In unserer Serie „Bahn im Fokus“ erzählt ein Bahn-Blogger aus seiner ganz persönlichen Perspektive. Tim Grams schreibt für seinen Blog „Der bloggende Bahner“ und kämpft seit 2014 für mehr Verständnis im Bahnbetrieb. In der heutigen sechsten Ausgabe kommentiert Tim, dass er die Digitalisierungsmaßnahmen im Bahn-Konzern grundsätzlich begrüßt. Und das, obwohl er weiß, dass seine Einschätzung nicht alle seine Kollegen automatisch teilen.
Kaum ein Wandel beeinflusst unser Leben so stark wie die Digitalisierung. Mit der Deutschen Bahn ist ein ganzer Konzern von den Veränderungen betroffen. Von Apps über Reiseinformationen in Echtzeit am Bahnhof bis hin zu Startups, die Geschwindigkeit ins Unternehmen bringen sollen. Vieles wird neu.
Ich habe diesen Prozess in den vergangenen Monaten verstärkt beobachtet und möchte mit diesem Kommentar auf der einen Seite sensibilisieren – und auf der anderen Seite all jenen Kollegen Mut machen, die meine Einschätzung (bisher) nicht teilen.
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„Negativ eingestellt“
Vor Kurzem habe ich mich mit zahlreichen Lokführern und Zugbegleitern unterhalten. Der Großteil ist älter als ich und tut sich mit dem Umgang digitaler Geräte eher schwer. Das ist natürlich nichts Schlimmes. In unserem Job geht es derzeit verstärkt um Veränderung von Prozessen, an die man sich als Mensch gewöhnen muss.
Zugegeben, es handelt sich um eine schnelle Veränderung. Von Heute auf Morgen kann sich auf digitalen Plattformen alles ändern. Doch genau das macht die ganze Sache natürlich auch so spannend.
Allerdings: Die Zugbegleiter und Lokführer, die ich gesprochen habe, waren sehr negativ gegenüber der Digitalisierung eingestellt: „Mein Job wird sowieso wegfallen“, „uns braucht man bald sowieso nicht mehr, hätte ich nicht einen anderen Beruf wählen sollen?“. All diese Bedenken habe ich mir angehört.
Es sind berechtige Fragen und Einwände. Doch sie beinhalten viel Pessimismus. Ich finde: Digitalisierung ist eine Chance und eine Herausforderung zugleich. Natürlich werden Jobs wegfallen, natürlich werden sich die Berufsbilder stärker und schneller denn je verändern. Doch es entstehen definitiv auch neue Berufe, an die man heute noch gar nicht denkt.
Deutsche Bahn ist nicht nur „Zug“
Eins steht zudem fest: Die gesamte Deutsche Bahn braucht das Fachwissen der Lokführer und Zugbegleiter, um „auf der Schiene“ digital zu werden. Denn ebendiese Menschen erleben Tag für Tag den Bahnbetrieb. Dieses Wissen darf man auch in der Digitalisierung nicht vergessen. Das aber ist noch nicht alles.
Die Deutsche Bahn wird sich in den kommenden Jahren vom „Schienendienstleister“ zum weltweiten Mobilitätsanbieter wandeln, und hat das in vielen Bereichen schon getan. Zu den eher neuen Tätigkeitsfeldern gehört etwa das Car-Sharing, das Bike-Sharing und natürlich auch das autonome Fahren auf der Straße. Auch am Bahnhof wird sich entlang der Reisekette einiges tun: Neue Schließfächer, besseres WLAN und eine insgesamt verbesserte digitale Reisekette soll entstehen.
Digitalisierung ist nicht nur ein Trend
Wer meint, dass das der falsche Weg ist, täuscht sich meiner Ansicht nach gewaltig. Die Deutsche Bahn solle sich lieber auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, höre ich oft. Auch gegen diese Aussage ist natürlich erst einmal nichts einzuwenden. Doch teilen kann ich sie nicht.
Für die Bahn gehört auch in Zukunft mehr dazu, als nur auf der Schiene attraktiv aufgestellt zu sein. Von Haustür zu Haustür muss es gehen, und das am Besten in einem Rutsch mit einem Anbieter und über eine Website bzw. App. Genau dort möchte der Konzern hin. Und das ist definitiv der richtige Weg, wie ich finde.
Jeder, der immer noch meint, dass das Internet schon wieder verschwinde und die Digitalisierung nur so ein Trend sei, der wieder abflachen wird, sollte jetzt spätestens wach werden. Das ist meine Meinung.
„Ich konnte motivieren“
Alle müssen diese Veränderungen akzeptieren, ob es nun um den Supermarkt um die Ecke geht oder eben die Deutsche Bahn. Die digitalen Umwälzungen werden fast alle betreffen. Und am Ende werden die „überleben“, die wollen und diese Veränderungen akzeptieren, annehmen und mitgestalten.
Das Kerngeschäft auf der Schiene ist für die Deutsche Bahn das Fundament, das funktionieren muss. Alles darum herum wird immer mehr zusammenwachsen. Und wenn alle mitziehen, wird sich die Deutsche Bahn zu einer Art Mobilitätsanbieter verändern, wie man ihn heute noch nicht kennt.
Was mich zuversichtlich stimmt: Nach meinen vielen detaillierten Gesprächen konnte ich einige Zugbegleiter und Lokführer für die Digitalisierung motivieren und bin froh, dass sie meiner kleinen Präsentation im Nachhinein sehr offen gegenüberstanden.
Meiner Meinung nach ist es Zeit aufzuspringen auf den Zug, die Geschwindigkeit und die Digitalisierung.