Marinela Potor ist digitale Nomadin. Kein fester Wohnsitz, immer unterwegs, Leben und Arbeiten auf Reisen. Für viele ein Traum, für andere ein Graus. Bei BASIC thinking und auf MobilityMag berichtet Marinela wöchentlich über das ortsunabhängige Leben und den digitalen Wandel in der Arbeitswelt.
Von Langeweile am Strand zum neuen Geschäftsmodell
Die besten Geschäftsideen entstehen oft bei Langeweile – vorzugsweise mit Meerblick. So war es zumindest bei Björn Goß und David Handlos als sie zum ersten Mal die Idee für Stocard hatten. Einer App, die unsere Geldbörsen digitalisieren soll.
Das Jahr 2011. Goß und Handlos hatten in den Semesterferien eine Campingreise in Australien geplant, die dann buchstäblich ins Wasser fiel. Stattdessen lagen die beiden am Bonday Beach in Sydney und sinnierten über das Leben – und ihre Smartphones. „Ich hatte damals gerade mein erstes Smartphone und David und ich sprachen darüber, wie dieses kleine Gerät wohl schon bald unsere Gesellschaft revolutionieren würde“, sagt Stocard-Mitgründer Björn Goß im Gespräch mit BASIC thinking.
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Da sie schon bei Revolutionen seien, könne man auch mal den Geldbeutel seiner Freundin revolutionieren, spann David Handlos die Idee weiter. Diese habe zwei Portemonnaies, ein kleines für das Geld und ein großes für all ihre Kundenkarten. Jedes Mal, wenn sie einkaufen gingen, beginne dann das große Umpacken. Welche Kundenkarten brauche ich heute? In welche Läden gehe ich diesmal nicht? Dafür müsste man eigentlich eine Lösung finden können, dachten die beiden.
Hallo App, tschüss Portemonnaie
Was damals am Strand als Scherz begann, entwickelte sich schnell zu einer Geschäftsidee. Björn Goß und David Handlos begannen sofort an ihrem Einfall zu basteln. Sie wollten eine App entwickeln, mit der man all seine Kundenkarten auf dem Smartphone abspeichern konnte. Kein Kramen nach der richtigen Karte im Geschäft, kein Umpacken von zig Kundenkarten von einem Geldbeutel in den anderen. Aufgeregt malten Goß und Handlos ihre Entwürfe auf Servietten und sogar Brechtüten im Flugzeug. Zurück in Mannheim holten sie dann noch ihren Freund Florian Barth mit ins Boot – und seitdem ist ihre Strandidee größer und größer geworden.
Stocard ist derzeit in Westeuropa, den USA, Australien und Kanada verbreitet und hat aktuell 11 Millionen Nutzer. Im Appstore liegt Stocard konstant bei einer Bewertung von 4+ und wurde mehrfach von Apple ausgezeichnet.
Das Prinzip hinter Stocard ist einfach: Die kostenlose App bietet Nutzern die Möglichkeit, all ihre Kundenkarten auf dem Smartphone zu speichern. Viele bekannte Kundenkarten sind bereits voreingestellt. Doch selbst „exotischere“ Karten können problemlos gespeichert werden, entweder indem der Barcode eingescannt wird oder durch das manuelle Eingeben der Codes.
An der Kasse zückt man nur noch das Smartphone mit der entsprechenden Kundenkarte, der Barcode wird von der Kassiererin eingescannt – ganz ohne wildes Suchen nach der richtigen Karte und ohne, dass man möglicherweise die passende Kundenkarte mal wieder vergessen hat. Anfangs gab es gerade in Deutschland noch Probleme beim Scannen der Barcodes, da viele Geschäfte in Deutschland noch keine Barcodes vom Handy scannen können. Das Problem komme aber aktuell nur noch vereinzelt auf, sagt Björn Goß.
