Das Karrierenetzwerk Vutuv möchte besser sein als LinkedIn und Xing. Keine leichte Aufgabe. Vor allem, weil das Netzwerk bisher nur eine abgesteckte Version der beiden Konkurrenten zu sein scheint.
Sind wir mal ehrlich: Xing, das bisher erfolgreichste deutsche Karrierenetzwerk, kann ziemlich nerven. Es wirkt überladen, nicht intuitiv, oft durcheinander und von den vielen Pop-Ups, Mitteilungen und Aufforderungen, doch bitte ein Premium-Upgrade einzurichten, möchte ich gar nicht erst anfangen.
Der internationale Konkurrent LinkedIn (mittlerweile von Microsoft) ist da schon deutlich angenehmer zu nutzen. Das liegt vor allem daran, dass man sich seit neustem am bewährten Design von Facebook orientiert und der Dienst insgesamt intuitiver zu benutzen ist.
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Trotzdem gilt für beide Plattformen: Man nutzt sie, weil man sie nutzen muss, um die eigene Karriere zu fördern. Spaß bereiten beide eher weniger. Eine frische Alternative, die ähnliche Schwierigkeiten mit den beiden Plattformen sieht und einen anderen Weg einschlagen würde, wäre begrüßenswert.
Vutuv, ein neues Start-up aus Neuwied, hat offenbar ähnliche Schwierigkeiten mit den beiden Netzwerken. Der Dienst möchte so einiges anders und vor allem besser machen als Xing und LinkedIn.
Schnelligkeit um jeden Preis
Liest man die Ankündigung zum Start des Dienstes von November 2016 und spricht mit Geschäftsführer Stefan Wintermeyer, merkt man schnell, dass Vutuv vollkommen auf Geschwindigkeit und Einfachheit ausgerichtet sein möchte. Die Website soll so schnell wie möglich laden, auch bei begrenzter Datengeschwindigkeit auf mobilen Geräten.
Im gesamten deutschsprachigen Raum soll ein Seitenaufbau angeblich nicht länger als eine Sekunde dauern. Auch mit dem Handy. Der Website liegt kein Java-Script zugrunde, sondern das Phoenix Framework.
Keine (Profil-)Seite soll damit größer als 28 KB sein. Vutuvs Server stehen aktuell in Frankfurt am Main. Doch um global irgendwann für gleiche Performance zu sorgen, sollen sie künftig weltweit aufgestellt werden.
Keine Premium-Accounts
Vutuv soll nicht so überladen und unübersichtlich sein wie beispielsweise Xing. Eins schlankes, klares und einfaches Design soll die Plattform auszeichnen. Mit Mitteilungen, Pop-ups und lästigen E-Mails möchte das Netzwerk außerdem sehr viel sparsamer umgehen. Vutuv zeigt generell nur die Infos, die wirklich wichtig sind bei einem sozialen Netzwerk für Geschäftskontakte.
Was bei der Nutzung am ehesten auffällt: Es gibt keine Premium-Accounts. Die Nutzung von Vutuv soll kostenlos sein und bleiben. Durch intelligentere Server- und Softwarelösungen – Vorbild dafür war laut Wintermeyer WhatsApp vor der Übernahme durch Facebook – soll das Betreiben der Plattform deutlich günstiger sein als etwa bei Xing. Finanzieren soll sich Vutuv zudem ausschließlich über Werbeanzeigen.
Vutuv: Praxis und Ziele
Bisherige Funktionen sind aktuell beispielsweise das Erstellen von Fähigkeiten, sogenannten Tags, die andere Nutzer anschließend upvoten, also bestätigen (aber nicht downvoten) können oder die Möglichkeit, anderen Nutzern zu folgen. Ähnlich wie bei Twitter braucht es dabei nicht erst noch die Annahme einer Anfrage des Gegenübers. Beide Funktionen sind jedoch nicht explizit neu und besonders innovativ. Auch LinkedIn etwa bietet solche Möglichkeiten.
In der praktischen Nutzung fällt sofort die Geschwindigkeit der Website auf. Ladezeiten gibt es gefühlt nicht bei Vutuv. Das ist angenehm, stellt aber bis jetzt den einzigen Vorteil dar, den Vutuv gegenüber der Konkurrenz bietet. Bis jetzt ist die Menüführung aufgeräumt und übersichtlich. Auch das fällt positiv auf, ist jedoch der geringen Anzahl an Möglichkeiten geschuldet, die sich dem Nutzer der Plattform aktuell bieten.
