Das Internet scheint eine gefährliche Eigendynamik entwickelt zu haben. Angriffe aus dem Netz, Falschmeldungen und Social Bots werden für vieles verantwortlich gemacht, was politisch falsch lief oder noch falsch laufen kann. Aber sind aktuelle Probleme wirklich allein dem Internet zuzuschreiben?
Angst geht um in Europa. Der schmutzige, teilweise bis ins Absurde getriebene Wahlkampf in den USA, und schließlich auch sein Ausgang, gilt der deutschen Politik als Mahnung. Die Manipulation der Wähler durch gezielte Propaganda in sozialen Netzwerken, durch weit verbreitete Falschmeldungen, Hackerangriffe und Social Bots, scheint so gefährlich für die Demokratie wie nie zuvor. Die Angst ist groß, dass das Internet mit seinen Möglichkeiten eine Eigendynamik entwickelt hat, die in ihrem Ergebnis bis zur Bundestagswahl kaum abzusehen ist. Gerät das Internet nun völlig außer Kontrolle?
Die Vorstellung, dass absichtlich falsche Nachrichten den Ausgang einer Wahl beeinflussen könnten, ist beängstigend. Noch fataler die Vorstellung, die Quelle solcher Falschmeldungen käme aus dem Ausland, vielleicht sogar aufgetragen von einer Regierung, mit dem Ziel, eine Kandidatin oder einen Kandidaten entscheidend zu schwächen oder zu stärken. So beschuldigen US-amerikanische Geheimdienste aktuell Wladimir Putin höchstpersönlich, in den Präsidentschaftswahlkampf eingegriffen zu haben.
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Das offenbart die Verwundbarkeit des demokratischen Prozesses in den USA. Aber wäre das auch in Deutschland im Wahljahr 2017 möglich? Der Bundeswahlleiter Dieter Sarreither beispielsweise sieht eine deutliche Gefahr der Manipulation durch Falschmeldungen anlässlich der anstehenden Bundestagswahl. Und die US-amerikanische Website Breitbart verdreht schon vor ihrem eigentlichen Start in Deutschland die Fakten.
Absurde Reaktionen der Politik
Die vorschnellen Reaktionen einiger Politiker scheinen dabei ähnlich absurd wie einige Falschmeldungen selbst. Das Innenministerium beispielsweise möchte im Kanzleramt ein „Abwehrzentrum gegen Desinformation“ einrichten. Und Thomas Oppermann will große Social-Media-Plattformen dazu bringen, eine Rechtschutzstelle einzurichten und diese dann verpflichten, Falschmeldungen innerhalb von 24 Stunden zu löschen.
Aber kann das funktionieren? Darf eine staatliche Stelle im Kanzleramt über wahre und unwahre Nachrichten entscheiden? Würde man damit nicht staatliche Zensur theoretisch ermöglichen? Und wann ist eine Nachricht überhaupt falsch? Wann gilt sie als politische Propaganda? Reichen 24 Stunden, um einen Hoax zu entlarven?
Ähnlich problematisch ist der Vorschlag, soziale Netzwerke wie Presseverlage zu behandeln, sie also der Wahrheit zu verpflichten (hier unser Pro und Contra dazu). Schließlich werden die Online-Ausgaben zahlreicher Medienmarken auch nicht für die dort veröffentlichten, teilweise turbulenten Leserkommentare verantwortlich gemacht, die sie nicht selbst formuliert haben.
Der Erfolg einer politischen Lösung ist zweifelhaft
Ob es politische Lösungen gibt, die unwahre, politische Propaganda im Internet verhindern können, ist ohnehin fraglich. Falschmeldungen gibt es schließlich schon, seit es Nachrichten überhaupt gibt. So hat ein Hoax 1864 Abraham Lincoln fast die Wiederwahl gekostet. Ihm wurde unterstellt, er teile die Auffassung einiger radikaler Parlamentarier, die eine amerikanische „Superrasse“ erschaffen wollten.
Im Übrigen machte man damals ähnliche Entwicklungen mit Massenmedien und gesellschaftlichen Entwicklungen wie heute: Technologische Innovationen wie der Telegraf zur schnelleren Informationsübermittlung und -verbreitung ermöglichten auch unseriösen Nachrichtenquellen ein breites Publikum, das Vertrauen in die Regierung war gesunken, Gefühle wogen in politischen Debatten schwerer als echte Fakten und die Bevölkerung war sowieso tief gespalten.
Das Problem liegt tiefer
Falsche Behauptungen scheinen sich als probates Mittel zur Durchsetzung politischer Interessen nicht erst seit ein paar Jahren zu beweisen. Sie haben häufig die Diskreditierung der Regierung oder verschiedener Politiker zum Ziel. Wer Falschmeldungen glaubt oder glauben möchte, wird daher auch wenig von Widerlegungen seitens seines ausgemachten Feindbildes, der Politik, halten und seine Meinung daher kaum ändern. Viel eher sucht man sich die Nachrichtenplattform, die die eigene Meinung vertritt. Das Problem scheint also tiefer zu liegen als lediglich bei einem nicht zu kontrollierenden Internet.
In der polarisierten Gesellschaft beispielsweise. In der Frage um „die“ eine, richtige Flüchtlingspolitik etwa ist die Bevölkerung ja fern irgendeines Konsenses. Es scheint für viele keinen Mittelweg mehr zu geben. Und der Mangel an Bereitschaft, mit der jeweils anderen Seite zu reden, lässt Filterblasen entstehen. Soziale Netzwerke, Falschmeldungen und Social Bots verstärken diesen Trend erheblich, sind aber nicht sein Auslöser.
Gibt es überhaupt eine Lösung?
Die Angst vor der Manipulation vieler Wähler ist zweifelsohne begründet. Eine politische, strafrechtliche Lösung kann allerdings problematisch sein. Viel wirkungsvoller scheint da der einfache Hinweis, dass es Falschmeldungen mit politischen Zielen, manchmal vielleicht auch aus dem Ausland, nun einmal gibt. Bürger müssen wissen, dass es zumindest Interesse daran gibt, ihre Meinung zu manipulieren.
Und das Aufspüren und Widerlegen von unwahren Nachrichten überlässt man lieber nicht der Regierung. Denn der Vorwurf möglicher Zensur durch das Kanzleramt, den ein „Abwehrzentrum gegen Desinformation“ ja geradezu heraufbeschwört, wäre noch viel schwerwiegender als die eine oder andere Falschmeldung aus dem In- oder Ausland, die am Ende sowieso nur glaubt, wer sie unbedingt glauben möchte.
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