Kritisch: Passende Werbung durch Geodaten
Darüber hinaus kann Stocard mit den digitalen Kundenkarten so einiges, was die klassische Kundenkarte aus Plastik nicht kann. „Nutzer können direkt mit der App erkennen, wie viele Punkte sie gesammelt haben und auch, ob es in dem Laden, in dem sie gerade stehen, ein Angebot für ihre Kundenkarte gibt. So ist unsere App auch viel nützlicher für den User als die klassische Karte, bei der man oft nicht mal weiß, wie viele Punkte man eigentlich hat und was einem diese gerade bringen.“
Kunden können auch neue Karten einfach per App beantragen und müssen so nicht mehr umständlich Papierformulare ausfüllen, um eine Kundenkarte zu bekommen. Das spart nicht nur Zeit, es ist auch noch umweltfreundlicher. Ein weiteres Feature der App: Wer will, kann seine Stocard-Karten auch in der Cloud abspeichern und so mit Freunden und Familie teilen. Wer zudem Stocard seinen GPS-Standort verrät, kann sich darüber hinaus auch noch sehr personalisierte Rabattaktionen auf dem Smartphone anzeigen lassen. „Wenn wir sehen, dass jemand gerade bei Tchibo ist, können wir ihm anzeigen, dass es dort gerade ein bestimmtes Angebot gibt.“
Das wiederum ist gerade aus Datenschutz-Sicht sehr kritisch zu sehen. Will ich wirklich, dass ein Anbieter meinem Standort passende Angebote und damit – klar ausgedrückt – Werbung der Läden in der Umgebung anzeigt? Eher nicht.
Stocard als Spotify der Digital Wallets
Bei Stocard gehe es nicht nur darum, den Geldbeutel zu entschlacken, sondern vor allem darum, das Einkaufen zum Erlebnis zu machen. Genau aus diesem Grund glaubt Goß auch, dass sie sich von Konkurrenten abheben – zu denen immerhin auch Apples hauseigenes Produkt „Wallet“ gehört: „Bei vielen anderen ähnlichen Apps, gerade auch bei Apple und Google, geht es in erster Linie ums digitale Payment. Sie konzentrieren sich also erst aufs Bezahlen und erst dann auf das Einkaufen mit Kundenkarten. Wir haben unser Produkt vom anderen Ende her aufgezogen: uns also in erster Linie auf den Endkunden und vor allem auf seine Shopping-Experience fokussiert.“
Außerdem hat Stocard auch einige Jahre Vorsprung zu seinen Konkurrenten und so hofft Goß, dass Stocard das Spotify der Digital Wallets werden kann: ein kleines Unternehmen, das aber trotzdem nicht mehr vom Markt wegzudenken ist.
Stocard-Gründer: „Wir sammeln keine Nutzerdaten!“
Doch Stocard ist natürlich nicht nur für App-Nutzer beim Einkaufen interessant, sondern auch für Händler. Stocard etabliert einen direkten Kommunikationsweg zum Kunden, was für Händler natürlich Gold wert ist. Sie können ihre Angebote direkt an den Endkunden weiterleiten und sind sich sicher, dass ihre Botschaft auch ankommt. Denn bei den üblichen Coupons, die Händler sonst in Zeitungen drucken lassen, weiß im Prinzip niemand, ob sie beim Kunden ankommen und ob dieser sie eigentlich auch nutzt. So können Kunden im Endeffekt auch viel individualisiertere Werbung bekommen.
Viele Kritiker von Stocard befürchten daher, dass die App womöglich Nutzerdaten speichert. „Das tun wir auf gar keinen Fall!“ Björn Goß besteht sehr eindringlich auf diesen Punkt. „Wir haben keine Ahnung, wer unsere App nutzt. Bei uns muss sich niemand registrieren, wir haben keinen einzigen Namen unserer User. Die einzige Information, die wir bekommen, ist der GPS-Standort – und das auch nur, wenn der Nutzer dem explizit zustimmt.“
Tatsächlich sind es die Händler, die Einblick in das Kundenverhalten haben und nicht die Stocard-Gründer. Diesen hätten die Händler allerdings auch ohne Stocard, anhand der Kundenkarte. Denn wer sich eine solche Karte zulegt, tut dies mit Namen, Alter, Wohnort und einer Kundennummer. So wird man damit schon direkt zum gläsernen Kunden für Händler. Wer dies also vermeiden möchte, darf sich erst gar keine Kundenkarten zulegen.