Bisher ist Vutuv eher ein großes (unkompliziertes) Verzeichnis für geschäftlich relevante Personendaten. Nicht mehr und nicht weniger. Offen bleibt, wie ordentlich das Netzwerk wirkt, wenn in Zukunft weitere Funktionen hinzukommen.
Vutuv ohne Newsfeed?
Und die werden, um als zeitgemäßes soziales Netzwerk wahrgenommen zu werden, nötig sein. Intelligente Vorschläge zu neuen Kontakten aus der selben Branche, eine Funktion zum Verschicken von Nachrichten oder einen typischen Newsfeed sucht man auf Vutuv bisher vergebens. Allerdings möchte man einiges anders machen und sich auch im Funktionsumfang deutlich von den Branchenriesen absetzen.
Dafür stehen laut Wintermeyer die Entwickler in Kontakt mit den Nutzern und nehmen Verbesserungsvorschläge und Feature-Wünsche entgegen. Zur Diskussion steht beispielsweise, ob Vutuv überhaupt einen Newsfeed kriegen soll, um Inhalte auf die Plattform zu bekommen. Eine noch nicht abschließend geklärte Frage. Vor allem, weil das nach Aussage Wintermeyers Facebook und Twitter besser als alle anderen Netzwerke beherrschen, eine solche Funktion also schon bei LinkedIn und Xing überflüssig scheint.
Funktionsumfang (noch) relativ limitiert
Und der Fokus der Website auf Geschwindigkeit bedeutet wohl auch, dass die Möglichkeiten der Weiterentwicklung im Vergleich zu herkömmlichen Websites limitiert sind. Die Implementierung neuer Features dürfte dem kleinen, internationalen Entwicklerteam hinter Vutuv deutlich schwerer fallen. Das bedeutet wahrscheinlich Kompromisse. Viele bunte Bilder auf der Profilseite beispielsweise dürfte die Kernidee hinter Vutuv nicht zulassen.
Muss sie aber unter Umständen nicht. Denn die Chancen, die Giganten LinkedIn und Xing vom hiesigen Markt zu verdrängen, sind ohnehin gleich Null. Das Netzwerk hat zwar soeben 1 Million angemeldete Nutzer erreicht, doch davon dürften bei weitem nicht alle aktiv sein. Viel mehr Potenzial steckt hingegen in Regionen, die entweder mit viel weniger Datengeschwindigkeit auskommen müssen, oder in Märkten wie Asien oder Australien, die von den beiden großen Netzwerken bisher weniger beachtet werden.
Entwicklungsländer im südlichen Afrika beispielsweise (ein Vutuv-Entwickler kommt aus Zimbabwe) haben, wenn überhaupt, oft viel langsamere Netzgeschwindigkeiten zur Verfügung als Europäer. Bedarf nach einem funktionierenden Businessnetzwerk besteht dort aber in gleichem Maße wie in Europa und den USA.
Und mit der Aufnahme des Dienstes in die Internet.org-Initiative Anfang des Jahres durch Facebook erreicht Vutuv potenzielle Nutzer, die schon aus rein technischen Gründen LinkedIn überhaupt nicht aufrufen können.
Andere Regionen – andere Voraussetzungen
Ziel des jungen Start-up-Projekts ist also klar: Vutuv soll auch weiterhin vor allem durch Einfachheit und Geschwindigkeit leicht zugänglich sein, sodass es vielleicht irgendwann tatsächlich global funktioniert und genutzt wird.
Trotz allem wird dem kleinen Entwicklerteam klar sein, dass es verdammt schwierig sein wird, im hart umkämpften Wettbewerb der sozialen Netzwerke als ein weiterer Spieler aufzufallen.
Ein schwieriges Unterfangen. In den USA und Europa ist das nahezu unmöglich. Vor allem, weil die Nutzung Vutuvs mangels zahlreicher Funktionen, die man als Nutzer nun einmal gewohnt ist, einem Rückschritt gleichkommt.
In zahlreichen anderen Regionen auf der Welt dürfte jedoch die ungewöhnliche Gewichtung zwischen Funktionsumfang und Performance weit positiveren Anklang finden. Dort könnte Vutuv tatsächlich irgendwann erfolgreich sein.
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