„Video killed the radio star“, da ist noch immer was dran. Doch Podcasts und andere Audio-Formate werden immer beliebter. In der Serie Hören/Sagen berichtet Sandro Schroeder über Neuigkeiten, Hör-Tipps und Macher aus der Audio-Welt.
Kurz zusammengefasst – Ausgabe 11
- News: ARD-Audio-App kommt 2017
- Podcasting 2016: Der unausweichliche Jahresrückblick
- Neu: Linktipps
- Hörtipps: Codebreaker; Systemfehler
Neuigkeiten
ARD goes NPR
In der letzten Ausgabe hatte ich noch darüber geschrieben, dass es keine gemeinsame ARD-Audio-App gibt. Das ist scheinbar auch der ARD aufgefallen, die im kommenden Jahr diese Lücke schließen will: Bis Mitte 2017 soll es die „ganze ARD im Hörfunk geben – mit einem Klick„. Die Ankündigung liest sich zwar ein wenig wie ein App-Bullshit-Bingo („Joy of use“, „Content-Netzwerk“), aber viel wichtiger ist ja, welche App am Ende entsteht: Ein (hoffentlich gut gemachter) Klon von NPR One. 😉
Trotz @RadioplayerDE und anderer Plattformen: ARD startet 2017 eine eigene Audio-App. https://t.co/A5DUkvv7bc pic.twitter.com/CYHyHu1Bna
— turi2 (@turi2) November 23, 2016
P.S.: Falls das hier doch von jemanden bei der ARD gelesen wird: Dazu wünsche ich mir auch außerhalb der App kuratierte Podcast-Feeds, in denen beispielsweise Features/Interviews aus den Rundfunkanstalten zu einem Schwerpunkt gesammelt werden. Passend zur Jahresrückblick-Zeit würde sich beispielsweise eine Kuration wie „Radio-Features zu 2016 verstorbenen Persönlichkeiten“ anbieten – und garantiert ordentlich HörerInnen ziehen.
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Podcasting 2016: Ein Jahresrückblick
Das Jahr 2016 endet und damit beginnt die Zeit der Jahresrückblicke. Nachdem 2015 „das Jahr nach Serial“ wurde, sehe ich 2016 mit drei Trends: Erstens, eine zunehmende Kommerzialisierung und Professionalisierung beim Podcasting, für die das US-Unternehmen Gimlet Media weltweit exemplarisch ist. Zweitens, lang bestehende Probleme des Podcastings werden zunehmend von neuen Anwendungen und Apps angegangen. Und drittens: auch die großen Unternehmen positionieren sich 2016 bei Podcasts und Audio.
Gimlet startet durch
Die Konstante: Gimlet Media hat 2016 in vielen Bereichen des Podcastings die Nase ganz weit vorn gehabt. Zwar gab es auch einige Verstimmungen – so um das Ende der beliebten „Mystery Show“ und Dov Charney als umstrittenen Protagonisten der vierten Staffel von Startup – aber insgesamt lässt sich die Bilanz von Gimlet sehen.
Das New Yorker Podcasting-Unternehmen ist frühzeitig auf das Revival von fiktiven Formaten und Hörspielen mit aufgesprungen, um dann mit „Homecoming“ ein hochkarätig besetztes und fesselnd umgesetztes, modernes Hörspiel zu liefern. Nebenbei sind mit „Twice Removed„, „Crimetown“ und „Undone“ drei weitere Produktionen nahezu gleichzeitig gestartet, was auch für die Motivation und Organisation bei Gimlet spricht.
Dazu hat sich Gimlet sehr früh als Produktionspartner für Branded Podcasts etabliert. Wie nachhaltig solche Marken-Podcasts sind, bleibt abzuwarten – aber die Deals für „Open for Business“ mit Ebay und „DTR“ mit Tinder dürfte sich das Unternehmen ordentlich bezahlen lassen haben.
Our This Week on @Gimletmedia collection has shows that amaze and pull on your heart strings. See the full list: https://t.co/XLBPqhDFBy pic.twitter.com/cD57d1e79f
— Apple Podcasts (@ApplePodcasts) November 22, 2016
Nahezu alles was das Unternehmen derzeit anfässt, verwandelt sich in Podcasting-Gold. Mein persönliches Dauer-Highlight bei Gimlet: „Reply All“. Für mich einmal mehr der Podcast, der über das Jahr gesehen die höchste Konstanz bewiesen hat. Außerdem hatten die „Reply All“-Macher mehrmals das richtige Gespür für Nischeninternet-Themen, die es in den Mainstream schaffen: das Meme „Pepe the frog“ und die „Pizzagate“-Verschwörungstheorie hatte „Reply All“ jeweils auf dem Schirm, bevor beides zu internationalen Schlagzeilen wurde.
