Selbstdisziplin kann manchmal selbst für den organisiertesten Freiberufler schwierig sein. Vor allem, wenn man eigentlich etwas machen sollte, es aber nicht zwingend muss. Wie kriegt man es dann trotz aller Freiheit hin, sich selbst zur Arbeit anzumahnen? Sonia Jaeger, freiberufliche Psychologin und digitale Nomadin, hat selbst Erfahrung mit dem Thema und deshalb ein paar Tipps zur Selbstdisziplin für Selbstständige zusammengestellt.
Eigentlich sollte ich diesen Artikel schreiben. Das Thema steht auch schon fest. Die Deadline rückt näher, in ein paar Tagen muss der Text fertig sein. Die Freunde, die gerade zu Besuch waren, sind heute früh abgefahren und die Sonne, die uns die letzten Tage sommerliche Temperaturen beschert hat, hält sich heute auch sehr bedeckt. Also eigentlich der ideale Zeitpunkt zum Schreiben. Doch irgendwie fällt es mir schwer. Heute Vormittag hatte ich noch Klientengespräche. Das war einfach. Feste Termine sind manchmal so viel einfacher als dieses andere, freie Arbeiten. Was kann man da tun?
Geliebte, schwierige Freiheit
Wer die Freiheit hat, zu Arbeiten, wann er will (und wie ich diese Freiheit liebe!), der hat aber eben oft auch keinen guten Grund genau jetzt zu Arbeiten. Wenn man dann auch noch an eigenen Projekten arbeitet, mit wenig Deadlines und ohne Klienten, die einem mit Nachfragen und Aufträgen im Nacken sitzen, dann kann sich diese ganze schöne Freiheit schnell zum Problem entwickeln.
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Feste Termine sind dagegen einfach, da sie, ja, genau, fest sind. Aber sind auch deshalb hilfreich, weil sie einem das Gefühl geben, etwas Konkretes geschafft zu haben. Wenn ich eine Stunde mit einem Klienten über seine Probleme gesprochen habe und wir gemeinsam neue Lösungsansätze entwickelt haben, dann weiß ich eindeutig, dass ich etwas „geschafft“ habe. Wenn ich hingegen ein neues Angebot entwickle oder Ideen für neue Blogartikel sammle, dann setzt sich selten ein solch gutes Gefühl schon nach so einer kurzen Zeit ein.
Genau das ist auch ein Grund, warum viele Selbständige gerne andere Aufgaben zu Hause erledigen, anstatt zu Arbeiten. Die Küche aufräumen, die Wäsche aufhängen, das Badezimmer putzen. Alles relativ klare und einfach Aufgaben, bei denen man anschließend genau weiß, was man geschafft hat. In einem gewissen Sinne stimmt das natürlich auch, und man hat vermeintlich ja auch gearbeitet und nicht nur sinnlos ein YouTube-Video nach dem anderen geschaut. Dennoch, Hausarbeiten sind eben doch nicht wirklich Arbeit. Sie sind in diesem Fall wohl eher eine Form der Prokrastination für Menschen mit schlechtem Gewissen.
Disziplin, ich habe ein Problem
Was also tun, wenn das mit der Selbstdisziplin nicht so ganz von alleine klappt? Als allererstes sollten wir das Problem erkennen und benennen. Denn nur wenn wir genau wissen, was unsere persönlichen Schwächen und Stolpersteine sind, können wir auch etwas dagegen tun (Hausarbeit? Facebook? Netflix? Keine Lust?).
Wenn ihr identifiziert habt, was eurer Produktivität am meisten im Weg steht, dann könnt ihr als Nächstes einen konkreten Plan erstellen, wie ihr diese Ablenkungen zumindest zeitweise abstellen könnt. Hilfreich für die Umsetzung kann es sein, sich die mittel- und langfristigen Vorteile konkret auszumalen.
Wenn ihr jetzt die nächsten Stunden konzentriert arbeiten, könnt ihr später in Ruhe den Abend mit eurem Partner verbringen. Ohne schlechtes Gewissen und ohne sich noch mal an den Rechner setzen zu müssen. Oder, wenn ihr diese Woche eure To-Do-Liste abarbeitet, könnt ihr das Wochenende mit Freunden viel besser genießen (und vielleicht wirklich mal am Wochenende nicht arbeiten).
6 Tipps für mehr Selbstdisziplin
Klingt gut, aber ihr wisst trotzdem nicht so wirklich wie ihr das anstellen sollt? Dann gibt es hier ein paar ganz konkrete Tipps.
1. Erschafft euch einen guten Arbeitsplatz
Nein, das Bett ist kein besonders gut geeigneter Arbeitsplatz. Richtet euch, wenn möglich, ein separates Arbeitszimmer ein, oder zumindest einen Tisch an dem ihr Unterlagen ausbreiten könnt und wo auch mal was stehen bleiben kann für ein paar Tage.
