ESPN war einmal das Kronjuwel der Walt Disney Company, das Schmuckstück in einem TV-Konstrukt, mit dem Disney mehr als 70 Prozent des jährlichen Betriebsergebnisses generierte. Die Betonung: „…war einmal…“.
Mittlerweile sieht sich der US-amerikanische Fernsehsender im zweiten Jahr mit Gewinneinbußen konfrontiert, behauptet Steven Cahall, Analyst bei der Investmentbank RBC Capital Markets. Hinzu kommt, dass ESPN fast im Alleingang für das schlechteste Jahresergebnis der Disney-Aktie in fünf Jahren gesorgt hat. Experten wie Cahall sowie der Milliardär John Malone empfehlen, dass Disney den Verkauf von ESPN in Betracht ziehen sollten.
Malone gegenüber CNBC: „Wenn ich raten müsste, würde es auf eine Trennung von Disney und ESPN hinauslaufen. Wahrscheinlich könnte sich ein US-Distributionsunternehmen ESPN annehmen.“
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Die Probleme beim weltweit meist gesehenen Sportsender reflektieren die gleichen Entwicklungen, die auch die aktuelle „Merger Mania“ antreibt: Sinkende Zuschauerzahlen und ein zunehmender Wettbewerb durch Low-Cost-Services wie Netflix. Ähnliche Entwicklungen trieben schon Time Warner für über 85 Milliarden US-Dollar in die Arme von AT&T und erklären, warum Disney-CEO Robert Iger laut über Technologie-Akquisitionen und neue Wege nachdenkt, um ESPN zu den Zuschauern zu bringen.
Interessante Möglichkeiten für ESPN
Kurz nachdem AT&T den Deal mit Time Warner vermeldet hatte, sagte Iger gegenüber Bloomberg: “Es gibt einige wirklich interessante Möglichkeiten hinsichtlich der technologischen Perspektive, um unser Geschäftsmodell und auch die direkte Beziehung zum Konsumenten zu verbessern. Wir prüfen diverse Wege, um dies zu bewerkstelligen.”
Die letzten Medien-Deals lassen die Grenzen zwischen Content-Produzenten und Distributoren verschwimmen. Im digitalen Zeitalter, in dem Telefongesellschaften TV-Services anbieten und E-Commerce-Unternehmen weltweit Serien ausstrahlen, ist die Chance in den Kundengruppen anderer zu wildern, so groß wie nie.
Mit Time-Warner-Konzern, Muttergesellschaft von Warner Bros und HBO, gewinnt AT&T Kontrolle über eines der weltweit größten Film- und TV-Studios sowie Top-Kabelanbieter. AT&T ist als Eigentümer von DirecTV der größte US-Pay-TV-Anbieter. In der letzten Woche hat Rupert Murdoch (21st Century Fox) bekannt gegeben, dass er 14,6 Milliarden US-Dollar für den Rest von Sky Plc bezahlen wird. Das Ziel: “to become a global creative and consumer powerhouse”.
Für ESPN bestehen in diesem Umfeld viele Risiken. Der Sender veranschlagt für jeden der ca. 90 Millionen Pay-TV-Abonnenten 7,21 US-Dollar pro Monat. Das ist viermal soviel wie der nächste Wettbewerber TNT (Time Warner) laut SNL Kagan veranschlagt (1,82 US-Dollar).
Robert Iger weiß, dass er die Heimat seines Programms auch in der sich veränderten Medienlandschaft sicherstellen muss. Er hat einen Kurs eingeschlagen, um den Sportsender auf neuen Distributions-Plattformen zu etablieren und eigene Direct-to-Consumer-Services zu launchen.
“Wir fühlen uns generell sehr selbstsicher, was die Zukunft von ESPN angeht”, so Iger.
Was plant Disney?