Audio immer noch nicht viral
Die andere Konstante in diesem Jahr: Von Podcasts mit Millionenpublikum, über Radiosender weltweit bis hin zu kleinen Hobby-Produktionen stellen sich Audio-MacherInnen die Frage: „Wie bringen wir unsere Audio-Inhalte zu möglichst vielen Menschen/in die sozialen Medien?“ Dank Facebook war die zwangsläufige Antwort darauf im Jahr 2016: „Durch Videos!“
Zuerst hat der US-Radiosender WNYC im Juli eine halbwegs alltagstauglichen Lösung für den Weg vom Audio zum Video programmiert und als open-source code auf Github veröffentlicht. Allerdings gibt es (bisher) keine Untertitel für die Audio-Inhalte, was der größte Nachteil von Audiogram bleibt – insbesondere für dessen Einsatz auf Facebook.
Aus der Redaktion von This American Life kam im Oktober die meiner Meinung nach bisher eleganteste Lösung für mundgerechte Audio-Inhalte in sozialen Medien. Bei Shortcut können HörerInnen ihre Lieblingsstelle im Transkript auswählen und sie in ein Video verwandeln, das auch den Text zum Mitlesen anzeigt.
Damit wendet Shortcut die Lektionen von erfolgreichen Facebook-Videos auf das Medium Audio an: Ein Großteil der Nutzer schaut die Inhalte ohne Ton an, sodass eine Untertitelung fast zwingend notwendig ist. Auch Shortcut soll wie Audiogram von WNYC eine open-source Lösung werden.
Und so sieht's aus, am Beispiel @serial. pic.twitter.com/mV3Uo0pvVv
— Sandro Schroeder (@SaSchroeder) October 11, 2016
Meine These für das kommende Jahr: 2017 werden sich Lösungen wie Audiogram und Shortcut bei Audio-Produzenten für die sozialen Medien etablieren. Zuerst muss aber die zuverlässige Transkription von Audio-Inhalten weiter automatisiert werden. Denn ohne Untertitel gehen die schönen Wellenvideos an der Nutzungsrealität von Facebook und Twitter vorbei, zeitgleich sind manuelle Transkriptionen für solche Audio-Snippets zu zeitaufwendig, um solche Videos regelmäßig einzusetzen.
Einer ganz ähnlichen Herausforderung müssen sich übrigens die in diesem Jahr zahlreich neugestarteten Audio-Apps stellen, darunter Anchor („Radio by the people“), Bumpers („Record. Edit. Listen“), 60dB („Personal Radio), RadioPublic („Free podcasts!“). Alle Apps müssen eine Community von nachhaltigen Nutzern aufbauen – dafür müssen die Apps nicht nur Hardcore-Fans des Mediums anziehen – sondern auch Menschen überzeugen, die bisher wenig Kontakt mit Audio-Inhalten hatten.
Die Plattformen
Der dritte Trend im Podcasting 2016: Die großen US-Unternehmen mischen auch den deutschen Markt auf. Was mit dem Ende von „Sanft und Sorgfältig“ bei Radio Eins und dem Wechsel zu „Fest und Flauschig“ bei Spotify begann, setzte sich 2016 im viel größeren Maßstab fort.
#sanftundsorgfaeltig hört nicht auf, sondern wechselt von der #ARD zu @Spotify, schreibt @ulrikesimon bei @Horizont https://t.co/re7DGzrcnA
— Marc Krueger ▶ auf 🟦☁️ & 🦣 (@kollege) April 25, 2016
Es folgten der Call for Papers bei Audible, dessen Mutterkonzern Amazon außerdem die Bundesliga-Rechte bei Web-Audio für die kommende Saison erworben hat. Mit dem Call for Podcast des Bayerischen Rundfunk zusammen mit Spotify folgte gleich das nächste Signal, dass der Einfluss der Plattformen – ob nun direkt oder indirekt – weiter wachsen wird.
Schon im Juni sorgte sich deswegen der deutsche Podcast-Pionier Tim Pritlove im Hören/Sagen-Interview: „Die Gefahr ist sehr konkret. Alle wollen sozusagen der Kalif anstelle des Kalifen werden. Alle möchten, dass das alles nur über ihre App zugänglich ist. Aber in dem Moment, in dem alles an einem einzigen Anbieter hängt, gelten nur noch dessen Regeln und Interessen.“
Im Oktober antwortete Marcel Grobe von Spotify auf solche Kritik: „Wir wollen überhaupt nicht als Gatekeeper auftreten und sind offen für jeglichen Content, der an uns herangetragen wird. Klar, wir stehen noch am Anfang, was Podcasts anbelangt und entwickeln unseren Service regelmäßig weiter“.
