Algorithmen wiegen scheinbar schwerer als echte Argumente. Der Wahlsieg des Donald Trump ist unter anderem den sozialen Medien Facebook und Twitter zuzuschreiben.
Entgegen aller Erwartungen wurde Donald Trump vor wenigen Tagen zum nächsten Präsidenten der USA gewählt. Der Wahl ging ein überaus hässlicher, aber spektakulärer Wahlkampf voraus. Und er fand zu einem Großteil in den etablierten sozialen Medien, auf Twitter und Facebook, statt. Wie konnte das passieren? Wie konnte Trump so deutlich gegen Hillary Clinton gewinnen, obwohl sich doch Pressestimmen und Umfrageinstitute so sicher eines Sieges der Demokraten waren?
Mögliche Antworten auf diese Frage gibt es viele. So war Clinton sicher nicht die beliebteste Kontrahentin, viele Amerikaner verlangten offenbar einen deutlicheren Politikwechsel und die E-Mail-Affäre holte die Demokratin immer wieder ein. Doch eine weitere Antwort liegt in den Tiefen der Algorithmen von Facebook und Twitter verborgen. Die beiden sozialen Netzwerke tragen, auch wenn sie es mit Verweis auf ihre prinzipielle Neutralität nicht wahrhaben wollen, eine Mitschuld an dem überraschenden Wahlausgang.
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Social Bots sind eine Gefahr für die Demokratie
Vor einigen Wochen habe ich hier über Social Bots und ihre Gefahren geschrieben. Dass sie zum Beispiel öffentliche Debatten durch das Verfälschen von Trends beispielsweise auf Twitter anders abbilden können, als es in der Realität der Fall ist. Sie können durch eine unglaublich große Anzahl an Retweets und Likes falsche Meinungsbilder erzeugen. So scheint Unwahres schnell wahr, öffentliche Debatten verlieren sich plötzlich in postfaktischen Scheindebatten.
Social Bots untergraben jede Form von offener Diskussionskultur, durch ihre Masse untergraben sie andere Meinungen in sozialen Medien. Algorithmen wiegen scheinbar schwerer als Argumente. Social Bots sind eine Gefahr für die Demokratie. Sie verzerren nicht nur Debatten, sondern polarisieren ins Extreme, schaufeln die ohnehin bereits tiefen Gräben, die durch die Gesellschaft gehen, noch tiefer und verbreiten massenhaft Falschmeldungen, Gerüchte und Verschwörungstheorien.
400.000 Bots zur US-Wahl, 75 Prozent pro Donald Trump
Eine kurz vor der Wahl veröffentlichte Studie von Alessandro Bessi und Emilio Ferrara von der University of Southern California unterstreicht nun die Vermutung, dass Social Bots einen erheblichen Einfluss auf das Wahlergebnis ausgeübt hatten. Zwischen dem 16. September und dem 21. Oktober beobachteten sie die Aktivitäten auf Twitter im Zusammenhang mit dem Wahlkampf. Dabei fiel auf, dass sich insgesamt knapp 400.000 Bots in die Präsidentschaftsdebatte auf Twitter eingemischt haben. Knapp 3,8 Millionen Tweets haben sie abgegeben, ca. 20 Prozent der gesamten Twitter-Kommunikation im Kontext der Wahl. Dabei fielen 75 Prozent der Tweets von Bots positiv für Trump aus, 25 Prozent für Clinton.
Der falsche Trend, den sie dabei entstehen lassen, ist aus dem selben Grund bedenklich, aus dem beispielsweise das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap 10 Tage vor einer Wahl in Deutschland grundsätzlich keine Prognosen mehr veröffentlicht: Menschen lassen sich von ihnen beeinflussen, lassen sich von der Masse leiten und entscheiden sich für die Wahlalternative, die von der Mehrheit die meiste Zustimmung erhält. Entsteht der Eindruck, Trump hätte alle TV-Debatten deutlich gewonnen, kann das Wähler durchaus beeinflussen.
Facebooks Algorithmen sind der Steigbügelhalter des Populismus
Eine weitere Ursache: Facebooks zum Teil miserabler Umgang mit seinen Inhalten. Auch hier scheinen faktenbasierte Informationen kein Maßstab für Qualität zu sein. Schuld daran sind die Algorithmen, die das soziale Netzwerk organisieren. Sie bilden und fördern Filterblasen, befeuern Falschmeldungen und belohnen vor allem Beiträge mit hoher Reichweite. Aussortiert wird nicht.
Selbst die irrsinnigsten Links zu angeblichen Nachrichtenseiten etwa über die angebliche Ermordung des FBI-Ermittlers, der Hillary Clintons E-Mail-Affäre aufklären sollte oder das Märchen vom Papst, der sich für Trump aussprach, werden nicht gelöscht. Im Gegenteil: Sie werden wegen ihres enorm hohen Aufmerksamkeitspotenzials weiter befeuert. Facebook bringt alles in unsere Timeline, was geteilt wird, ohne den Inhalt zu prüfen. Ähnlich wie Social Bots multiplizieren diese Algorithmen Emotionen. Und Populismus lebt von Emotionen.
https://twitter.com/leogfischer/status/796797696195575808
Kein Phänomen allein in den USA
Sicher, Facebook und Twitter haben nicht allein Donald Trump zum Präsidenten gemacht. Social Bots und Algorithmen trugen jedoch einen Großteil zum Wahlausgang bei. Genauso dramatisch ist allerdings die Tatsache, dass Twitter-Trends und weit verbreitete Falschmeldung offenbar kaum hinterfragt wurden. Im Gegenteil: Das Gerücht beispielsweise über den ermordeten FBI-Agenten hielt sich bis zum Ende, wurde für viele Trump-Anhänger zum Wahlkampfthema. Problematisch dabei ist weniger, dass sie von Falschmeldungen getäuscht wurden, sondern dass sie diese vermutlich auch glauben wollten.
Ein US-Amerikanisches Phänomen ist das nicht. Vergleichbar ist die Verbreitung von Falschmeldungen in Deutschland und Europa mit Berichten über Straftaten von Geflüchteten. Und anlässlich der bevorstehenden Bundestagswahl sorgte die AfD kurz für Aufsehen, indem sie erst ankündigte, Social Bots vielleicht im Wahlkampf einsetzen zu wollen und kurz danach wieder zurückruderte. Aber genau wie im US-Wahlkampf gilt: Die Urheber von Social Bots, die Puppenspieler, wie sie Emilio Ferrara und Alessandro Bessi nennen, sind unbekannt.
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