2. Räumt auf
Räumt euren Schreibtisch regelmäßig auf, am Besten am Ende jedes Arbeitstages, mindestens aber am Ende jeder Arbeitswoche. Ordnung und Struktur auf dem Tisch helfen auch innerlich, Ordnung und Struktur herzustellen. Dies gilt natürlich auch für euren Computer (wie sieht denn eigentlich euer Desktop so aus?) und euren E-Mail-Eingang!
3. Erstellt To-Do-Listen
Erstellt Listen! Für den großen Plan natürlich, aber – und das ist mindestens genauso wichtig – auch für die kleinen Aufgaben des Alltages. Brecht Sie die großen Aufgaben in kleine, machbare, Teilschritte herunter. Nutzt Organisationsapps, um euren Arbeitsalltag zu strukturieren. Das Gefühl nicht zu wissen, wo man anfangen soll, ist einer der größten Feinde der Produktivität! Wenn ihr am Ende des Tages eine Liste für den nächsten Tag erstellen, könnt ihr morgens auch gleich loslegen und verliert keine wertvolle Zeit damit, euch erst wieder neu zu orientieren.
4. Schafft Routinen
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und Routinen helfen dem Körper und Geist produktiv zu sein. Plant feste Arbeitszeiten ein. So spart ihr euch das ständige Abwägen, ob ihr nun wirklich genau jetzt arbeiten sollt oder später. Denn mal ehrlich, der Kern von Arbeit ist doch, dass sie eben nicht nur dann stattfinden kann, wenn wir gerade mal Lust darauf haben.
Schafft euch kleine Rituale für den Arbeitsbeginn sowie für das Ende des Tages. Zieht euch zum Beispiel auch dann morgens für die Arbeit an, wenn ihr ganz alleine zu Hause arbeitet. Duscht, frühstückt. Stellt euch gedanklich auf die Arbeit ein. Je mehr regelmäßige, wiederkehrende Routinen ihr in euren Tag und die Woche integriert, desto einfacher wird es euch fallen, bestimmte Aufgaben auch wirklich zu erledigen.
Und ganz wichtig: Belohnt euch selbst, wenn ihr ungeliebte Aufgaben erledigt habt!
5. Sorgt für regelmäßige Pausen.
Pausen helfen uns abzuschalten und Energie zu tanken. Falls ihr dabei etwas Hilfe benötigen, probiert Sie es doch mal mit der Pomodoro-Technik. Hier sind einzelne Arbeitseinheiten 25 Minuten lang und nach jeder Einheit gibt es eine kurze Pause von 5 Minuten. Nach 4 Arbeitseinheiten gibt es dann eine längere Pause von 30 Minuten. Um dies auch wirklich umzusetzen und nicht zwischendurch doch mal schnell bei Facebook vorbei zu schauen, könnt ihr zum Beispiel auch eine Browsererweiterung verwenden, die euch dabei hilft, Ablenkungen während der Arbeit abzuschalten und die euch auch an die Pausen erinnert. Denn auch wenn es gerade mal gut läuft, Pausen sind wichtig!
Prüft auch, wie ihr eure Pausen verbringt und findet kleine Dinge, die euch wirklich helfen, Kraft zu tanken! Streckt euch, steht kurz auf, macht kurze Sportübungen oder trinkt einen Tee. Vermeidet es, die Pausen mit anderen Aufgaben oder reiner Ablenkung zu verbringen. (Nein, ihr müsst nicht alle halbe Stunde prüfen, was in der Zwischenzeit bei Instagram passiert ist.)
6. Schaltet ab, aber so richtig.
Wie wäre es mit einem komplett freien Tag? Einen Tag lang keine E-Mails, kein Facebook und nicht an Arbeit denken? Unmöglich? Nein! Schwierig, wahrscheinlich ja, für die meisten von uns. Aber es lohnt sich. Gönnt euch mindestens einen komplett freien Tag pro Woche. Plant schöne Aktivitäten, geht raus, unternehmt etwas, was euch gut tut. Lasst euer Handy aus und trefft euch mit Freunden. Ihr werdet sehen, durch den einen freien Tag, werdet ihr an den anderen Tagen viel produktiver sein! Die Welt (und eure Arbeit) wird auch nicht untergehen an diesem einen Tag.
Dies sind natürlich nur einige Tipps, die euch dabei helfen können, selbstdiszipliniert und produktiv zu arbeiten. Wichtig ist vor allem, dass ihr herausfindet, was für euch persönlich am besten funktioniert. Falls euch zu Hause die Decke auf den Kopf fällt und gar nichts mehr geht, dann arbeitet ruhig mal woanders, in einem Café oder Coworking Space. Umgebt euch mit produktiven und disziplinierten Menschen, auch das hilft die eigene Produktivität anzukurbeln!
In diesem Sinne: frohes Schaffen!
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