Das große Ziel: Die Digitalisierung unserer Geldbeutel
Goß wiederum glaubt, dass das digitale Ablegen und Nutzen von Loyalty Cards nur der Anfang ist. Mit insgesamt 20 Mitarbeitern arbeitet das Mannheimer Unternehmen daran, unsere Geldbörse völlig zu digitalisieren. Der nächste logische Schritt ist daher das digitale Bezahlen – ebenfalls über das Smartphone. Das komplette Digitalisieren unserer Geldbörse ist daher das große Ziel von Goß und seinen Mitarbeitern. Kurz vor dem Launch von Apple Pay in Deutschland ein riskantes Vorhaben.
Apropos Geldbörse: Was ist denn nun eigentlich mit dem Ideengeber, dem Geldbeutel der Freundin von David Handlos, passiert? „Gute Frage!“, sagt Goß, „ich weiß, dass sie sehr begeistert Stocard nutzt. Wenn sie also immer noch zwei Geldbeutel hat, dann liegt das sicher nicht mehr an den Kundenkarten.“
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Schön, dass die Betreiber selbst keine Nutzerdaten erheben. Trotzdem sind Kundenkarten per se ein Datenschutz-GAU. Ich habe aus gutem Grund keine einzige. Auf die Standardfrage an jeder Kasse „Haben Sie eine XY-Card?“ gibt’s bei mir immer die Standardantwort „Nö“. Früher, in meiner Jugendzeit, wurden Rabattmarken in ein Heftchen geklebt. Habe ich auch gemacht. Aber mich hat damals schon gestört, dass ich beim Einlösen Namen und Adresse in dem Heftchen notieren musste. Also habe ich das sehr bald sein gelassen. Es gab meistens Jemand, dem ich die Rabattmarken schenken konnte.
Word!
Ganz abgesehen davon, was man von Kundenkarten hält – ich persönlich finde, das ist jedem selbst überlassen – finde ich das eine tolle und sehr praktische Idee. Auch die Geschichte dahinter macht auf mich einen sympathischen Eindruck. Und auch die zusätzlichen Features klingen super. Eine App, die ich auch nutzen würde.
Seh ich ähnlich. Das würde sogar für mich als Dauerreisende und Kundenkarten-Skeptikerin die Karten attraktiv machen. Schön wenn man mal sieht, wie Technologie unser Leben einfacher machen kann.
Ich benutze stocard ganz gerne, hat mich um 3 Karten erleichtert 😉
Mein großes Problem ist derzeit DeutschlandCard bzw. deren Partner Netto Discounter, das Personal ist ungeschult und jedes mal ist wer anders dort und ich muss von vorne erklären was das ist und wie man das eingeben muss, da der Scanner den Barcode vom Handy Display nicht abscannen kann. Problem ist, dass es schon seit einem Jahr so ist und ich mir langsam damit echt blöd vorkomme, ob es die paar Punkte bei einem Einkauf überhaupt wert sind, denn zurzeit ist es ein Kassenbremser als ein Beschleuniger. 🙁
Man würde ja meinen, der Barcode-Scanner und das Smartphone seien mittlerweile auch in den deutschen Supermärkten angekommen …
Leider nicht, in meiner nähe nutze ich ansonsten Stocard nur für dm und Subway, da funktionieren die Scanner und können direkt vom Display abscannen, auch die Angestellten schauen da nicht verduzt was ich da mache, aber im Netto sehe ich immer wieder Ratlose Gesichter.
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