Arbeitsutensilien: ein Laptop. Arbeitsort: irgendwo, wo es gemütlich ist. Arbeitskollegen: kreuz und quer auf dem Globus verteilt. Was vor 30 Jahren wie eine Utopie klang und bis vor Kurzem nur von einigen wenigen digitalen Nomaden praktiziert wurde, wird zum Mainstream: Das ortsunabhängige Arbeiten in multilokalen Teams ist für viele mittlerweile Alltag.
Digitalisierung, die begeistert
Die Digitalisierung macht es möglich! So entwickelt sich unsere Arbeitswelt 4.0 dahin, dass nicht nur einzelne Personen, sondern gleich ganze Unternehmen kein zentrales Büro mehr haben. Eine solche dezentrale Firma ist Doist. Doist ist das Unternehmen hinter der Organisations-App Todoist. Ihr internationales Team von über 30 Mitarbeitern ist auf fünf Kontinenten, 23 Ländern und zehn Zeitzonen verteilt.
Dabei leben die wenigsten von ihnen in ihrem Ursprungsland. Dieses Geschäftsmodell war volle Absicht, sagt Gründer Amir Salihefendic: „Als ich Doist startete, lebte ich in Chile. Da war es nicht immer möglich, die passenden Leute vor Ort zu finden. Um dieses Problem zu lösen, fing ich deshalb an, Leute von überall anzustellen – solange sie die Qualifikationen und Fähigkeiten mitbrachten, die ich suchte.“ So entstand ein multilokales Team, das über Skype, Google Drive, GitHub und natürlich Todoist miteinander kommuniziert.
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Junge Arbeitnehmer wollen Freiheit statt Firmenwagen
Denn immer mehr Unternehmen erkennen: Es ist wirklich nicht nötig, dass die Mitarbeiter zu einer bestimmten Zeit an einem spezifischen Ort sind. Solange sie ihre Aufgaben pünktlich und gründlich erledigen, ist es egal, ob sie dies auf ihrem Sofa in Paderborn oder aus dem Homeoffice in Auckland tun. Gerade den jungen Arbeitnehmern ist diese Flexibilität im Job wichtiger als traditionelle Statussymbole. Eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Personalführung zu aktuellen Arbeitstrends zeigt: Millennials wollen keine teuren Firmenautos oder ein schickes Büro, sie wollen mehr Freiheit.
Dabei ist die Idee der Ortsunabhängigkeit gar nicht so neu. Es hat schon immer Menschen gegeben, die nicht an einem festen Ort gearbeitet haben. Doch durch die Digitalisierung ist diese Art zu arbeiten einfach in viel mehr Bereichen möglich geworden, und immer mehr Menschen nutzen die Möglichkeiten, die die Technik ihnen bietet.
So auch Andreas Schmidt. Er ist Freelancer im Bereich Projektmanagement und organisiert Events und Festivals. All das läuft virtuell ab und so trifft er seine Co-Worker oft erst auf dem eigentlichen Event. Das ist nicht immer so leicht: „In meinem Bereich der Festivals und Veranstaltungen besteht die Problemstellung zum Beispiel darin, extrem schnell ein funktionierendes Team zu bilden. Eine andere Schwierigkeit ist es, eine Firmenstruktur zu etablieren, die es ermöglicht, Hunderte von Mitarbeitern zu verwalten, von denen ein Großteil niemals unser Headoffice sehen wird.“
Kommunikation ist alles
Das Arbeiten in multilokalen Teams wirft also vor allem organisatorische Probleme auf: Wie kann man Aufgaben effektiv verteilen? Wie verständigt man sich ohne Probleme? Wo und wie werden Spesen abgerechnet? Wie kann man Verträge unterschreiben? Und wie kann man bei einer so dezentralen Arbeit eigentlich den Überblick behalten? Deshalb ist für Schmidt das Interessante an multilokalen Teams nicht so sehr, dass es sie gibt, sondern eher die Frage, wie haltbar dieses Arbeitsmodell ist: „ Die wirklich spannenden Fragen sind doch, ob man ein Leben lang so frei arbeiten kann, und ob es wirklich möglich ist, mit so einem Jobmodell auch als Freelancer Karriere zu machen.“
Bei Doist scheint man darauf zumindest teilweise schon Antworten gefunden zu haben. Fabienne de Lannay ist beispielsweise für das Marketing und die Pressearbeit im deutschsprachigen Raum zuständig. Sie ist damit eine von insgesamt acht „Country Reps“ bei Doist.
