Sie sind orange, blau, grün oder gelb und tragen nicht nur optisch, sondern auch umwelttechnisch zur Verschönerung des Stadtbilds bei. Wie buntes Konfetti wurden tausende Räder in den letzten zwölf Monaten in Shanghai ausgesetzt. Und von den Bewohnern so gut angenommen, wie es wohl kaum jemand erwartet hätte. Die Streuung der Drahtesel über die 24-Millionen Stadt Shanghai war einer der großen Überraschungserfolge in Sachen Mobilität. Meike Neitz hat sich das Bike-Sharing vor Ort einmal genauer angeschaut.
Nur umgerechnet 0,13 € (1 Yuan) kostet der Radelspaß auf den sonnengelben Ofos pro Stunde und machen das Hin und Her innerhalb der Megastadt um Einiges einfacher und entspannter. Taxen sind oft nicht leicht zu bekommen, die Metro-Stationen mitunter weit auseinander und zum Laufen fehlt die Zeit. So sind die kleinen Räder die perfekte Lösung!
Fahrradfahren per App
Das Suchen und Aufschließen beim Bike-Sharing in Shanghai funktioniert natürlich per App – der QR Code des Fahrrads wird eingescannt und ein Code generiert, der das Fahrradschloss löst. Im Gegensatz zu der deutschen Version „Stadtrad“ kann man hier das Fahrrad überall, das heißt nicht nur an designierten Docking-Stationen, wieder abschließen.
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Für die Nutzer sehr praktisch, für die Stadtverwaltung ein Ärgernis. Denn diese mussten unlängst 4000 „Falschparker“ einsammeln. Diese Räder wurden dann auf einem riesigen Parkplatz deponiert, wo sie nach und nach wieder abgeholt wurden. Etwas umständlich, aber die Freiheit des Abstellens führt auch dazu, dass die Auslastung sehr hoch ist. Die Räder sind ständig in Bewegung, hunderttausende Shanghaier nutzen sie jeden Tag.
Das Fahrradrennen der Startups
Die prominentesten Startups hinter dem Boom im Bike-Sharing sind private Unternehmen, das heißt also keine staatlich geförderten Firmen. Sie liefern sich derzeit ein wahres Fahrradrennen um die größte Nutzerbasis und um die meisten Räder auf den Straßen.
Ofo: Im Kreis der globalen Einhörner
Ofo ist eines der zwei größten Anbieter und hat imposante Zahlen vorzuweisen: Es hat inzwischen über 250.000 Fahrräder in chinesischen Städten bereitgestellt – und ist darüber hinaus in Singapur, Großbritannien und den USA aktiv. 20 Millionen Nutzer hat die App und laut Hochrechnungen des Startups werden allein in China rund 1,5 Millionen Fahrten täglich gemacht.
Eine solche Infrastruktur aufzubauen ist natürlich ein kostspieliges Unterfangen. Im März hat Ofo daher eine neue Finanzierungsrunde bekannt gegeben. Diese wurde von niemand Geringerem als der Digital Sky Technology (DST) angeführt- die durch Investitionen in Facebook, Alibaba und Airbnb bekannt wurde. Auch Uber-Konkurrent und Einhorn Didi Chuxing glaubt an Ofo und stieg in die D-Runde mit ein. Zugesichert wurde eine 450 Millionen (!) Dollar Kapitalspritze für das junge Unternehmen.
Der nur 26-jährige Gründer Dai Wei kann sich über eine Bewertung von über 1 Milliarde Dollar seines Unternehmens freuen, das damit in den erlesenen Kreis der globalen Einhörner aufgestiegen ist. Da ließ es sich auch Apple Chef Cook auf seiner letzten Stippvisite in Peking nicht nehmen, Ofo einen Besuch abzustatten und sich über Nutzerzahlen, Wachstum und Technik zu informieren. Seitdem wird in chinesischen Gründerkreisen über einen Einstieg; zumindest aber über eine Partnerschaft emsig diskutiert.
Mobike: Der trendige Konkurrent
Ofos größter Konkurrent ist die Beijing Mobike Technologies, die das orangefarbene Mobike auf den Markt gebracht haben. Sie fahren eine andere Strategie als Ofo. Sie setzen auf hochwertiges Drahtesel. Bei Mobike sind die Räder stabiler, haben Vollgummireifen, sind trendiger was das Design angeht, und mit Satellitentechnik ausgestattet. Sie kosten dafür in der Herstellung auch bis zu 440 U$ (3000 Yuan). Dies wirkt sich entsprechend auf die Nutzergebühren aus, welche doppelt so hoch sind als bei Ofo. Auch Mobike wird von prominenten Investoren unterstützt. Neben dem bekannten amerikanischen Investor Sequoia Capital, gehört auch der größte Internetkonzern Chinas, Tencent, (der den App-Giganten wechat entwickelt hat), zum Gesellschafterkreis des Startups.
Chinas Fahrradrevolution 2.0
In der Wachstumsstrategie sind sich beide Jungunternehmen dagegen sehr ähnlich. Sie setzen auf schnelle, aggressive, wenn auch kapitalintensive Expansion à la Uber. Eins ist sicher: Dem von Umweltproblemen behafteten China kommt dieser Wettbewerb sehr zugute. Denn nachdem Fahrräder jahrelang als uncool galten, kommt der Sharing-Economy-Trend gerade zur richtigen Zeit und hat eine neue Fahrrad-Euphorie im Land herbeigeführt.
Dies bedeutet zurück in die Zukunft für die Chinesen. Denn Räder haben in China, das früher „Kingdom of Bicycles“ genannt wurde, eine lange Tradition. Die 1950 von Mao zu neuem Leben erweckte Firma „Flying Pigeon“ stellte über die Jahre mehr als 500 Millionen Räder her. Die chinesischen Drahtesel mit der kleinen Taube wurden zu einem Symbol des ganzen Landes. Je wohlhabender China jedoch wurde, desto wichtiger wurde es den Chinesen, ein Auto zu besitzen. Fahrräder dagegen galten als das Fortbewegungsmittel für Arme. Während 1980 noch 63 Prozent der Chinesen zur Arbeit radelten, waren es 20 Jahre später gerade mal 38 Prozent. Heute gehen Schätzungen davon aus, dass lediglich 12 Prozent der Bewohner in den großen Städten mit dem Rad ins Büro fahren.
Die Autonutzung geht dagegen seit Jahren steil nach oben. Im Jahr 2010 überholte China die USA erstmals als größten Automarkt – mit 13,5 Millionen Verkäufen in 12 Monaten. 2016 wurden 23,9 Millionen neue Pkws auf Chinas Straßen gebracht. Während Autohersteller sich die Hände reiben, verschmutzen und verstopfen die Autos die chinesischen Städte.
Ein Gewinn für die Mobilität
Dies soll sich nun mithilfe des Trends der „Sharing Economy“ ändern. Und bislang sieht es so aus, als sei der Versuch von Erfolg gekrönt. Shanghai beansprucht jetzt schon den Titel „Größte Fahrradverleih-Stadt der Welt“ für sich – mit 4,5 Millionen Bike-Sharing Nutzern. Der Shanghaier Fahrradverband geht davon aus, dass es bis Mitte des Jahres mehr als 500.000 Fahrräder im Verleihsystem geben wird.
Dies ist ein Gewinn nicht nur für die Mobilität der Bewohner der Stadt, sondern auch für die Umwelt. Wie schon Adam Opel feststellte: „Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden wie beim Fahrrad.“
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