Automatisierte Textgenerierung ist gar nicht so katastrophal wie viele denken. Die Zukunft des Journalismus liegt sowieso woanders.
„Generiere deinen Content in Sekunden. Du brauchst nicht mehr auf Redakteure oder Übersetzer zu warten.“ Das Versprechen des Stuttgarter Unternehmens AX Semantics, den klassischen Journalismus in Zeiten von Big Data zu revolutionieren, ist seit Jahren so spannend wie beängstigend.
AX Semantics ist eines von mehreren Unternehmen weltweit, die Software zur automatischen Textgenerierung entwickeln und verbreiten. Besorgniserregend ist das vor allem für Redakteure, die befürchten, dass ihre Arbeit durch intelligente Software bald obsolet sein könnte.
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Durch automatisierten Journalismus braucht es nämlich theoretisch keinen Redakteur mehr, der in mühsamer Arbeit teure Texte schreibt. Lediglich eine Software, die man mit den nötigen Informationen füttern muss. Artikel produzieren auf Knopfdruck.
Wording, Sprachstil und Textstruktur soll das Programm von echten Redakteuren lernen und anwenden können. Sprachliche Unterschiede zu von Hand geschrieben Texten sollen kaum mehr zu erkennen sein.
Zukunft des Journalismus: Sehr komplexe Lückentexte
Der wahr gewordene Albtraum eines jeden Redakteurs? Nicht ganz. Einige dieser Versprechungen der Software klingen schlimmer als sie es tatsächlich sind. In Wahrheit besteht automatisierter Journalismus nur aus – zugegebenermaßen sehr komplexen – Lückentexten, die mit verschiedenen Informationen gefüllt werden.
Und vorläufiges Ergebnis der schon seit einigen Jahren geführten Debatte um die Zukunft des Journalismus in Zeiten von Big Data und Automatisierung ist: Software kann in diesem Fall nur begrenzt Aufgaben von Menschen abnehmen. Dafür aber manchmal sogar individuell maßgeschneidert.
So macht der Einsatz von Textgenerierungssoftware vor allem bei Wetterberichten Sinn, die zusätzlich abhängig von Wohnort, Interessen und Lebenssituation des Lesers individuell verfasst sind. Oder bei Texten über aktuelle Aktienkurse und regionale Fußballergebnisse vom Verein um die Ecke, die sonst nur wenig redaktionelle Beachtung finden würden.
Was Software wohl noch in Jahrzehnten nicht können wird: Investigative, komplexe Geschichten schreiben, politische Kommentare über den Bundestagswahlkampf oder emotionale Reportagen aus Krisengebieten verfassen.
Digitalisierung macht auch vor dem Journalismus nicht halt
Für Redaktionen würde das heißen: Das lästige Abtippen von Aktienkursen gerne automatisiert von Software per Knopfdruck produzieren lassen. Aufwendig recherchierte Investigativarbeit aber bitte immer noch per Hand schreiben. Lästige Routine fällt also weg, es bleibt mehr Zeit für echten Journalismus.
Aber wie fast überall sonst gilt: Auch vor dem Handwerk des Journalisten macht die digitale Transformation nicht halt. Maschinen sind dafür da, menschliche Arbeit zu entlasten. Deshalb gibt es auch Software, die die Schreibarbeit gar nicht automatisieren, sondern unterstützend optimieren und assistieren will.
Das Newsstream-Projekt etwa soll mit mehreren Werkzeugen riesige Datenmengen aus Social Media, Blogs, Videos und Medianarchiven in Echtzeit bündeln und Journalisten zur Verfügung stellen können. Hilfreich beispielsweise, um ein Zitat zu suchen, den Ursprung einer Meldung zu ermitteln, zu sehen, wann und wo zu einem bestimmten Thema berichtet wird, Social-Media-Trends zu erkennen oder O-Töne anzuzeigen.
Cyborg-Journalismus bietet auch Vorteile
Ein viel realistischeres und für einige vielleicht auch nicht ganz so beängstigendes Werkzeug. In der Theorie wären die Möglichkeiten ziemlich vielversprechend. Globale Berichterstattungen in ungeahnter Geschwindigkeit wären möglich.
Zu einem Erdbeben in Chile beispielsweise könnte eine Software alle dazu relevanten Informationen von Twitter, Facebook und chilenischen Reportern vor Ort innerhalb weniger Sekunden, fast in Echtzeit, auch deutschen Journalisten zur Verfügung stellen. Und zwar übersetzt in allen notwendigen Sprachen.
Cyborg-Journalismus wäre dafür die wohl passendste Bezeichnung. Diese hybride Mischung aus Big-Data-Software und Mensch ist vielversprechend und kann Dinge leisten, die jeweils einer von beiden allein nicht schaffen würde.
Algorithmen und Big Data sind für den Journalismus also gar keine so große Bedrohung, sondern eher eine Chance. Softwarebasierte Hilfe bei der Recherche etwa kann im Ergebnis eine Bereicherung sein und einen deutlichen Qualitätsschub erreichen.
Und darüber hinaus: Vollkommen automatisierter Roboterjournalismus entlastet in Zukunft vielleicht zahlreiche Redaktionen mit begrenzten Kapazitäten, spart irgendwann an einigen Ecken sogar Geld und macht die Kostenloskultur des digitalen Journalismus am Ende profitabel.
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