Die Vorratsdatenspeicherung geistert schon lange durch europäische Parlamente. So richtig Fuß fassen konnte sie bisher nicht. Aus berechtigten Gründen. Aber was ist eigentlich diese Vorratsdatenspeicherung? Warum ist sie in ihrer momentanen Form noch immer abzulehnen und wie ist sie eigentlich in Europa entstanden?
Mit seinem Urteil am vergangenen Mittwoch hat der Europäische Gerichtshof (wie erwartet) die schwedische und britische Vorratsdatenspeicherung gekippt. Aber auch deutsche Regelungen dazu wurden nach Ansicht vieler nun damit für illegal erklärt.
Was ist die Vorratsdatenspeicherung?
Die Vorratsdatenspeicherung meint ursprünglich die Speicherung aller personenbezogenen Telekommunikations- und Standortdaten durch Netzbetreiber über einen bestimmten Zeitraum, damit diese im Falle einer schweren Straftat durch Ermittler später eingesehen werden können und zur Verbrechensbekämpfung genutzt werden können.
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Soll heißen: Es wird beispielsweise gespeichert, wer mit wem wie lange telefoniert hat und wo sich beide Gesprächspartner aufgehalten haben. Und das bei allen Bürgern, ohne Anlass.
Klingt nach einem schweren Eingriff in die Privatsphäre?
Viele Menschen sehen dabei selbstverständlich ihre Persönlichkeitsrechte, ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung, aber auch ganz schlicht die allgemeinen (europäischen) Menschenrechte angegriffen.
Darüber hinaus können mit der Speicherung personenbezogener Daten nachweislich ganze Persönlichkeitsprofile erstellt werden, wenn man nur weiß, wer mit wem und wann telefoniert hat. Würden diese Daten in falsche Hände geraten, hätte dies schwerwiegende Auswirkungen. Dabei konnte der Nutzen der Speicherung personenbezogener Daten bisher kaum nachgewiesen werden.
Die Vorratsdatenspeicherung ist schon lange Thema hitziger Diskussionen. Dabei hatte sie es nie wirklich leicht. Mehrmals galt sie in Europa schon als sicher, wurde aber oft wieder verworfen oder für nicht rechtmäßig erklärt. Dazu hier nun ein kleiner Überblick über die Geschichte der europäischen Vorratsdatenspeicherung.
Die Entstehung der Vorratsdatenspeicherung
April 2006. Um zahlreiche nationale Ideen und Regelungen zur Speicherung personenbezogener Daten zu vereinheitlichen, hat erst das Europäische Parlament und anschließend der Rat der Europäischen Union die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung beschlossen.
Sie legt fest, dass diese Kommunikationsdaten nur über einen bestimmten Zeitraum gespeichert und lediglich bei schweren Straftaten benutzt werden dürfen. Und das vor allem aus Sicherheitsbedenken heraus. Der internationale Terrorismus als neue Bedrohung kam auch in Europa an.
Schon damals war der Beschluss jedoch europaweit umstritten. Einige Länder wie Irland oder die Slowakei waren strikt dagegen und bezweifelten zum Teil die rechtliche Grundlage dieser Daten, greifen sie doch weit in die Privatsphäre aller Bürger ein.
Doch die Mehrheit war dafür. Erst knapp zwei Jahre vorher gab es einen terroristischen Anschlag in Madrid, ein Jahr später in London. Die jeweiligen Sicherheitsdiskussionen im Anschluss beinhalteten die Speicherung von Vorratsdaten und waren Anlass zum Beschluss 2006.
Umsetzung in Deutschland
Die Richtlinie stellte allerdings nur eine Art Vorlage dar, um in allen Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgewandelt zu werden. Dieser Bitte folgte der Bundestag im November 2007, als er die deutsche Vorratsdatenspeicherung verabschiedete. Begründung einiger der Abgeordneten der SPD, die am Ergebnis der Abstimmung beteiligt waren: Neue Sicherheitsanforderungen durch den internationalen Terrorismus.
Nach zahlreichen Verfassungsbeschwerden schränkte das Bundesverfassungsgericht im März 2008 die Vorratsdatenspeicherung allerdings stärker ein. So wurde beispielsweise der Zugriff auf gespeicherte Daten durch Sicherheitsbehörden erschwert. Zwei Jahre später, wieder im März, erklärte es die Speicherung komplett für unvereinbar mit dem Grundgesetz.
Im Detail kritisierte er aber eher, dass die Daten nicht dezentral und nicht sicher genug gespeichert werden. In der Speicherung der Daten sah er keine Rechtsverletzung. Die Bundesregierung, vor allem Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, setzte sich schnell an eine Neuregelung, die zum Teil lockerer funktionieren sollte (Quick-freeze).
Trotzdem stieß natürlich auch dieser Vorschlag vor allem bei der Netzgemeinde auf Ablehnung. Aber auch der wissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestags erklärte in einem Gutachten die Unvereinbarkeit der Vorratsdatenspeicherung mit deutschen und europäischen Grundrechten und bezweifelte vor allem stark ihren Nutzen zur Verbrechensbekämpfung.
Erstes Urteil des Europäischen Gerichtshofs
Im April 2011 erkannte die EU-Kommission, dass die Richtlinie nicht den gewünschten Zweck der Vereinheitlichung erfüllt und setzte sich an zahlreiche Änderungen. Wenig später, im Mai 2012, klagte sie trotzdem gegen Deutschland, weil die Richtlinie wegen Uneinigkeit im Parlament bisher nicht in deutsches Recht integriert wurde (knapp 300.000 Euro Strafe pro Tag).
Nach zwei Jahren beschloss allerdings der Europäische Gerichtshof, sie sei überhaupt nicht mit europäischen Grundrechten vereinbar, was auch die Klage der Kommission gegenüber Deutschland ungültig machte.
Das Ende der Vorratsdatenspeicherung?
Damit ist die Debatte um eine Einführung der Vorratsdatenspeicherung jedoch keineswegs beendet. Denn im Oktober 2015 stimmte der Bundestag für eine erneute Einführung der anlasslose Speicherung. Sie sieht vor, dass bis Mitte 2017 alle Telekommunikationsanbieter personenbezogene Daten aller Bürger speichern müssen. Ob das Urteil des Europäischen Gerichtshofs von vergangenen Mittwoch an dieser neuen Verabschiedung etwas ändern wird, bleibt abzuwarten.
Nach Ansicht vieler ist aber nun endgültig jegliche Speicherung von Daten ohne Anlass in Europa illegal. Doch so weit war der Europäische Gerichtshof 2014 eigentlich auch schon. Die Geschichte der Vorratsdatenspeicherung dürfte also noch lange nicht abgeschlossen sein.
Vor allem, weil Forderungen nach höheren Sicherheitsstandards in Europa häufig nach terroristischen Anschlägen besonders laut sind. Das neue Urteil des Europäischen Gerichtshofs wurde am 21. Dezember verkündet, zwei Tage nach dem vermutlich terroristischen Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt.
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