Ohne Frage: Auch in Deutschland wird 2017 das Jahr werden, in dem die großen (Audio-)Unternehmen sich eine ordentlich Scheibe vom Audio- und Podcasting-Markt abschneiden werden. Deswegen wird sich auch im kommenden Jahr der vergleichende Blick auf den US-amerikanischen Podcasting-Markt weiter lohnen – als Vorschau, was uns hierzulande in ein, zwei Jahren erwarten wird.
Neu: Linktipps
Mehr über Audio lesen? Ich möchte Hören/Sagen künftig um eine kurze Sektion mit Linktipps ergänzen. Für diese Ausgabe möchte ich auch hier dem Jahresrückblick huldigen und habe Links gesammelt, die für mich Audio und Podcasting im Jahr 2016 zusammenfassen:
- Old but gold: Bald zwei Jahre alt, liefert dieser Text immer noch die beste Analyse, warum Audio-Inhalte extrem selten in sozialen Medien erfolgreich die Runde machen. „Is this thing on?“ – digg.com
- Plopp, da ist die Blase weg: Radiolab-Mitgründer Jad Abumrad fürchtet, dass die Podcast-Blase bald platzt, weil das Angebot die Nachfrage übersteigen könnte. „Radiolab’s Jad Abumrad on podcasting’s uncertain future: ‚Supply is outstripping demand“ – theguardian.com
- State of the
UnionPodcasting Sphere: Medienjournalist Ken Doctor hat eine sehr umfangreiche, aber auch sehr lesenswerte Analyse über das Podcasting im Jahr 2016 geschrieben. „The newsonomics of podcasting“, niemanlab.org - Der wohl beste (und einzige) Jahresrückblick, der im Juni 2016 geschrieben wurde: „Die Zukunft des Radio wird gerade entschieden – und das klassische Radio hat noch kaum etwas damit zu tun“ – marckrueger.tumblr.com
- Lob der (versuchten) Innovation: 2016 war das Jahr der technischen Innovationen im Podcasting – mal sehen, was 2017 davon übrig bleibt. „The Top 8 Podcasting Innovations of 2016“ – observer.com
- So call me maybe… not Podcasting?! Ist der Name „Podcasting“ ein Hemmnis für das Wachstum des Mediums? „Is the Name ‘Podcasting’ Hurting the Medium’s Growth?“ – jacobsmedia.com
Hörtipps
Codebreaker (Technik-Storytelling, englisch)
Das Anti-„Black Mirror“, nur für die Ohren: „Can it save us?“ fragt der Podcast „Codebreaker“ in seiner zweiten Staffel und blickt damit kritisch, witzig und stets spannend auf die Rolle, die Technik in unserem Alltag spielt. Spaß macht aber nicht nur der treibende Soundtrack und die übergreifende Fragestellung, sondern auch das Rätseln: Wer die versteckten Codes in den Episoden entschlüsselt, kann die nächste Episode schon vor ihrer regulären Veröffentlichung hören.
Systemfehler (Technik-Storytelling, deutsch)
It’s not a bug, it’s a feature: Das Team von Viertausendhertz hat sein Versprechen gehalten, mehr Abwechslung in das deutsche Podcasting zu bringen. Denn für mich war „Systemfehler“ in diesem Jahr eine der wenigen deutschsprachigen Anlaufstellen für Podcasts. Der Podcast von Christian Grasse Conradi liefert nicht nur schön produzierte Folgen rund um Technik, sondern bietet zeitgleich interessante Perspektiven zur Fehlerkultur. Meine Lieblinge: Klangverluste (spannende Umsetzung), Der interne Systemfehler (schönste Geschichte) und Die Relaismotte (größter Schmunzelfaktor).
Mehr Empfehlungen
Wer für die Feiertage zum Jahresende und/oder die Reisen rundherum noch mehr Hör-Material sucht, dem sei das gesamte Hören/Sagen-Archiv empfohlen oder diese Aufstellung aus der letzten Ausgabe empfohlen. Dort habe ich 22 Links zu umfangreichen Podcast-Rezensionen gesammelt, mit denen landet man schnell bei empfehlenswerten Podcasts – oder findet weitere Anlaufstellen für Podcast-Empfehlungen. Yeeeaaah, voll meta!
Hören/Sagen geht im Januar in eine vorübergehende kreative Schaffenspause. Wir wollen überlegen, wie wir die Serie für euch noch besser machen können und im neuen Jahr dann mit frischen Ideen starten. Folge uns auf Twitter, Facebook und abonniere unseren Newsletter, um die nächste Folge nicht zu verpassen! Ihr habt Feedback oder Ideen zu Hören/Sagen? Dann schreibt mir gerne bei Twitter (@saschroeder) oder kommentiert diesen Artikel direkt. Also: Frohe Feiertage und bis 2017!