Wir sind so mobil wie nie zuvor. In nur wenigen Stunden können wir mit einem Flugzeug auf einem anderen Kontinent landen. Oder wir können – dank Internet – als Ortsunabhängige ohne festen Wohnsitz leben und arbeiten. Doch was macht das mit uns? Sonia Jaeger, Online-Psychologin und digitale Nomadin, schreibt auf Mobility Mag regelmäßig über die großen und kleinen Phänomene unserer mobilen Gesellschaft.
Dieser Griff zum Telefon… So automatisch, dass man es kaum mehr wahrnimmt. Bis zu dem Moment, in dem das Telefon nicht da ist, wo es sonst immer ist. Oder einem wieder einfällt, dass man gerade sowieso kein WLAN und keine Daten mehr hat, und sich fragt, warum man eigentlich gerade auf den Bildschirm starrt.
Oder wie bei mir neulich in Neuseeland, als ich in einer kleinen, idyllischen Bucht zelten war, in der es überhaupt kein Telefonnetz gab. Da hilft dann auch die einheimische SIM-Karte nicht mehr.
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Aber warum habe ich gerade eigentlich überhaupt zum Telefon gegriffen? Muss ich wirklich wissen, wie spät es gerade ist? Schlafen zu Hause nicht gerade sowieso alle? Und habe ich nicht erst vor ein paar Stunden Nachrichten von Freunden und Familie beantwortet? Ja, klar. Ich habe ein Onlinebusiness, da gehört online sein natürlich dazu. Aber ich habe doch gerade Urlaub… Oder nicht?
Ein Leben mit und durch das Smartphone
Dies oder Ähnliches kennen vermutlich die meisten von uns. Wir haben uns so an unsere Smartphones gewöhnt, dass wir uns ein Leben ohne sie kaum noch vorstellen können. Sei es privat oder beruflich, für die meisten Menschen sind sie ein ständiger Begleiter geworden.
Und sie sind ja auch etwas Wunderbares! Noch nie war es so einfach an Informationen zu gelangen, mobil zu arbeiten und mit Freunden und Familie auch in Kontakt zu bleiben, wenn man sich gerade am anderen Ende der Welt befindet. Als digitale Nomadin könnte ich mir ein Leben ohne Smartphone nur schwer vorstellen. Es wäre möglich, aber ganz sicher wäre es sehr viel umständlicher.
Doch neben all diesen Vorteilen bringt das Handy leider eben auch einige Probleme mit sich, und davon scheinen immer mehr Menschen betroffen zu sein. Wir sind ständig ansprechbar, ständig online, und Informationen merken müssen wir uns schon lange nicht mehr.
Wann habt ihr zuletzt jemanden nach dem Weg gefragt? Oder seid einfach so in ein Hotel oder ein Restaurant gegangen, ohne euch vorher online darüber zu informieren? Und wie geht es euch, wenn ihr wirklich mal kein Netz habt oder der Akku leer ist? Fühlt ihr euch dann vielleicht unruhig und nervös? Wenn ja, dann geht es euch wie den meisten Menschen.
Falls diese Angstgefühle aber recht ausgeprägt sind, dann leidet ihr möglicherweise an Nomophobie.
Nomophobie – Trend oder neue Krankheit?
Nomo… was? Zugegeben, ein merkwürdiger Name. Aber vielleicht habt ihr schon von der Langversion gehört, der „No-Mobile-Phone-Phobia“? Der Begriff wurde durch eine Untersuchung der Forschungseinrichtung YouGov im Auftrag des UK Post Office im Jahr 2010 geprägt.
Mehr als die Hälfte der Befragten berichten dabei von Ängsten in Bezug auf den Verlust des Telefons, Akkus oder Netzes. Als Hauptgrund für die Ängste wurde der Wunsch nach Kontakt zu Familie und Freunden angegeben. Das Ausmaß der inneren Unruhe und Ängste sei dabei vergleichbar mit denen vor einem Zahnarztbesuch oder der Nervosität am Hochzeitstag.
Weitere Untersuchungen zeigen, dass etwa zwei Drittel der Menschen mit oder direkt neben ihrem Handy schlafen. Mehr als die Hälfte schalten ihr Telefon nie ab und 34 % gaben zu, auch in intimen Momenten mit dem Partner bereits zum Handy gegriffen zu haben.
Auch die Anzahl der Angestellten, die im Urlaub ihre Arbeitsmails lesen, ist immer wieder erschreckend hoch. Und das auch dann, wenn die Arbeit oder der Arbeitgeber es gar nicht von ihnen verlangen.
Frauen scheinen insgesamt von Nomophobie häufiger betroffen zu sein als Männer, warum ist bisher allerdings noch unklar. Möglicherweise hat es etwas damit zu tun, dass die Vernetzung und der Kontakt zu Freunden und Familie typischerweise für Frauen eine höhere Bedeutung hat als für Männer. Noch ist aber wie gesagt eher wenig über die Nomophobie wirklich bekannt.
Forscher der Iowa-State-Universität haben daher einen Fragebogen entwickelt, um das Ausmaß und die Inhalte der Nomophobie genauer untersuchen zu können. Hierbei konnten vier unterschiedliche Komponenten der Nomophobie identifiziert werden, die alle zum allgemeinen Unbehagen beitragen:
- Nicht in der Lage sein, mit Menschen zu kommunizieren
- Verlust von allgemeiner Verbundenheit
- Zugang zu Informationen verlieren
- Verlust von Bequemlichkeit.
Ob sich dieses gesellschaftliche Phänomen in Kürze zu einer richtigen psychischen Störung, inklusive Diagnose und Therapie, entwickelt, wird sich noch zeigen, es spricht aber aktuell vieles dafür. Ob es sich bei der Nomophobie wirklich um eine Phobie oder doch eher um eine Abhängigkeit handelt, darüber lässt sich vermutlich streiten. Sicher ist aber, dass es ein ernst zu nehmendes Problem ist.
Schaltet einfach das Handy aus!
So einfach dies nun klingen mag, so wahr ist es doch: Schaltet einfach das Telefon regelmäßig aus!
Stellt sicher, dass ihr auch mal ganz ungestört alleine oder mit Freunden sein könnt. Ganz ohne zum Telefon zu greifen. Vielleicht könnt ihr euer Telefon auch einfach mal zuhause lassen.
Ein unheimlicher Gedanke? Ihr müsst ja nicht gleich das Handy zwei Wochen lang abschalten. Doch braucht ihr das Smartphone wirklich, wenn ihr nur kurz in den Supermarkt um die Ecke geht? Lasst es in solchen Situationen bewusst zu Hause und steigert eure Handy-freie Zeit dann langsam!
Darüber hinaus kann es helfen, nicht ständig auf den Screen zu starren. Teilt euch feste Zeiträume in eurem Tag ein, in denen ihr Mails abruft anstatt immer sofort auf alles Neue zu klicken. Das ist viel effektiver, und es reicht auch völlig, nur alle paar Stunden bei Facebook vorbei zu schauen.
Und schließlich noch ein Tipp – gerade für Menschen mit Schlafstörungen: Nehmt euer Handy nicht mit ins Bett!
Ich weiß wie verlockend und angenehm es sein kann, kurz vor dem Einschlafen noch ein bisschen auf dem Handy zu spielen oder Nachrichten von Freunden zu beantworten. Aber genauso oft passiert es dann leider auch, dass wir noch etwas Unangenehmes lesen oder durch eine Arbeitsmail die abendliche Ruhe gestört wird. Schafft euch also stattdessen lieber eine „handyfreie Zone“ rund ums Bett. Ihr werdet sehen, es lohnt sich!
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