdurchschnitts liegt. Solche Beobachtungen werden sicherlich auch viele andere Seitenbetreiber machen. Da ist es keine Überraschung, dass große Unternehmen nach anderen, besseren Möglichkeiten suchen.
[…] ist Googles Vorhaben, das Internet zu verändern, sogar noch problematischer als Facebooks (nicht ganz so erfolgreicher) Versuch, Leser auf der Plattform zu behalten. Denn Facebook gibt nicht vor, offen zu sein. Da […]
[…] Teilnehmer wieder aus dem Programm austreten. Dass mit dem Guardian, der New York Times und Forbes drei Schwergewichte der Verlagsbranche an der Speerspitze standen, war doch […]