Diese treffen sich ein Mal im Monat mit ihrem Koordinator auf Google Hangouts, um Ideen auszutauschen und die nächsten Schritte zu besprechen. „In unseren Meetings merkt man immer wieder wie unterschiedliche Märkte unterschiedlich funktionieren. Das bedeutet, dass wir zwar Ideen austauschen, diese aber nicht immer im eigenen Markt umsetzen können. Die Gründe dafür sind viele: kulturelle Unterschiede, verschiedene Auffassungen von Produktivität oder die Kaufkraft. Trotzdem helfen diese Meetings, auf neue Ideen zu kommen. Zudem stellen sie sicher, dass wir alle auf dem gleichen Stand sind und die Unternehmensvorgaben befolgen,“ erklärt de Lannay.
So ist die Digitalisierung zwar die Basis für ortsunabhängiges Arbeiten. Die konstante und produktive Kommunikation der Mitarbeiter untereinander aber bildet die Grundlage für ein erfolgreiches multilokales Team. Das hat auch Eva Mohr gelernt. Gemeinsam mit ihrer Freundin und Geschäftspartnerin Mela Holcomb den Onlineshop Allthatiwant gegründet – eine Plattform für Mode, Street Style und Urban Cycling Couture. Auch ihr Team ist aktuell in Honolulu, London, Köln und Tel Aviv verstreut.
Wer in einem derart dezentralen Unternehmen arbeiten und erfolgreich sein will, muss ganz bestimmte Voraussetzungen mitbringen, sagt Mohr: „Ein solches Arbeiten setzt einfach ein anderes Maß an Organisation und Disziplin voraus. Beispielsweise, wie gehe ich mit den verschiedenen Zeitzonen um, wie überbrücke ich Sprachbarrieren oder kulturelle Schwierigkeiten? Wie baut man eine vertrauensvolle Beziehung zu Kollegen auf, mit denen man vielleicht jeden Tag spricht, sie aber noch nie persönlich getroffen hat?“
Multilokalität bietet neue Chancen für Unternehmen
Denn wer so viele Freiheiten am Arbeitsplatz hat, braucht auch viel Selbstdisziplin und muss darüber hinaus ebenfalls gut eigenständig arbeiten können. „Schließlich kann man da nicht einfach zum Arbeitsplatz des Arbeitskollegen gehen, wenn man Fragen hat oder etwas geklärt werden muss,“ sagt Amir Salihefendic.
Deshalb erwartet auch er von seinen Mitarbeitern Offenheit und Verantwortungsbewusstsein: „Unsere Mitarbeiter müssen wirklich zuverlässig sein, gut kommunizieren können und extrem organisiert sein.“ Zwar sind das Qualitäten, die man wahrscheinlich auch sonst in einem Mitarbeiter sucht, aber bei multilokalen Unternehmen wie Doist oder Allthatiwant sind sie besonders wichtig.
Während es also noch relativ einfach ist, als einzelner Freelancer ortsunabhängig zu arbeiten, gestaltet sich das Arbeiten in multilokalen, internationalen Teams doch etwas komplizierter. Das gilt für die Mitarbeiter, die hauptsächlich ein virtuelles Verhältnis zu ihren Kollegen haben. Und das gilt natürlich auch für die Manager, die ein solch verstreutes und kulturell gemischtes Team koordinieren müssen.
Doch genau das kann auch ein großer Vorteil sein gegenüber einem traditionellen Unternehmen mit einem festen Standort, findet Salihefendic: „Die Zusammenarbeit mit Menschen aus verschiedenen Kulturen ist genial, denn jeder hat seine ganz eigene Perspektive. Diese Multikultur ermöglicht es, Produkte zu schaffen, die die ganze Welt ansprechen und nicht nur eine demographische Gruppe. Wenn man smart und motiviert ist, kann ein Traum so von überall auf der Welt verwirklicht werden.“
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