Durch Donald Trump ist Twitter aktuell wahrscheinlich so bekannt wie niemals zuvor. Warum knallen bei dem Kurznachrichtendienst bisher trotzdem nicht die Sektkorken?
Twitter hat es wirklich nicht leicht. Abgesänge auf den Kurznachrichtendienst und negative Kritik gehören fast seit seiner Entstehung zum gewohnten Ton in Presse und Community.
Negativschlagzeilen, schlechte Aktienwerte und wenig Motivation, etwas gegen Trolle und Hass auf der Plattform zu tun, nagen immer wieder am Image des Dienstes.
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Kein Käufer in Sicht
Und erst vor wenigen Monaten lief die Gerüchteküche heiß, als Twitter mehr oder weniger öffentlich einen Käufer suchte. Jemanden, der das Netzwerk wieder auf Vordermann bringt. Und für einen Moment schien es, als stünden potenzielle Käufer Schlange: Google, Disney und zuletzt Salesforce bekundeten Interesse.
Doch bekanntlich kam eine Übernahme nicht zustande. Mutmaßlich Schuld daran war und ist der miese Ruf des Dienstes. Laut einer Studie von 2015 stammen sehr viele Hasskommentare im Internet von Twitter. Kein Großkonzern wie Disney will damit in Verbindung gebracht werden und sein Image aufs Spiel setzten. Seitdem fuhr das Management auf Sparflamme. Mitarbeiter wurden entlassen und der Videodienst „Vine“ wurde abgesägt.
Doch ungefähr im selben Zeitraum schien sich etwas zu tun bei Twitter. Der Dienst machte wieder viel öfter von sich reden. Und das vor allem wieder als Social-Media-Plattform, nicht als kränkelndes Unternehmen, das verzweifelt um Hilfe schreit. Man könnte meinen, Twitter profitiert gerade von einem einzigen, weitreichenden Phänomen.
Von einem Menschen: Donald Trump. Ist er vielleicht derjenige, der das Netzwerk wieder auf Vordermann bringt? Der Mensch, den das Unternehmen Twitter so lange gesucht hat?
Trump als Twitter-Retter?
Trumps bisherige und aktuelle mediale Kommunikation findet fast ausschließlich auf Twitter statt. Und dank seiner immensen Bedeutung als Präsident der Vereinigten Staaten auch ein Großteil der Reaktionen, Retweets und Diskussionen.
Man könnte fast meinen, die Twitter-Timeline eines jeden Users des Dienstes bestehe momentan direkt und indirekt ausschließlich aus Trump.
Dabei ist es ja eigentlich pure Ironie, wenn vor kurzem noch namenhafte Unternehmen eine Twitter-Übernahme wegen der vielen Trolle und Hassinhalte ablehnten und nun ein US-Präsident quasi durch den Kurznachrichtendienst regiert, der von vielen als der größte und bekannteste Troll überhaupt gehandelt wird.
Denn eigentlich hatte man den Trollen auf Twitter den Kampf angesagt. Man wollte sie loswerden. Nur klappen wollte es bisher nicht so richtig. Der Dienst ist gerade wegen seiner offenen Struktur ein Paradies für die schnelle Verbreitung von Falschmeldungen und Beleidigungen.
Doch was Trump auf Twitter veröffentlicht, wird regelmäßig von etablierten Medienhäusern aufgenommen und als Nachricht weiterverbreitet. Nicht ein Tag vergeht aktuell, ohne das Twitter in den Medien erwähnt wird. Die Marke ist allgegenwärtig. Trumps unstillbares Mitteilungsbedürfnis: Eigentlich der wehrgewordene Marketingtraum für das Unternehmen, könnte man meinen.
I love Twitter…. it's like owning your own newspaper— without the losses.
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) November 10, 2012
Ein eher zweifelhafter Ruhm
Doch die Nutzerzahlen des Dienstes bleiben fast stehen, sie wachsen kaum. Während Trump seine Follower auf Twitter innerhalb von 4 Jahren von 2 Millionen auf knapp 24 Millionen vergrößern konnte, herrschte bei dem Dienst selbst Krisenstimmung.
Selbst ein kurzweiliger Erfolg des Unternehmens, ein Anstieg der Nutzerzahlen (Zuletzt gerade einmal knapp 3 Prozent), dürfte als eher zweifelhaft betrachtet werden. Schließlich führt Trumps Präsenz auf Twitter nicht unbedingt zu einer positiven Konnotation mit der Marke. Und der Problematik durch Social Bots ist das Unternehmen bisher noch nicht Herr geworden. Neue Nutzer könnten also auch lediglich neue automatisierte Fake-Accounts bedeuten.
Darüber hinaus besteht Twitter größtenteils aus passiven Usern, die den Dienst überwiegend zum Konsumieren von Nachrichten und Debatten benutzten, sich also nicht aktiv beteiligen. Mit ihnen – und das ist das wohl größte und älteste Problem – kann das Unternehmen kaum Geld durch gezielte Werbung verdienen.
Außerdem kriegen globale Unternehmen beim Gedanken an Twitter aktuell wohl eher Angstzustände ob der Gefahr sinkender Aktienwerte durch negative Kommentare des Präsidenten auf der Plattform. Boeing und Toyota beispielsweise mussten schon dran glauben und zusehen, wie ihre Kurse fielen, nachdem sich Trump auf Twitter negativ über die Unternehmen äußerte, weil der eine in Länder liefern will, die Trump zuwider sind und der andere nicht in den USA fertigen möchte.
Mit solchen unberechenbaren Risiken, die von einem wütenden Präsidenten ausgehen, möchte der der Kurznachrichtendienst nicht in Verbindung gebracht werde, auch nicht seine normalen Nutzer.
Der mediale Erfolg, den Donald Trump Twitter aktuell beschert, ist alles andere als wünschenswert. Trump ist wohl das schlimmste, was Twitter aktuell passieren konnte. Mit ihm verstärkt sich das negative Troll-Image des Kurznachrichtendienstes weiterhin. Eine Übernahme Twitters, die zu einer Art Reformation des Unternehmens führen sollte, ist weiter weg als jemals zuvor.
Um den Negativtrend umzukehren, muss das Unternehmen seine grundlegende Geschäftsstrategie ändern. So sollten die Nutzer viel eher von dem Dienst ermutigt werden, aktiv Inhalte zu produzieren. Die Meinungsvielfalt- und Debattenvielfalt würde womöglich steigen, der anteilige Einfluss von twitternden Bots wäre geringer und Werbeeinnahmen würden durch mehr Nutzerinformationen steigen.
Und natürlich muss noch härter und entschiedener gegen Trolle und Fake-Accounts vorgehen. Eine kürzlich veröffentlichte Ankündigung des Unternehmens dazu macht jedenfalls Hoffnung.
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