Nach dem erfolgreichen Premieren-Wochenende von Rogue One stieg die Disney-Aktie zwischenzeitlich um 1,4 Prozent auf 105,36 US-Dollar. Die Film-Sparte blickt auf ein erfolgreiches Jahr zurück: Rekord-Gewinne und mit den höchsten Marktanteilen in der Branche. Disneys Aktienwert hat sich parallel dazu um weniger als ein Prozent steigern können.
Akquisitionen könnten nun ein wesentlicher Bestandteil der Disney-Strategie sein. Das Unternehmen hat sich Twitter angeschaut, hieß es im September, und war im August bereit, eine Milliarde US-Dollar für ein Drittel von BAMTech zu zahlen, verantwortlich für Disneys Watch ESPN App sowie das Online-Programm von HBO. Dem Unternehmen wird ebenfalls ein Interesse an Netflix nachgesagt.
Nicht jeder denkt, dass Disney einen großen Deal braucht bzw. sich mit einem großen Content-Distributor zusammen tun muss.
Wer braucht hier eigentlich wen?
“Netflix macht es großartig, aber was unterscheidet ihr Angebot letztlich von dem, was Amazon bieten kann?”, fragt Tony Scherrer. Scherrer ist Director of Research bei Smead Capital Management, die fast 728.000 Disney-Aktien besitzen. “Disney braucht keinen Distributor, genauso wenig brauchen etwaige Distributoren zwingend Disney.”
Das zentrale Problem von ESPN ist, dass die Kosten genauso schnell wachsen wie die traditionellen Pay-TV-Zuschauerzahlen sinken und die Quoten für große Sportarten wie Football abnehmen.
Es wird erwartet, dass ESPN seinen Umsatz um 4 Prozent auf 12,5 Milliarden US-Dollar steigern kann. Gleichzeitig steigen die Kosten um 17 Prozent auf 6,7 Milliarden US-Dollar. Grund dafür sind insbesondere die zusätzlichen 600 Millionen US-Dollar, die laut Vertrag mit der National Basketball Association (NBA) fällig werden.
In den letzten drei Jahren ist die US-Abonnentenzahl laut Nielsen von 99 auf 90 Millionen gesunken. Das TV-Quoten seitens Nielsen bilden auch die Grundlage für Werbe-Vereinbarungen. Die geringste Abonnentenzahl seit 2005 reflektiert die Kündigungen traditioneller Pay-TV-Pakete, weniger Abos durch Todesfälle sowie jüngere Konsumenten, die ein anderes Nutzungsverhalten als ihre Eltern haben und eben nicht an Abonnements interessiert sind.
Was bringt die Zukunft für Disney & ESPN?
Man hält Roger Iger zugute, dass er einer der ersten war, der seine Kanäle auf Sling TV platziert hat und er ESPN sowie andere Sender in kostengünstigeren Paketen wie DirecTV integrieren konnte – auch wenn diese Zuschauer noch nicht von Nielsen gezählt werden können. Bislang konnten die kostengünstigeren TV-Pakete die verlorenen Kabel-TV-Umsätze nicht kompensieren.
Iger sucht parallel dazu nach kontinuierlichem Wachstum. 2017 wird Disney eine abobasierte Online-Version von ESPN launchen, mit Inhalten, die es nicht im TV gibt. Der Service erlaubt es Disney, die Zuschauer für eine bestimmte Sportart, Saison oder sogar für ein Wochenende zur Kasse zu bitten, sagte Iger im September.
Analysten wie Rick Greenfield behaupten, dass Disneys Medien-Netzwerk sein Gewinnwachstum im Steuerjahr 2018 fortsetzen wird. Andere glauben, dass Iger um jeden Preis einen großen Deal abschließen möchte, sei es nun mit Twitter, Netflix oder einem anderen Kandidaten.
Die Herausforderung für Roger Iger wird es sein, Disney für die Zukunft zu positionieren, während er gleichzeitig ein Model schützen muss, dass allen Shareholdern über viele Jahre gut gedient hat.